Antibiotikaresistenz: Die schleichende Pandemie

Antibiotika sind natürliche Produkte von Mikroorganismen, die Bakterien schädigen. Als Reaktion entwickeln Bakterien Resistenzen. Beim Menschen werden Antibiotika gegen bakterielle Infektionen eingesetzt und stellen die Basis für viele medizinische Behandlungen dar. Die steigende Ausbreitung von Resistenzen gefährdet daher die moderne Medizin.

Zum besseren Verständnis vereinfacht

Antibiotika

Die ersten Antibiotika wurden Anfang des 20ten Jahrhunderts entdeckt. Sie ermöglichten erstmals die sichere Therapie von bakteriellen Erkrankungen. Neben den ersten Antibiotika (die bekanntesten sind Penizillin und Tetracyclin) wurden schnell weitere entdeckt. Der Zeitraum von 1940  – 1960 wird daher als das „Goldenes Zeitalter“ der Antibiotika bezeichnet. Danach widmete sich die Pharmaindustrie gewinnträchtigeren Medikamenten (vorwiegend gegen chronische Erkrankungen). Die Suche nach neuen Antibiotika geriet ins Stocken. Von den rund 51 neuen Antibiotika, die seit 1980 auf den Markt kamen, sind lediglich 8 mit neuen Wirkklassen. Die meisten sind Weiterentwicklungen bekannter Antibiotika (Antibiotika der 2ten, 3ten… Generation).

Man geht davon aus, dass Antibiotika die Lebensdauer der Menschen durchschnittlich um 23 Jahre erhöht haben. Durch Antibiotika können nicht nur akute Infekte wirksam bekämpft werden, sondern sie ermöglichen medizinische Behandlungen, die mit Immunsuppression einhergehen (wie Chemotherapie oder Transplantationen). Nach OPs werden sie teilweise vorsorglich eingesetzt, um Infektionen zu verhindern. Sie stellen somit eine der wichtigsten Grundsäulen der modernen Medizin dar.

Man unterscheidet verschiedene Wirkstoffklassen, die sich in ihrer chemischen Struktur und somit Wirksamkeit unterscheiden. Eine Klasse sind zum Beispiel die Beta-Laktam-Antibiotika, zu denen die Penicilline gehören. Eine andere Klasse sind die Tetracycline.

Die Wirkung von Antibiotika kann auf verschiedenen Faktoren beruhen, die einzeln oder in Kombination auftreten können:

  • Störung des Zellwandaufbaus,
  • Hemmung der Zellwandfunktion, gestörte Aufnahme von Substanzen,
  • Störung des Zellstoffwechsels,
  • Hemmung der Nukleinsäure-Produktion, so dass keine neuen Zellkerne aufgebaut werden können bzw. keine Informationen aus dem Zellkern in die Zelle gelangen,
  • Störungen der Ribosomenfunktion, so dass die Bildung von Proteinen gestört ist.

Diese Wirkungsmechanismen zielen ganz speziell auf Bakteriengruppen bzw. einzelne Bakterienarten. Breitbandantibiotika wirken hingegen gegen zahlreiche Bakterien.

Reserve-Antibiotika (highest priority critically important antimicrobials“ (hpCIA)) sind Antibiotika, gegen die noch keine großflächigen Resistenzen bekannt sind. Sie werden möglichst selten und nur in Notfällen eingesetzt. Teilweise haben sie umfangreichere Nebenwirkungen als die üblichen Antibiotika.

Aufnahme von verschiedenen Pillen. Antibiotika sind ein wichtiges Standbein der modernen Medizin. Bakterielle Infektionen können therapiert werden und viele weitere Therapien sind erst dadurch möglich, dass bakterielle Infektion verhindert werden.
Antibiotika sind ein wichtiges Standbein der modernen Medizin. Bakterielle Infektionen können therapiert werden und viele weitere Therapien sind erst dadurch möglich, dass bakterielle Infektion verhindert werden. (Bildquelle: pixabay)

Antibiotika-Resistenz

Bakterien bilden gegen Antibiotika Resistenzen aus. Dies ist ein natürlicher Vorgang. Bakterien, aus einer abgelegenen Höhle, die untersucht wurden, besaßen zu einem großen Teil verschiedene Antibiotika-Resistenzen. Auch in Permafrostböden wurden sehr alte, aber Antibiotika-resistente Bakterien entdeckt. Die Ausbildung von (multiplen) Resistenzen ist daher eher der Standard, als die Ausnahme. Allerdings ist derzeit ein starker Anstieg von Resistenzbildungen festzustellen.

Je höher der Evolutionsdruck ist, desto schneller bilden sich Resistenzen aus. In der Praxis heißt das: Je mehr Antibiotika verwendet werden, desto schneller werden Bakterien dagegen resistent. Die ersten Resistenzen gegen die verwendeten Antibiotika wurden meist bereits kurz nach deren Zulassung festgestellt. Penicillin wurde zwar 1920 entdeckt, aber erst 1940 zugelassen. Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es Resistenzen. Bei Tetracyclin wurden die ersten Resistenzen rd. 5 Jahre nach der Zulassung entdeckt.

Resistenzen können auf verschiedenen Faktoren beruhen:

  • verminderte Aufnahme von Antibiotika,
  • vermehrte Ausscheidung der Antibiotika,
  • veränderte Stoffwechselwege, die den Einfluss der Antibiotika umgehen,
  • enzymatische Inaktivierung von Antibiotika.

Ist ein Bakterium gegen ein Medikament einer bestimmten Wirkstoffklasse resistent, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch Resistenzen gegen andere Antibiotika dieser Wirkstoffklasse existieren.

Man kann Resistenzen in 3 Gruppen einteilen:

  • Intrinsiche Resistenz: Alle Bakterien einer Gattung haben aufgrund ihrer genetischen Ausstattung diese Resistenz, sie sind quasi von Natur aus gegen ein bestimmtes Antibiotika resistent. So ist z. B. Proteus mirabilis intrinsisch resistent gegen Tetracyclin. Diese Resistenz kann als Identifizierungsmerkmal genutzt werden.
  • Erworbene Resistenz: Durch Mutation oder Übertragung von einem anderen Bakterium erhaltene Resistenz. Diese Resistenz kann zeitlich begrenzt oder unbegrenzt sein. Sie führt dazu, dass zuvor wirksame Antibiotika unwirksam werden. (Details s. u.)
  • Angepasste Resistenz: Anpassung an eine entsprechende Umwelt aufgrund des evolutionären Drucks.  Die Entwicklung ist abhängig von z. B. der Anwendung und Anwendungsdauer von Antibiotika. Zusätzlich wird sie durch andere Faktoren beeinflusst, wie Stress, pH-Wert, Ernährungslage, Co-Faktoren wie Biozide (Desinfektionsmittel, wie Formaldehyd, Chlorhexidin) und Schwermetalle (z. B Arsen, Zink, Mangan, Silber). Im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten Resistenzen entwickelt sich diese zurück, wenn die Umgebungsbedingungen sich ändern. Die genauen biologischen Prozesse sind unbekannt. Sie führt jedoch ebenfalls dazu, dass zuvor wirksame Antibiotika wirkungslos bleiben.

Erworbene Resistenzen können durch Genmutationen zufällig entstehen. Wichtiger ist jedoch der Austausch der Resistenzgene zwischen Bakterien, auch zwischen verschiedenen Spezies und Gattungen von Bakterien. Hierzu können Genabschnitte direkt ausgetauscht werden:

  • Konjugation: Austausch von Resistenzgenen zwischen zwei Bakterien (Austausch von Plasmiden, „Gen-Ringen“),
  • Transduktion: Übertragung von Resistenzgenen durch Bakteriophagen (Viren, die auf Bakterien spezialisiert sind),
  • Transformation: Aufnahme von Resistenzgenen aus der Umwelt.

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Resistenzen können so etwa durch Kommensale (z. B. im Darm lebende, nicht infektiöse Bakterien) oder in der Umwelt vorkommende Bakterien an humanpathogene Bakterien übertragen werden. Sind Bakterien gegen verschiedene Antibiotika resistent, werden sie als multiresistent bezeichnet. Eine Multiresistenz kann etwa entstehen, wenn in einem Organismus Bakterien mit verschiedenen Resistenzen aufeinander treffen und Resistenzgene austauschen.

Bild: Zusammenschluss von Stäbchen Bakterien: Bakterien können Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln. In einem Bakterienkonglomerat können sie nicht nur Resistenzen austauschen, sondern sich durch Bildung eines Biofilms zusätzlich schützen.
Bakterien können Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln. In einem Bakterienkonglomerat können sie nicht nur Resistenzen austauschen, sondern sich durch Bildung eines Biofilms zusätzlich schützen. (Bildquelle: pixabay)

Die resistenten Bakterienstämme werden entsprechend ihrer Resistenzen benannt, wie z. B.

  • VRE: Vancomycin-resistente Enterococcus faecium
  • MRSA:  Methicillin-resistente Staphylococcus
  • ESBL-Coli: Extended Spectrum Beta-Lactamase E. Coli

Tuberkulose galt in den Industrieländern als nahezu ausgerottet. Derzeit sind weltweit 3,5 % der aktiven und 18 % der behandelten Tuberkulosefälle auf multiresistente Tuberkulosekeime zurückzuführen (MDR-TB). Es besteht die Befürchtung, dass die Multi-Resistenzen sich auf weitere Antibiotika ausweiten (XDR-TB: extensively resistent tuberculosis).

Hinsichtlich der resistenten Bakterienarten und deren Anteilen gibt es starke regionale Unterschiede.

Risikogruppen

Ein enger Kontakt zwischen Lebewesen bedeutet immer das Risiko, Bakterien – auch resistente – auszutauschen.

Im Kontakt zwischen Menschen sind daher besonders Mitarbeitende in Gesundheits- und Pflegeberufen (Hospital-acquired or healthcare-associated infections: HAIs) als Risikogruppen zu bezeichnen.

Beim Umgang mit Tieren sind Zoonose von Bedeutung: Erkrankungen, die vom Tier auf Menschen oder umgekehrt übertragen werden. Besonders gefährdet sind Beschäftigte in Massentierhaltungen oder Schlachtbetrieben. So zeigen Untersuchungen, dass 2014 in der Schweinehaltung 84,7 % der untersuchten Beschäftigten mit MRSA besiedelt waren und 6 % mit ESBL-Coli.

Bei Massentierhaltungen besteht ein enger Kontakt zwischen den Bestandstieren (s. u.).

Gefahren und Auswirkungen von Antibiotika-Resistenz

Eine Infektion mit resistenten Bakterien kann lebensbedrohlich sein. Solche Infektionen zählen bereits jetzt zu den häufigsten Todesursachen und sind häufiger als Malaria oder HIV. Jährlich sind rd. 5 Millionen Todesfälle auf Infektionen mit resistenten Bakterien zurückzuführen (Deutschland: 45.700), davon wiederum mindestens 1,27 Millionen Todesfälle direkt auf antimikrobielle Resistenzen (also auf unwirksame Behandlungen; Deutschland: 9.650). Dies entspricht ungefähr der Anzahl der Gestorbenen aufgrund von Diabetes oder Verkehrsunfällen. Man geht davon aus, dass die Opfer von unwirksamen Behandlungen sich bis 2050 mindestens auf 10 Millionen erhöht und damit die Zahl der Krebstoten übersteigt.

Besonders betroffen sind Kinder unter 5 Jahren: Jeder 5te durch Resistenzen verursachte Todesfall fällt in diese Altersgruppe. Regional sticht die Subsahara Afrikas hervor: Hier sind 255.000 Todesfälle auf Resistenzen zurückzuführen. Ein Großteil hätte durch Impfungen (etwa gegen S. Pneumonia) vermieden werden können.

Behandlungsmöglichkeiten, wie Unterstützung bei Immunsuppression oder vorbeugend nach Operationen, sind bei Resistenz nicht mehr zuverlässig möglich. Viele Behandlungen der modernen Medizin werden damit in ihrer Wirkung geschwächt.

Zusätzlich zu den unmittelbar den Menschen betreffenden Auswirkungen, haben Resistenzen auch Einfluss auf die Tierhaltung – insbesondere die Massentierhaltung. Es wird mit Einbußen bei der Fleischproduktion von mind. 11 % gerechnet. Hierdurch ergeben sich direkte Auswirkungen auf den Menschen.

Resistenz-fördernde Faktoren

Resistenzbildung kann durch zahlreiche Faktoren gefördert werden. Nachfolgend sind nur einige relevante genannt.

Gebrauch und Missbrauch in der Landwirtschaft

Massentierhaltung ist verbunden mit einem hohen Infektionsrisiko für die Tiere. Erkrankte Tiere werden mit Antibiotika behandelt, sicherheitshalber wird oft der gesamte Bestand mittherapiert. In der Massentierhaltung werden daher große Mengen an Antibiotika eingesetzt.

Antibiotika bewirken eine schnellere Gewichtszunahme bei den Tieren. Die exakten biologischen Vorgänge sind nicht bekannt. Dennoch werden Antibiotika auch mit dem Ziel eines schnelleren Tierwachstum verfüttert. Diese Praxis ist in Deutschland inzwischen verboten, wird aber insbesondere in Schwellenländern noch praktiziert.

Untersuchungen von Fleisch- und Milchprodukten zeigen, dass diese häufig Antibiotika bzw. deren Abbauprodukten enthalten. Dies kann auf Dauer auch gesundheitliche Auswirkungen auf Menschen haben. So sind viele Antibiotika auf Dauer kanzerogen. Sulfonamide können zusätzlich allergische Reaktionen hervorrufen. Tetracyclin kann zu Zahnverfärbungen bei Kindern und Jugendlichen führen.

Grafik Anteil Antibiotika-resistenter E.-Coli-Bakterien im Fleisch von verschiedenen Tierarten im Einzelhandel zwischen 2012 und 2021 (nach Werner 2023) Geringe Resistenzen bzgl. Cefotaxamin und Ceftazidim bei Pute, Hähnchen, Schwein, Kalb und Rind. Bei Ciprofloxacin und Nalidixinsäure Resistenzraten bei Pute > 30 %, bei Hähnchen > 40 %, bei Kalb ca. 12 %. Resistenzen entwickeln sich je nach Tierart und Medikament unterschiedlich. Insgesamt gibt es bei Geflügel starke Resistenzbildungen, auch beim Kalb sind einige Antibiotika-Resistenzen auffällig. Nalidixinsäure ist aufgrund der starken Resistenzbildung in Europa nicht mehr im Handel.
Anteil Antibiotika-resistenter E.-Coli-Bakterien im Fleisch von verschiedenen Tierarten im Einzelhandel zwischen 2012 und 2021 (nach Werner 2023)
Resistenzen entwickeln sich je nach Tierart und Medikament unterschiedlich. Insgesamt gibt es bei Geflügel starke Resistenzbildungen, auch beim Kalb sind einige Antibiotika-Resistenzen auffällig. Nalidixinsäure ist aufgrund der starken Resistenzbildung in Europa nicht mehr im Handel.

Antibiotika werden auch in der Pflanzenzucht eingesetzt.

Ca. 80 % der Antibiotika in den USA werden im landwirtschaftlichen Sektor eingesetzt. In Deutschland sind die Relationen ähnlich. Der höchste Antibiotika-Einsatz in der Landwirtschaft findet jedoch in China statt, gefolgt von den USA, Deutschland und Indien teilen sich die Plätze 4 und 5 unmittelbar hinter Brasilien.

Teilweise werden Reservemedikamente in der Massentierhaltung eingesetzt. So wird in Deutschland in der Geflügelzucht z. B. Colisitin verwendet. In anderen – auch europäischen Ländern – wird in der Tierzucht auf Colistin verzichtet.

Zusammenfassend kann man festhalten: Insbesondere die massenhafte Billigfleischproduktion stellt nicht nur eine Qual für die Tiere dar, sondern fördert auch massiv Antibiotika-Resistenzen. (Zur Schweinezucht siehe auch:. „Armes Schwein – Das Leben der Schweine“, speziell zu Antibiotikaeinsatz: siehe Seite 4).

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Abwasser, Trinkwasser

Antibiotika-Rückstände gelangen mit dem Abwasser aus Haushalten, Krankenhäusern, Tierzuchtanlagen etc. in Kläranlagen. Eine Entfernung der Antibiotika in der Kläranlage ist nur mit erheblichem Aufwand möglich. Die Halbwertszeit von Antibiotika reicht von wenigen Stunden bis zu hunderten von Tagen. Durch die stetige Zufuhr in die Umwelt, gelten der Antibiotika inzwischen als permanente Umweltverschmutzung. Durch diese nahezu ubiquitäre Verbreitung der Antibiotika steigt das Risiko von Resistenzbildungen an.

Rund 20 – 30 % der Patienten in Krankenhäusern erhalten Antibiotika. Krankenhausabwässer sind daher Hotspots für Resistenzübertragungen zwischen Bakterien. Mit Abwässern gelangen die resistenten Keime direkte in die Kläranlagen. Eine Verbreitung in die Umwelt ist nicht auszuschließen. So wurden resistente E. Colis bereits im Trinkwasser entdeckt.

Patient, Arzt, Gesundheitspersonal

Unwissenheit und Sorglosigkeit führen auf verschiedenen Wegen zu erhöhter Antibiotika-Nutzung und somit Resistenzbildung.

In Krankenhaus werden Patienten quasi vorsorglich mit Antibiotika versorgt. Die Behandlung ist hierbei oft weder spezifisch noch ist die Behandlungsdauer angemessen. Patienten erhalten teilweise von ihren Ärzten bei viralen Erkrankungen Antibiotika. Diese sind jedoch bei viralen Erkrankungen wirkungslos.

Neben der häufigen Nutzung stellt auch die falsche Einnahme ein Risiko dar: Dies betrifft sowohl die Einnahmedauer und Menge, als auch ungeeignete Antibiotika (Antibiotika, die bei dem Erreger wirkungslos sind). Im Idealfall wird vor Verschreibung eines Antibiotika geprüft, welche Bakterien vorliegen und das exakt passende Antibiotika ausgewählt. Die Verwendung von Breitband-Antibiotika sollte nach Möglichkeit vermieden werden.

Man geht davon aus, dass ca. 50 % der Antibiotika-Verschreibungen nicht angemessen sind.

Insbesondere Antibiotika, die frei verkäuflich sind (over-the-counter drugs (OTC-drugs)) werden häufig unnötig eingesetzt.

Bild: Einkaufskorb mit Medikamenten. Stehen Antibiotika frei verkäuflich zur Verfügung, ist die Gefahr von Missbrauch, unnötiger Einnahme, falscher Einnahme u. ä. erhöht. Hierdurch werden Resistenzen gefördert
Stehen Antibiotika frei verkäuflich zur Verfügung, ist die Gefahr von Missbrauch, unnötiger Einnahme, falscher Einnahme u. ä. erhöht. Hierdurch werden Resistenzen gefördert. (Bildquelle: pixabay)

Während Corona mussten zahlreiche Sekundärinfektionen mit Antibiotika bekämpft werden. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) warnte damals explizit davor, dass die Gefahr besteht, die erreichten Erfolge bei der Resistenzbildung zu nicht zu machen.

Mit steigendem Bruttoinlandsprodukt steigt auch die Antibiotika-Verwendung. So wurde mit steigendem Weltwohlstand der Antibiotika-Verbrauch zwischen 2000 und 2015 um 65 % gesteigert. Zusätzlich nimmt der Fleischverbrauch mit wachsendem Wohlstand zu; mit der Fleischproduktion steigt der Antibiotika-Verbrauch weiter.

Welthandel, Weltreisen

Durch den weltweiten Austausch von Gütern und weltumspannende Reisen werden resistente Bakterien schneller verbreitet. So kann man nach Aufnahme resistenter Bakterien bis zu 12 Monaten Träger und Ausscheider dieser Bakterien sein. Damit steigt die Gefahr, dass die Resistenzgene mit den „heimischen“ Bakterien ausgetauscht werden.

Der Mensch dringt immer mehr in bisher unbewohnte Regionen vor. Aus diesen Regionen können nicht nur gefährliche Bakterien verbreitet werden, sondern auch resistente Bakterien.

Klimawandel

Der Anstieg der Temperatur durch den Klimawandel führt zu höheren Antibiotikaresistenzraten und damit zu einer weiteren Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen.

Höhere Temperaturen bedeuten bessere Wachstumsbedingungen für viele Bakterien und somit mehr Bakterien, mit höherem Konkurrenz- und Anpassungsdruck. Möglicherweise steigt auch der Austausch von (Resistenz-)-Genen. Somit steigen bei höheren Temperaturen nicht nur bakterielle Erkrankungen, sondern auch die Resistenzbildung.

Höhere Temperaturen bedeuten auch erhöhte Infektionsraten. Ursachen sind z. B.

  • Überschwemmungen und Krankheits-Übertragungen in diesem Zusammenhang,
  • erhöhte Luftübertragungen von Keimen, z. B. durch höhere Luftfeuchte,
  • Erhöhte Verkeimung von Lebensmitteln,
  • etc.

Mit erhöhter Erkrankungsrate steigt der Antibiotika Verbrauch, was wiederum zu vermehrter Resistenzbildung führt.

Durch auftauenden Permafrostböden werden Bakterien und Viren freigesetzt, die sowohl direkte Gesundheitsgefahren für die Menschheit bedeuten können, als auch Resistenzen verbreiten können.

Nicht zuletzt kann der Klimawandel zu verstärkter Flucht und Vertreibung und dadurch zu Überlastungen von Gesundheitssystemen führen. Hierdurch wird zum einen die Verbreitung von Bakterienstämmen gefördert, zum anderen das Risiko von Erkrankungen sowie Bildung und Austausch von Resistenzen verstärkt.

Erforderliche Maßnahmen

Der Einsatz von Reservemedikamente sollten strikte geregelt werden. Ihr Einsatz in der Massentierhaltung sollte verboten werden oder auf sehr wenige begründete Einzelfälle beschränkt bleiben. Die Verwendung von Antibiotika zur Wachstumsförderung muss weltweit strikte verboten werden.

Reduzierter Fleischverbrauch zu realistischen Preisen hilft die Tiergesundheit zu verbessern und den erforderlichen Einsatz von Antibiotika zu reduzieren.

Bild: Halle mit Geflügel. Bei Massentierhaltungen entsteht durch die räumliche Dichte ein hohes Infektionsrisiko für den ganzen Bestand. Besonders in der Geflügel-„Produktion“ ist ein Verzicht auf Antibiotika kaum möglich. Andererseits ist die Nachfrage nach billigem Fleisch ungebrochen.
Bei Massentierhaltungen entsteht durch die räumliche Dichte ein hohes Infektionsrisiko für den ganzen Bestand. Besonders in der Geflügel-„Produktion“ ist ein Verzicht auf Antibiotika kaum möglich. Andererseits ist die Nachfrage nach billigem Fleisch ungebrochen. (Bildquelle: pixabay)

Es muss dringend nach neuen wirksamen Antibiotika / Mittel zur Bakterienbekämpfung geforscht werden. Hierbei dürfen nicht nur Antibiotika-Klassen um weitere Produkte ergänzt werden, sondern grundsätzlich neue Mittel und Wege gesucht werden. Vielversprechende Ansätze sind etwa Bakteriophagen ebenso wie QS Inhibitoren (QS: Quorum sensing, die Sprache der Bakterien, s. „Klein, aber geschwätzig: Bakterien-Kommunikation“). Auch Bakteriokine (quasi einzelne Abschnitte von Bakterien, die bakteriozid wirken) scheinen ein viel versprechendes Feld zu sein.

Sofern möglich, sollten Impfungen erfolgen, um mögliche Erkrankungen zu verhindern.

Antibiotika müssen gezielt eingesetzt werden. Vor einer Antibiotika-Gabe sollte getestet werden, welche Bakterien vorhanden und welche Antibiotika wirksam sind. Hierzu müssen schnelle Diagnosetests entwickelt werden.

Um Missbräuche und Falscheinnahmen zu reduzieren, muss die Öffentlichkeit über Antibiotika, Resistenzen und die Gefahren, die davon ausgehen, aufgeklärt werden. Zusätzlich sind Aufklärungen über Hygiene (z. B. Händehygiene) und Impfungen erforderlich.

Antibiotikaeinsatz und Resistenzbildung müssen international streng geregelt und überwacht werden. Es ist eine international Zusammenarbeit erforderlich.

Im Projekt „One Health“ bemüht sich die WHO auf breiter Ebene möglichst viele Faktoren so zu gestalten, dass Resistenzbildung reduziert wird. Hierzu gehören z. B. auch Maßnahmen zum Umweltschutz oder der Einsatz für eine tierschutzgerechte Nutztierhaltung.

Antibiotikaresistenz stellt eine Gefahr für uns alle dar. Jeder kann und muss seinen Teil dazu beitragen, den Anstieg von Resistenzen und somit das Unwirksam werden von Antibiotika zu verhindern.


Literatur / Quellenauszug

Bundesgesundheitsministerium: Merkblatt Antibiotika
Ebner, R., Rosenkranz, E.: Pillen vor die Säue. ISBN: 978-3-96238-206-3
Werner, G. et all.: Therapierelevante Antibiotikaresistenzen im One-Health-Kontext. Bundesgesundheitsbl 2023 · 66:628–643

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