Weltweit nimmt die Biodiversität aufgrund der menschlichen Aktivitäten ab. Damit gehen nicht nur Schutzfunktionen und andere Natur-Leistungen verloren, sondern die Menschheit beraubt sich auch vieler Chancen.
Zugunsten der Verständlichkeit stark vereinfacht
Verschiedene Konzepte
Den Nutzen der Natur und ihrer Vielfalt kann man unter verschiedenen Aspekten beurteilen.
Ökologische Betrachtung: Stabilität und Flexibilität
Biodiversität bedeutet Vielfalt an Lebensräumen, Arten und genetischer Ausstattung (s. Biodiversität: Gefährliches Spiel mit komplexen Systemen).
Im Allgemeinen gilt: Je größer die Biodiversität, desto stabiler sind Ökosysteme und der Artenbestand, sie können also besser auf kleine Veränderungen reagieren. Bei größeren Veränderungen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein neuer Status-Quo – also ein neues Gleichgewicht mit anderen „Spielpartnern“ einstellt – bedeutend höher.

Durch den Verlust der Biodiversität werden die Möglichkeiten verringert, auf Veränderungen flexibel reagieren zu können. In Anbetracht des Klimawandels ist jedoch eine hohe Flexibilität der lebenden Umwelt dringend erforderlich.
Bei den bisherigen 5 Massensterben, die sich im Laufe der Entwicklung des Lebens ereigneten, wurden jeweils die bestehenden Ökosysteme weitgehend zerstört. Die bis darin vorherrschenden Arten starben aus oder wurden sehr stark dezimiert. Dafür konnten sich Arten ausbreiten, die bisher nur in geringer Zahl auftraten. Nach dem (fast) Aussterben der Dinosauriergruppe im Laufe des letzten Massenaussterbens konnten z. B. Säugetiere, die bis dahin nur ein Schattendasein führten, die „freie gewordenen Nischen“ erobern und sich in viele Arten aufspalten.
Welche Arten beim jetzigen – durch den Menschen verursachten – Massensterben überleben, bleibt offen. Sicher ist jedoch, dass bis zum nächsten stabilen Gleichgewicht nach einem Massensterben jeweils tausende von Jahren vergehen. (s. Biodiversitätsverlust: Das 6. Massensterben)
Wie wichtig eine hohe Biodiversität selbst bei Bakterien ist, zeigen die folgenden Beispiele:
Beispiele: Vielfalt bei Bakterienkulturen
Trinkwasser ist nicht bakterienfrei. Gemäß der Trinkwasserverordnung muss es jedoch frei von pathogenen Keimen sein. Als Leitbakterium steht hierbei das „Fäkalbakterium“ E. Coli. Wird Trinkwasser gechlort, wird die normale Bakterienansiedlung zerstört, die Artenvielfalt an Bakterien nimmt ab. Hierdurch hat E. Coli, ein weitverbreitetes Bakterium, häufig bessere Startbedingungen als seine Konkurrenten. In desinfiziertem Wasser ist die Anzahl von E. Coli nach kurzer Zeit daher oft höher, als in nicht desinfiziertem Wasser. Trinkwasserdesinfektion sollte sich aus diesem Grund auf die erforderlichen Fälle beschränken.
Ähnlich sieht es nach einer Breitband-Antibiotikabehandlung aus. Neben den „Schadbakterien“ werden unter anderem im Darm auch die nützlichen und erforderlichen Bakterien reduziert. Bis die normale Bakterienbesiedlung wiederhergestellt ist, haben pathogene Keime die Möglichkeit, sich großflächig anzusiedeln. Nutzen und Risiko einer Breitband-Antibiotikabehandlung müssen daher sorgfältig abgewogen werden.
Monetäre Bewertung: Kosten-Nutzen-Rechnung
Der wirtschaftliche Nutzen der Natur wird als Ökosystemdienstleistung (ÖDL, auch Ökosystemleistung oder Biodienstleistung) bezeichnet.
Hierbei werden wirtschaftliche Leistungen der Natur (etwa Bestäubung oder Hochwasserschutz) bewertet, z. B. indem die Kosten berechnet werden, die der Mensch durch Eigenleistung oder Technik aufbringen muss, um diese Ziele zu erreichen.
Zum Wert der Natur wurden durch TEEB (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) zahlreiche Studien und Veröffentlichungen erstellt.
In der Regel sind die „wirtschaftlichen“ Leistungen der Natur kostengünstiger als entsprechende menschliche Leistungen, selbst wenn Natur-Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sind. So bezieht New York sein Trinkwasser aus den 200 km entfernten Catskill Mountains. Die jährlichen Kosten zur naturnahen Erhaltung des Wassereinzugsgebietes betragen 100 Millionen USD (US-Dollar). Dem gegenüberzustellen sind Wasseraufbereitungssysteme, die geschätzt jährlich 10 Milliarden Euro kosten würden [5].
Der Vorteil des Konzeptes der ÖDL ist, dass es den wirtschaftlichen Nutzen der Natur verdeutlicht. Der Wert der Erhaltung der Biodiversität kann ihrem Verlust gegenüber gestellt werden – also im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung verglichen werden. Die Externalisierung von Kosten wird durch ÖDL erkennbar und bezifferbar.
Dadurch können u. a. Subventionen besser gelenkt werden. Gewinner und Verlierer sind bei den Nutzen / Kosten häufig verschieden. Für den Besitzer eines Waldgrundstückes sind schnell wachsende Holzarten rentabel, für die Menschen in der Nähe des Waldes dagegen Faktoren wie Trinkwasseraufbereitung, Luftreinigung, Erholungswert etc..
![Vergleich privater / öffentlicher Gewinne und Kosten für Garnelen-Farm und Mangrovenwald. Bezieht man in die öffentlichen Kosten bzw. den öffentlichen Nutzen in die Rechnungen ein, sind private Gewinne, z. B. durch Garnelen-Farmen in Mangrovengebieten oder Abholzung von Mangrovenwäldern, marginal. (Datenquelle: [15])](https://bzhp.files.wordpress.com/2022/01/oekodienstleistungen.png?w=300)
Geisthardt [6] nennt in einem Vortrag folgende Zahlen:
Für einen weltweiten effektiven Schutz der Hotspots wären jährlich Ausgaben in Höhe von 500 Millionen USD erforderlich. Bisher werden dafür jährlich nur 40 Millionen USD investiert, also weniger als 1/10 der erforderlichen Summe.
Für den weltweiten Biotopschutz wären jährlich ca. 300 Milliarden USD notwendig. Dieser gewaltigen Summe sind jährliche Subventionen für umweltschädliche Maßnahmen in Höhe von 1,5 Billiarden USD entgegenzusetzen.
Das BMK in Österreich nennt ähnliche Zahlen [1]: Die weltweit circa 100.000 Schutzgebiete bringen dem Menschen jährlich einen Gegenwert von ca. 4,4 – 5,2 Milliarden USD. Werden 45 Milliarden USD in den Schutz der Gebiete investiert, bringen die naturbezogenen Leistungen einen Nutzen von rd. 5 Billionen USD.
Das Konzept der ÖDL ist nicht unumstritten.
Ein Kritikpunkt ist der rein anthropozentrische Ansatz – also die Reduzierung der Leistungen auf den (erkennbaren) Nutzen für den Menschen.
Moralische Werte wie der Schutz einer Art um ihrer selbst Willen werden wirtschaftliche Aspekte entgegengesetzt. Das Konzept kann somit eine Vermarktung der Natur bewirken, die ähnlich wie bei CO2 zu Zertifikathandel führt (Ausverkauf der Natur).
Andere Kritiker verweisen auf die extrem schwierige Bewertung der ÖDL und bezeichnen die berechneten Zahlen als mehr oder weniger willkürlich. Insbesondere bei sehr komplexen Systemen ist die Vielfalt an Wechselwirkungen (sowie Nutzen und Auswirkungen) kaum überschaubar.
Ein finanzieller Wert ist zudem abhängig von der Gesellschaft (z. B. wie hoch bewertet diese den Erholungswert eines Waldes), der Einkommenssituation und -verteilung (z. B. wie stark sind Bewohner auf Nahrung aus der Natur, etwa Wildpflanzen und -tiere, angewiesen) und vielem mehr.
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Der Nutzen einer intakten Umwelt
Unabhängig davon, ob man es aus ökologischer oder monetärer Sicht betrachtet: Eine intakte Umwelt – hohe Biodiversität – nutzt (auch) dem Menschen. Dabei ist die Leistungsfähigkeit (der Nutzen) von Ökosystemen häufig direkt proportional der Biodiversität: Je höher die Biodiversität, desto größer die Ökosystemdienstleistungen (der Nutzen).
Von den zahlreichen Nutzen hoher Biodiversität sind nachfolgend nur einige aufgeführt.
Grundversorgung und Nahrungsmittel
Unsere Lebensmittelversorgung basiert primär auf Pflanzen, die Sonnenlicht, Wasser und Mineralien in organisches Material umsetzen. Ohne Pflanzen kein höheres Leben.
Pflanzen dienen dem Menschen sowohl direkt als Nahrung, als auch als Futter für Tiere, die in die Lebensmittelproduktion einfließen (Nutztiere und Fleischfutter für Nutztiere).
Bodenbildung
Boden entsteht aus erodiertem mineralischem Untergrund, welcher durch Lebewesen „weiter bearbeitet“ wird. Im Laufe der Bodenbildung wird immer mehr organisches Material verarbeitet, die als Humus die oberste Schicht des Bodens bildet. Im Gegensatz zu Gestein und anderem mineralischen Untergrund entsteht Boden also nur durch die Mitwirkung von Lebewesen.
![Bodenfläche, auf die die Anzahl der in ihr lebenden Arten beziffert ist. Die Anzahl der Lebewesen im Boden ist riesig: Beispielhaft ist die ungefähre Anzahl in einem Quadratmeter Boden bis in eine Tiefe von 30 cm dargestellt – also 300 l, einer guten Badewannenfüllung. (Datenquelle: [9])](https://bzhp.files.wordpress.com/2022/01/bodenlebewesen.jpg?w=300)
Beispiel Regenwurm
Die Arbeit des Regenwurms zahlt sich mehrfach aus. Der Regenwurm zersetzt biologisches Material und fördert die Humusbildung. Bei seinen Aktivitäten lockert er die Erde und schafft eine hohe Wasserdurchlässigkeit. Dadurch dringt bei Starkregen Wasser in die Erde ein. Ein gut durchwurzelter Boden mit vielen Regenwürmern kann rd. 150 l Wasser/ha aufnehmen. Zudem wird durch die Grabungsarbeiten der Regenwürmer eine gute Durchlüftung des Bodens sichergestellt.
Ebenso wie alle anderen biologischen Faktoren ist auch Boden eine begrenzte und empfindliche Ressource. Der Boden und seine Lebewesen sind gefährdet durch Versiegelung, Verdichtung, Schadstoffe und Dünger, Erosion (z. B. nach der Ernte), Monokulturen und vielem mehr. Boden dient dem Menschen als Anbausubstrat für Pflanzen, die als Nahrungsmittel, Baumaterial oder Futter verwendet werden. Zudem reinigt er Regenwasser auf dessen Weg zum Grundwasser und speichert CO2.
Bestäubung
Ein großer Teil aller Blütenpflanzen (ca. 80 %) und fast alle Obst- und Gemüsearten (75 %) sind auf Bestäubung angewiesen. Rund 35 % der Welt-Ernährung würden ohne Bestäubungsleistungen wegfallen oder müssten künstlich bestäubt werden. Alleine in der Schweiz wird der jährliche finanzielle Nutzen durch Bestäuber auf ca. 200 – 480 Millionen Euro geschätzt, innerhalb der EU auf 14,6 Milliarden Euro. [2, 4, 5, 8, 16]
Ein Ausfall von Bestäubern gefährdet somit die Lebensmittelversorgung der Menschheit. Neben dem Nutzen für Kulturpflanzen sind Bestäuber auch für Wildpflanzen und somit für alle Biotope relevant.
Als Bestäuber sind nicht nur Bienen wichtig, sondern auch andere Insekten, Vögel und Säugetiere.
Trinkwasseraufbereitung
Regenwasser sickert durch den Boden in Grundwasserreservoire. Auf dem Weg durch den Boden wird es mechanisch und chemisch gereinigt und steht in der Regel ohne weitere Aufbereitung als Trinkwasser zur Verfügung. Die chemische Wasserreinigung erfolgt beim Durchgang durch den Boden zwar z. T. durch Reaktionen mit Bodenpartikel, aber im Wesentlichen durch verschiedene Bodenorganismen. Diese sind vor allem für die Entfernung organischer Wasserbestandteile verantwortlich.
Durch Menschen eingebrachte Schadstoff-Frachten, die entweder die Kapazität der Bodenreinigung überfordern oder nicht natürlich abbaubar sind, können Schadstoffe ins Grundwasser gelangen. Hierzu zählen z. B. Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte sowie Nitrat. In der Regel sind daher im Einzugsgebiet von Grundwasserbrunnen Wasserschutzgebiete ausgewiesen.
Beispiel Trinkwasserbildung Insel Föhr
Das Trinkwasser der Insel Föhr stammt aus einer Süßwasserlinse unter der Insel, die auf dem umgebenden Salzwasser aufschwimmt. Es wird geschätzt, dass das Wasserreservoir 100 Millionen m³ Süßwasser enthält. Die Neubildung des Grundwassers erfolgt durch Versickerung von Niederschlag. Pro Jahr und 100 ha Geestfläche werden 350.000 – 400.000 m³ Süßwasser neu gebildet.
Die Grundwasserentnahme betrug 2011 rd. 1 Mio m³. Das entnommene Wasser ist bakteriologisch einwandfrei, es findet lediglich eine pH-Wert-Anpassung sowie Entfernen von Eisen und Mangan statt. Es können jedoch Pflanzenschutzmittel, deren Abbauprodukte sowie Nitrat im Grundwasser festgestellt werden, allerdings unterhalb der Orientierungs- bzw. Grenzwerte. [9, auf aktualisierte Qualitätsmessungen bezogen: 17]
Würde die Grundwasserbildung auf der Insel fehlen oder das Grundwasser durch Schadstoffe kontaminiert, wären teure technische Maßnahmen, wie Wasseranlieferung vom Festland oder Wasseraufbereitung erforderlich.
Reservoir für Nutzpflanzen
Von den möglichen essbaren Pflanzen nutzt der Mensch nur einen Bruchteil und reduziert durch Hochleistungszuchten die verwendeten Arten und Rassen weiter (s. Biodiversitätsverlust: Das 6. Massensterben). Durch diese Einschränkung der genetischen Vielfalt und Anbau in Monokulturen besteht die Gefahr, dass spezialisierte Schädlinge (inkl. Krankheiten) die verwendeten Arten im Bestand gefährden (s. Biodiversität: Gefährliches Spiel mit komplexen Systemen: Beispiel Kartoffel und Banane).
In diesem Fall könnten Wildarten eine Nahrungsmittelverknappung vermeiden. Möglich wären z. B. das Einkreuzung von Wildarten, das Ausweichen auf Wildarten oder die Verwendung genetischer Bausteine mit Resistenzinformationen aus Wildarten. Hohe Biodiversität ist also erforderlich, um ausreichend Optionen für (zukünftige) Risiken zu bewahren.
Wildtiere
Neben den Nutztieren dienen auch Wildtiere in mehr oder weniger großem Umfang als Nahrung für den Menschen. Ebenso wie bei Pflanzen ist zudem auch hier ein Optionswert für zukünftige Risiken zu berücksichtigen.
Die meisten Wildtiere sind jedoch stark überjagt bzw. überfischt und durch Verlust ihrer Lebensräume bedroht. Viele Tierarten stehen vor der Ausrottung (s. auch Biodiversitätsverlust: Das 6. Massensterben). Korallenriffe sind z. B. die Brutgebiete vieler Fische. Mit dem Korallensterben verschwinden auch die Brutgebiete der Fische und verstärken den Druck der Überfischung.
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Regulierungsleistungen
Wetter und Klima
In Boden und Pflanzen wird CO2 in biologischem Material gespeichert. Besonders hoch ist die CO2-Speicherkapazität in Torf- und Moorböden, die in Deutschland jedoch kaum noch existieren.
Aufgrund der Lebensdauer von Bäumen ist die CO2-Speicherung der Bäume besonders lange möglich. Die Anzahl der Baumarten steht wahrscheinlich in einem positiven Zusammenhang mit der Speicherkapazität.
Die besonders artenreichen Regenwälder speichern ca. 25 % des weltweit freigesetzten CO2. Findet in den Regenwäldern Brandrodung statt, wird CO2 freigesetzt. Der unbedeckte Boden erodiert und wird durch den Anbau von Nutzpflanzen ausgelaugt. Mit Verschwinden des Regenwaldes werden die CO2-Speicherkapazität sowie die Biodiversität massiv reduziert.
Wälder sind relevant für den Wasserhaushalt. Die heimischen Wälder sind z. B. an der Grundwasserneubildung beteiligt.
Regenwälder produzieren nicht nur den Regen in ihrem Gebiet, sondern geben auch einen großen Teil des Wassers in die Atmosphäre ab. Rund die Hälfte des Niederschlags im Mittleren Westen der USA stammt aus den Regenwäldern Amazoniens. Für die europäischen Niederschläge sind die Wälder im Kongobecken mitverantwortlich [5]. Eine Zerstörung der Wälder bewirkt somit auch in weit entfernten Gebieten direkte Klimaveränderungen.
In Städten ist aufgrund der hohen Wärmespeicherkapazität der Gebäude und der reduzierten Windbewegung die Temperatur höher als im Umland. Grünanlagen speichern weniger Wärme, zusammen mit der Verdunstung durch Pflanzen entstehen dadurch kühlere „Inseln“. Die Temperaturunterschiede zwischen Grünfläche und Bebauung können 3 °C und mehr betragen. Beträgt die Grünfläche mindestens 3 ha, kann eine Kühlung bis in 100 – 150 m erreicht werden. [5]
Pufferung von Umwelteinflüssen
Gletscher decken das Erdreich ab und verhindern so den Abgang von Muren. Mit dem Gletscherschwund steigt die Gefahr von Erdrutschen.
Durch eine geschlossene Pflanzendecke wird Bodenerosion verhindert. Nach Kahlschlägen, Ernten und Brandrodungen ist die Bodenerosion durch Wind und Wasser besonders hoch. Eine geschlossene Pflanzendecke reduziert zudem die Austrocknung von Böden.
Auen dienen als Überflutungsflächen und so als natürlicher Schutz vor Hochwasser nach Starkregen oder Schneeschmelze. In Deutschland können allerdings nur noch rund 1/3 der ursprünglichen Überschwemmungsflächen an Flüssen überflutet werden.
Auch gut durchwurzelter, lockerer Boden kann viel Wasser aufnehmen und vor Überflutungen schützen (s. o. Bodenbildung).
Korallenriffe können bis zu 97 % der Wellenenergie des Meeres aufnehmen. So schützen sie vor Sturmfluten und Küstenerosion. Der weltweite Wert intakter Korallenriffe wird (inkl. Fischzucht und Küstenschutz) auf rund 170 Milliarden USD geschätzt. [5]
Wälder dienen, auch in Europa, als Schutz gegen Wind und Stürme (Schutzwälder). In den Küstengebieten der Tropen übernehmen Mangrovenwälder die Schutzfunktion. Ein Mangrovengürtel von 100 m Breite kann bei Stürmen die Wellenhöhe um 13 – 66 % reduzieren; bei einer Breite von 500 m kann die Wellenhöhe um 50 – 100 % vermindert werden. Bei dem Tsunami 2004 in Südostasien traten die größten Schäden dort auf, wo keine Mangroven (mehr) vorhanden waren. Man schätzt, dass 2017 beim Hurrikan Irma (Florida, USA) durch Mangrovenwälder Sachschäden in Höhe von 1,5 Milliarden USD verhindert wurden. Die durch Mangroven verhinderten weltweiten jährlichen Schäden durch Unwetter werden auf 57 Milliarden USD geschätzt. [5]
Beispiel New Orleans Wirbelsturm Katrina [12]
New Orleans liegt zum großen Teil unterhalb des Meeresspiegels. Dämme und Deiche schützen die Stadt, verhindern aber, dass Sediment aus dem Mississippi-Delta in den Feuchtgebieten abgelagert werden. Durch Erdöl- und Erdgasförderung senkten sich die Gebiete ab. Das Ausgraben der Fahrrinnen und die Erderwärmung trugen dazu bei, dass das Wasser in den Feuchtgebieten salzhaltiger wurde. Von 1930 – 2005 gingen dadurch über 80 % der Zypressensümpfe verloren. Die Wassermassen des Hurrikans Katrina konnte so 2005 ungebremst entlang der Fahrrinnen in die Stadt schießen und dort verheerende Schäden anrichten.
Die Feuchtgebiete sind außerdem das Überwinterungsgebiet für ca. 70 % der Zugvögel des Mississippi-Deltas. Sie beherbergen viele Laichgründe, auch von kommerziell genutzten Meerestieren. Allein die Garnelen-Industrie im Delta liefert rd. 30 % der kontinentalen Fangerträge der USA.
Schadstoffbeseitigung
Der Lärm in Städten kann durch dichte Baumreihen oder Pflanzenbewuchs an Gebäuden und Wänden reduziert werden.
Pflanzen, besonders Wälder, binden Feinstaub aus der Luft und wirken so luftreinigend. Schilfkläranlagen sind besonders in Gebieten von Bedeutung, die keinen Anschluss an Abwassersysteme haben, in Kläranlagen werden Mikroorganismen zur Wiederaufbereitung des Schmutzwassers eingesetzt. Ein großes Potential auch außerhalb von Kläranlagen bieten Mikroorganismen, die besondere Schadstoffe abbauen können. Manche Pflanzen können Schwermetalle binden und so auf kontaminierten Flächen gezielt eingesetzt werden. Die Hallersche Schaumkresse (Arabidopsis halleri) hat eine hohe Schwermetalltoleranz und speichert Schwermetalle in ihren Sprossen und Blättern. Solche Pflanzen, die Schwermetalle speichern, werden als Hyperakkumulatoren bezeichnet.
Beispiel Phytomining: Bodensanierung durch Pflanzen [3, 14]
In Neukaledonien findet sich das weltweit größte Nickel-Vorkommen, welches seit Jahrzehnten abgebaut wird. In der Umgebung der Minen sollen nun Hyperakkumulatoren zur Bodendekontamination angepflanzt werden. Aus den geernteten Pflanzen kann anschließend Nickel gewonnen werden.
In Albanien wird das Mauer-Steinkraut (Alyssum murale) ebenfalls zur Nickel-Gewinnung angebaut. In Zusammenarbeit mit der Universität Nancy wird aus den getrockneten Pflanzen Nickel gewonnen.
In vielfältigen Biotopen halten sich die einzelnen Arten in der Regel gegenseitig unter Kontrolle. Die Räuber-Beute-Beziehungen sind gut aufeinander abgestimmt. Die Beute (inkl. Pflanzen) haben zahlreiche Strategien, wie sie den Räubern (inkl. Fraßfeinden) entkommen können. Räuber wiederum haben Strategien entwickelt, wie sie dennoch an ihre Beute gelangen. Massive Vermehrung einzelner Arten tritt meist nur kurzzeitig auf.
Waldameisen vertilgen Unmengen an Insekten – auch solche, die von den Menschen als Schädlinge bezeichnet werden (s. Ameisen: Gefährdete Helfer).
Durch den Bakterienrasen auf der Haut und im Darm profitiert auch der Mensch von biologischer Vielfalt: Die vorhandenen Bakterien verhindern meist eine Ansiedlung von pathogenen Bakterien.
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Kultureller Nutzen
Erholungswert
Naturflächen oder naturnahe Flächen sind Naherholungsgebiete und zum Teil auch Touristenattraktionen.
Grünflächen erhöhen die Lebenserwartung, lindern Stress-Symptome, ermöglichen bessere Konzentration und bewirken, dass die mentale Ermüdung langsamer erfolgt. Nach einer OP erholt man sich in einer naturnahen Umgebung schneller. Bereits kleine Grünflächen mit Bäumen können die Depressionsrate der Anwohner senken. [5]
Natur bietet somit einen hohen Freizeit- und Gesundheitswert und ist die Basis vieler touristischer Unternehmen.
Reservoir für medizinische Fortschritte
Biodiversität hat einen Optionswert, also das Potential, dass aus bestimmten Arten in Zukunft ein medizinischer Nutzen gezogen werden kann.
Jede Art hat eine Vielzahl von Genen. Bakterien haben über 1.000, einige Pilze ca. 10.000, Blütenpflanzen und Tiere über 100.000 Gene. Diese Gene können als „Produktionsvorschriften“ für bestimmte Eigenschaften aufgefasst werden, die im Laufe der Evolution optimiert wurden. [13] Mit Hilfe dieser „Produktionsvorschriften“ stellen Lebewesen z. B. Abwehrstoffe gegen andere Lebewesen her. So haben die verwendeten Antibiotika ihren Ursprung in Abwehrprodukten von Pilzen. Mit jeder Art, die ausstirbt, geht ein Teil dieser „Produktionsvorschriften“ und ihrer Potenziale verloren.
Siebeck zitiert hierzu in seiner Seminararbeit Wehner & Gehring [13]:
„Jede Organismenart ist ein einzigartiges historisches Produkt. Sie verkörpert ein genetisches Programm, das – einmal gelöscht – evolutiv nie wieder in dieser Form entstehen kann. Wenn wir als Homo sapiens heute andere Arten zum Verschwinden bringen, dann reißen wir damit Seiten aus einem Buch heraus, das zum größten Teil noch ungelesen und zudem in einer Sprache geschrieben ist, die wir gerade erst zu entziffern beginnen“.

Zunehmende Antibiotikaresistenz durch massenhaften und unkontrollierten Antibiotika-Einsatz (s. Armes Schwein – Das Leben der Schweine S. 4) erfordern neue Antibiotika. Diese könnten in verschiedenen Bakterien, Pilzen etc. vorhanden sein. Eine weitere Möglichkeit bieten Bakteriophagen, also Viren, die spezielle Bakterien befallen.
Laut WHO sind 80 % der Weltbevölkerung von der Gesundheitsvorsorge durch Heilpflanzen abhängig. Mehr als 35.000 Pflanzenarten werden für medizinische Zwecke verwendet, für industrielle produzierte Arzneimittel werden lediglich 90 Arten genutzt. [13]
- Das Madagaskar-Immergrün enthält zwei Substanzen, die zur Leukämie-Behandlung eingesetzt werden.
- Blutdrucksenkende Mittel wurden in den Wurzeln von Rauwollia serpentina und Rauwollia vomitaria entdeckt.
- Ein Mittel der Firma Merck (Mevacor) zur Senkung des Cholesterinspiegels wurde aus einem Bodenpilz entwickelt.
Es werden zunehmend mehr Arten entdeckt, die für industriell hergestellte Arzneimittel genutzt werden können. Einige Beispiele [5]:
- Eine pazifische Kegelschnecke (Zauberkegel) produziert das stärkste bekannte Schmerzmittel.
- Das Gift der Gila-Krustenechse kann möglicherweise den Blutzuckerspiegel senken und bei Diabetes-2-Erkrankten zu Gewichtsabnahme beitragen.
- Der Mamala-Baum könnte Substanzen gegen Gelbfieber und verschiedene Viruserkrankungen, u. a. HIV, besitzen.
Manchmal kommt der Mensch jedoch zu spät. Der Südliche Magenbrüterfrosch brütet seinen Laich im Magen aus. Die Kaulquappen schützen sich gegen die Magensäure durch ein spezielles Sekret. Möglicherweise ließe sich daraus ein Mittel gegen Magengeschwüre entwickeln. Der Magenbrüterfrosch wurde jedoch ausgerottet, bevor er näher untersucht werden konnte.
Ideengeber
Die Bionik setzt Entwicklungen aus der Natur in technische Lösungen um.
Ein bekanntes Beispiel ist der Lotus-Effekt: Durch eine Oberflächenbeschaffenheit analog der Lotus-Blätter ergibt sich eine selbstreinigende Oberfläche. Dies wird u. a. bei Dachziegeln, Farben und Lacken eingesetzt.
Für Klettverschlüsse standen die Widerhaken von Kletten Pate (s. Mit den Waffen einer Pflanze).
Spinnenseide hat sehr gute Eigenschaften. Technische Anwendungen könnten Wundfäden oder schusssichere Westen sein. Eine effektive technische Umsetzung ist allerdings noch nicht gelungen (s. Spinnennetze: Architektonische Meisterwerke mit High-Tech-Produkten).
Beispiel Wundverschluss nach dem Seepockenprinzip
Seepocken siedeln sich an schmutzigen, unebnen und nassen Oberflächen an, wie z. B. Muscheln, Bootswänden, Stegen. Hierzu verwende sie ein Adhäsionsprotein, welches in eine lipidreiche (fettreiche) Matrix eingebunden ist. Diese Matrix verdrängt Wasser und Schmutz und ermöglicht das feste dauerhafte Anhaften.
Fazit
Biodiversität ist für den Menschen wichtig: Sie ermöglicht sauberes Trinkwasser und die Produktion von Nahrung, schützt vor Umweltrisiken, hat einen hohen Erholungswert und bietet die Chance auf medizinischen und technischen Fortschritt.
Der Mensch braucht die Natur, aber die Natur braucht den Menschen nicht.
Edward O. Wilson (1929–2021), US-amerikanischer Evolutionsbiologe und Schriftsteller (zitiert nach Zeit 01-2022 S40/41):
»Die biologische Vielfalt ist unsere wertvollste, aber am wenigsten geschätzte Ressource.«
Weitere Texte zum Thema
Teil 1: Biodiversität: Gefährliches Spiel mit komplexen Systemen
Teil 2: Biodiversitätsverlust: Das 6. Massensterben
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Literatur
- BMK Österreich: Hintergrund zur biologischen Vielfalt.
- BMUV: FAQ Biologische Vielfalt – Wie wirkt sich der Verlust von Arten auf unser Leben aus?
- BR: Metall-Ernte durch Phytomining: Diese Pflanzen sind echte Heavy-Metal-Fans. 01.03.2018.
- Brozus, L. (Hrsg.). (2015). Unerwartet, überraschend, ungeplant: zugespitzte Situationen in der internationalen Politik. (SWP-Studie, 20/2015). Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit.
- Fischer F, Oberhansberg H: Über Leben und Natur. Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Band 10720, Bonn, 2021
- Geisthardt M: Hotspots der Biodiversität – Biodiversity hotspots for conservation priorities, Meyers et al. 2000. Vortragsfolien
- Laufmann P: Der Boden – Das Universum unter unseren Füßen. Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Band 10603, Bonn, 2020
- Leonhardt, SD, et al.: Economic gain, stability of pollination and bee diversity decrease from southern to northern Europe. Basic and Applied Ecology (2013)
- LLUR: Der Untergrund von Föhr: Geologie, Grundwasser und Erdwärme – Ergebnisse des INTERREG-Projektes CLIWAT. Pirwitz Druck & Design, Kronshagen, Februar 2012, ISBN: 978-3-937937-59-5
- Lux S: Alternative für Hämostatika? Wundverschluss mit Seepockenkleber. ästhetische dermatologie & kosmetologie 05 ∙ 2021
- ORF: Artenvielfalt schwindet in Rekordzeit. science.ORF.at/dpa, 20.5.05
- Sadava D et all.: Purves Biologie. 9. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, 2011
- Siebeck O: Globale Umweltgefährdung und dramatischer Rückgang der Artenvielfalt rütteln die Menschheit auf – aus den Anfängen des Naturschutzes entsteht ein weltweites Aktionsprogramm zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung der Biosphäre. Laufener Seminarbeitr. 2/02, S.7- 28 / Bayer. Akad. f. Naturschutz u. Landschaftspflege – Laufen / Salzach 2002
- Süddeutsche Zeitung: Gute Mine, böses Spiel. Heft 40/2014. Wissen, 02. Oktober 2014
- Sukhdev P: The Economics of Ecosystems & Biodiversity. Bundestag Berlin, 06.10.2010
- Sutter L et al.: Nachfrage, Angebot und Wert der Insektenbestäubung in der Schweizer Landwirtschaft. Agrarforschung Schweiz 8 (9(´): 332 – 339, 2017
- Wasserversorgung Föhr, Wasserqualität – aktuelle Messergebnisse
by naseweisbz.net