Auswirkungen von Nierenerkrankungen auf die Schilddrüse. Zusammenhang zwischen Schilddrüsenunterfunktion und Veränderungen bei den Nierenwerten. Wechselwirkung CNI und SDU.
zugunsten der Verständlichkeit stark vereinfach
- Die Nieren
- Nierenerkrankungen
- Wechselwirkungen zwischen Nieren und Schilddrüsensystem
- Studie zu Mineralstoffhaushalt bei CNI und Schilddrüsenunterfunktion
- Zusammenfassung und Fazit
Nieren und das Schilddrüsensystem stehen in einer vielschichtigen und komplizierten Beziehung zueinander. Das führt zu gegenseitigen Beeinflussungen in der Funktion und bei Erkrankungen.
Im Folgenden wird zunächst die Niere mit ihren Aufgaben und Erkrankungen beschrieben. Anschließend wird das Schilddrüsen-System in Bezug zur Niere dargestellt.
Leider sind Vor- und Rückgriffe und Wiederholungen nicht ganz vermeidbar.
Die Nieren
Überblick
Die Nieren liegen im Beckenbereich beidseitig der Wirbelsäule. In den Nieren wird in einem mehrstufigen Prozess der Urin produziert, der über die Blase ausgeschieden wird. Bei Landsäugetieren ist die Konzentration des Urins, also die Rückgewinnung von Wasser, von besonderer Bedeutung. Des Weiteren werden benötigte Substanzen zurückgewonnen und überschüssige mit dem Konzentrat abgegeben.
Die wesentlichen Aufgaben der Nieren sind
- Regulation des Wasserhaushaltes,
- Regulation des Mineralstoff- und Elektrolythaushalts,
- Regulation des Säure-Basen-Gleichgewichts,
- Ausscheidung von Giften (z. B. Schwermetalle, Medikamente),
- Steuerung von Substanzen (u. a. Hormone), die den Blutdruck, die Bildung roter Blutkörperchen und den Knochenstoffwechsel beeinflussen,
- Bildung von aktivem Vitamin D3 (Calcitriol).
Der Aufbau der Nieren ist entsprechend der Aufgabe sehr komplex. Funktionsstörungen der Niere können lebensbedrohlich sein.
Filtrationsstufen
Die Filtration und Rückgewinnung der Stoffe erfolgt in einem mehrstufigen System.
In den Glomeruli werden Stoffe aus dem Blut ausgeschieden. Die Filtration ist eine „Druckfiltration“, für die der Blutdruck von entscheidender Bedeutung ist. Die Nieren können den Blutdruck in den Glomeruli unabhängig vom restlichen Körper regulieren und zusätzlich über das Enzym Renin Hormone aktivieren, die zum Blutdruckanstieg im Körper führen. Weitere Effekte von Renin sind, dass mehr Natrium aus den Nieren zurückgewonnen wird und das Durstgefühl steigt.
Eine wichtige Kenngröße für die Funktion der Glomeruli ist die glomuläre Filtrationsrate (GFR), die die Filterkapazität der Glomeruli beschreibt. Im Verlauf einer Niereninsuffizienz nimmt die GFR ab, sodass weniger Stoffe aus dem Blut filtriert werden.
In den Tubuli (Röhren in den Nieren) werden benötigte Stoffe wieder aus dem Urin zurückgewonnen, durch Rückresorption von Wasser der Harn konzentriert und nochmals Substanzen aus den Gefäßen in den Urin abgegeben (tubuläre Reabsorption und tubuläre Sekretion).
In diesem Schritt der Filtration spielen Kalzium und Phosphat gegeneinander: eine hohe Kalzium-Konzentration im Blut führt zu niedrigerer Phosphat-Konzentration im Blut und umgekehrt.
Nierenerkrankungen
Eine reduzierte Nierenfunktion führt zu Blutbildveränderungen. Mögliche typische Veränderungen sind:
- Anstieg des Kreatinins,
- veränderte Elektrolytwerte,
- erhöhte Phosphatwerte (stark erhöht bei verminderter GFR, gering erhöht bei Nierenschädigung durch Hyperkalzämie) einhergehend mit
- Reduzierung des Kalziumspiegels,
- Serum-pH-Wert erniedrigt (metabolische Azidose),
- Harnstoff erhöht,
- Proteingehalt (Gesamteiweiß) im Urin erhöht.
Erklärung:
Kreatinin ist ein Abbauprodukt von Kreatin und wird mit einer relativ konstanten Rate ausgeschieden. Bei einer Niereninsuffizienz steigt das Kreatinin im Plasma an, allerdings erst, wenn die GFR bereits um rund 50 % gesunken ist.
Es wird zwischen akuter und chronischer Niereninsuffizienz unterschieden.
Akute Niereninsuffizienz
Die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einer akuten Nierenschädigung ist abhängig von der Ursache, liegt aber lediglich bei rd. 40 – 47 %.
Eine akute Niereninsuffizienz kann durch Aufnahme von nieren-toxischen Substanzen entstehen, wie z. B. Ethylenglykol (Verwendung u. a. in Frostschutzmittel). Bei manchen Hunden wirken auch Rosinen oder Weintrauben nieren-toxisch, wobei bisher weder das toxische Prinzip geklärt ist, noch wieso nur manche Hunde(-rassen) davon betroffen sind.
Auch ionisiertes Kalzium kann zu akutem Nierenversagen führen, ist als Auslöser bei Hunden jedoch relativ selten. Bei einer Überfunktion der Nebenschilddrüse wird zu viel Parathormon (PHT) gebildet (siehe Schilddrüse – Kalzium und Phosphat), wodurch die Kalziumfreisetzung aus den Knochen sowie die Rückgewinnung von Kalzium aus dem Urin gefördert wird.
Eine wichtigere Rolle spielen akute Nierenschädigungen durch Kalzium (nicht-ionisiertes Kalzium). Hohe Kalziummengen können resultieren aus:
- Hypervitaminose Vitamin D durch übermäßige Gaben von entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln,
- falscher Dosierung von Vitamin D bei der Behandlung der primären Unterfunktion der Nebenschilddrüse (siehe unten),
- Aufnahme bestimmter Rodentiziden (Mittel zur Nagetierbekämpfung; relevante Mittel sind die Cholecalciferol-Rodentiziden).
Chronische Niereninsuffizienz (CNI)
Die CNI (Chronische Niereninsuffizienz) ist eine häufige Erkrankung bei älteren Hunden. Es wird geschätzt, dass rund 16 % der Hunde über 8 Jahre betroffen sind. Die CNI gilt als eine der häufigsten Todesursache bei älteren Tieren.
Die Erkrankung schreitet meist langsam fort. Eine erkennbare Kreatinen-Absenkung ist frühestens bei rd. 50 % Nierenschädigung erkennbar (siehe oben). Deutliche körperliche Symptome treten erst auf, wenn bereits rd. 65 – 70 % des Nierengewebes zerstört sind. Häufig werden auftretende Symptome zunächst dem Alter des Hundes zugeschrieben und die Nierenerkrankung daher nicht frühzeitig erkannt und adäquat behandelt.
Erklärung
Leptospirose ist eine Non-Thyreoidal-Illness (NTI) und kann zudem zu einer echten Schilddrüsenunterfunktion führen.
Eine Schilddrüsenüberfunktion kann z. B. durch eine langfristige Hormonüberversorgung auftreten, etwa durch Überdosierung bei Substitution oder hormonhaltige Lebensmittel.
Die CNI ist nicht heilbar, daher ist eine frühzeitige Diagnose wichtig. Man kann dann versuchen das Fortschreiten der Nierenzerstörung zu verlangsamen.
Der genaue Entstehungsmechanismus der CNI ist unbekannt. Als mögliche Ursachen werden genetische Belastungen, Infektionserkrankungen (z. B. Leptospirose), Ernährung und vieles mehr vermutet. Eine gesicherte Ursache scheint erhöhter Blutdruck infolge einer Schilddrüsenüberfunktion zu sein.
Für das Fortschreiten der CNI scheint eine Entzündung im Nierenbereich von Bedeutung zu sein. Vermutlich tragen zwei Mechanismen zur weiteren Verschlechterung bei:
- eine erhöhte Proteinkonzentration im Urin und
- ein erhöhter Phosphatgehalt im Serum. Hierfür könnte eine sekundäre Überfunktion der Nebenschilddrüsen (siehe Schilddrüse – Kalzium und Phosphat) verantwortlich sein.
Die Diagnose einer CNI erfolgt durch
- Wiederholte Bestimmung des Serumkreatinins: Ein kontinuierlicher Anstieg ist ein deutlicher Hinweis auf eine CNI,
- Bestimmung der Urindichte (Hypostenurie = vermindertes Uringewicht),
- Bestimmung von SDMA (symmetrisches Dimethylarginin) im Urin.
Zum Organprofil gehören auch die Blutwerte für Kalzium (Muskel), Natrium, Chlorid und Kalium, die weitere Hinweise auf die Nierenfunktion geben können.
Urindichte: ist ein Maß für den Anteil der Teilchen im Urin. Bei einer verminderten Rückresorption von Wasser sinkt die Urindichte: Die gleiche Anzahl Teilchen verteilt sich auf einen größeren Wasseranteil (und eine größere Menge Urin).
SDMA: ist ein Abbauprodukt von Proteinen. Bei einer geschädigten Niere mit reduzierter GFR steigt der SDMA-Wert früher an, als der Kreatinin-Wert. Daher wird SDMA in der Veterinärmedizin als früher Marker für Nierenerkrankungen verwendet.
Wechselwirkungen zwischen Nieren und Schilddrüsensystem
Die Funktionen von Niere und Schilddrüse beeinflussen sich gegenseitig.
Schwere Nierenerkrankungen, wie die CNI (chronische Niereninsuffizienz), führen zu einem Absinken der Schilddrüsenwerte. Sie gehören daher zu den Non-Thyreoidal-Illness (NTI).
Umgekehrt wirkt auch die Schilddrüse mit ihren Hormonen auf die Nieren.
Nebenschilddrüsen und C-Zellen
Nebenschilddrüse und die C-Zellen in der Schilddrüse regulieren den Kalziumgehalt im Blut.
Durch das Parathormon (PHT) der Nebenschilddrüse wird der Kalziumgehalt im Blut erhöht. Hierzu wird zum einen Kalzium aus den Knochen freigesetzt, zum anderen die Rückgewinnung von Kalzium aus dem Primärharn erhöht.
Eine Nebenschilddrüsen-Hyperplasie (Vergrößerung der Nebenschilddrüse) ist bei nahezu allen Hunden mit CNI vorhanden: Durch CNI sinkt die Kalziumkonzentration und die Produktion von PHT wird stimuliert.
Ein anhaltender erhöhter Kalziumgehalt im Blut kann zu einer Nierenschädigung führen (siehe oben).
Der Kalzium-Haushalt wird außerdem durch Vitamin D beeinflusst. Die Niere bildet aus Vorstufen das aktive Vitamin D3. Unter Einwirkung von Vitamin D3 kann mehr Kalzium aus der Nahrung im Darm aufgenommen werden. Eine CNI kann zu Vitamin-D3-Mangel und somit zur Verstärkung des Kalziummangels führen.
Schilddrüse
Die Schilddrüse beeinflusst die Stoffwechselaktivität. Das wirkt sich u.a. auf die Durchblutung der Nieren aus.
Eine Schilddrüsenüberfunktion kann aufgrund des erhöhten Blutdrucks die Entstehung einer CNI fördern (siehe oben).
Eine Schilddrüsenunterfunktion ist beim Hund häufiger als eine Schilddrüsenüberfunktion. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion ist der Blutdruck zu niedrig. Die wichtigsten Auswirkungen einer Schilddrüsenunterfunktion auf die Nieren sind:
- Eine reduzierte Nierendurchblutung reduziert die Filterleistung (GFR). Hierdurch werden harnpflichtige Substanzen (also überschüssige Substanzen, die ausgeschieden werden sollen) nicht ausreichend aus dem Blut entfernt. Hier ist vor allem Phosphat zu nennen.
- Mit steigendem Phosphatgehalt im Blut sinkt das Kalzium im Blut.
- Die tubuläre Sekretions- und Absorptionskapazitäten in den Nieren können reduziert sein. Das führt dazu, dass harnpflichtige Substanzen nicht ausgeschieden werden oder benötigte Substanzen nicht zurückgewonnen werden.
- Konzentrations- und Verdünnungskapazitäten der Niere können beeinträchtigt sein. Wasser, welches eigentlich aus dem Urin zurückgewonnen wird, verbleibt zum Beispiel im Urin und führt zu einem erhöhten Urinvolumen mit verminderter Urindichte.
- Die Kreatinin-Ausscheidung sowie die Kreatinen-Bildung sind vermindert, die Halbwertszeit für Kreatinin steigt. Der Kreatinin-Plasmagehalt kann erhöht sein.
Sofern keine CNI vorliegt, normalisiert sich bei einer Substitution die Nierenfunktion wieder. Bei substituierten Hunden konnte teilweise eine Steigerung der GFR um 25 % festgestellt werden.
Ein Zusammenhang zwischen Schilddrüsenunterfunktion und CNI wird nicht angenommen.
Eine autoimmune Schilddrüsenunterfunktion kann mit Autoimmunerkrankungen anderer Organe einhergehen (Polyendokrinopathien). Autoimmune Nierenerkrankungen sind dabei jedoch sehr selten. Zu diesen autoimmunen Nierenerkrankungen zählt u.a. die Glomerulonephritis. Hierbei handelt es sich um eine nicht bakterielle, autoimmune Entzündung der Glomeruli, aus der sich eine CNI entwickeln kann. Bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion besteht zwar ein erhöhtes Risiko für Glomerulonephritis. Dennoch gibt es in der Literatur nur wenige Berichte über Hunde, bei denen sowohl eine Schilddrüsenunterfunktion als auch eine CNI vorliegt.
Kalzium und Phosphat
Kalzium wird als strumige Substanz eingestuft, da es die Jodaufnahme in die Schilddrüse vermindert.
Neben den Hormonen PHT und Kalzitonin wird der Kalziumspiegel im Blut auch durch die Schilddrüsenhormone beeinflusst. Durch Thyroxin (T4) wird die Durchlässigkeit der Zellmembranen für Kalzium verändert. Hohe Thyroxin-Konzentrationen führen zu hohen Kalziumwerten im Blut, da vermehrt Kalzium aus den Zellen freigesetzt wird. Umgekehrt sinkt die Kalziumkonzentration bei Thyroxin-Mangel.
Eine Schilddrüsenunterfunktion beeinflusst den Kalziumhaushalt noch auf weiteren Wegen:
- Verminderte Rückresorption von Kalzium in den Tubuli der Nieren.
- Im Darm wird weniger Kalzium aus der Nahrung aufgenommen.
- Die Osteoklasten (Knochenzellen, die Kalzium freisetzen) sprechen weniger auf das Hormon PHT an, sodass weniger Kalzium aus den Knochen freigesetzt wird. Die Produktion von PHT kann hierdurch erhöht werden (sekundäre Nebenschilddrüsenüberfunktion). Insgesamt kann sich dennoch ein reduzierter Kalziumspiegel im Blut ergeben.
Durch niedrige Schilddrüsenwerte mit vermindertem Blutdruck sinkt die GFR. Wegen der reduzierten Filterleistung kann das Phosphat im Blut erhöht sein.
Natrium
Eine Schilddrüsenunterfunktion führt in den Nieren zu Veränderungen im Natriumhaushalt:
- über den Urin wird vermehrt Natrium ausgeschieden,
- die Toleranz gegenüber Natrium-Reduzierung in der Nahrung sinkt.
In der Summe kann dies dazu führen, dass die Natrium-Serum-Werte absinken.
SDMA und Kreatinin
Zu Veränderungen der SDMA- und Kreatinin-Werte, sowie zu GFR siehe:
SDU und Niere: SDMA und Kreatinin
Studie zu Mineralstoffhaushalt bei CNI und Schilddrüsenunterfunktion
Bellur et al. untersuchten 2019 bei insgesamt 72 Hunden verschiedenen Alters die Ionenzusammensetzung im Blut. Die Hunde wurden in 3 Gruppen eingeteilt:
- Gruppe I: ohne Schilddrüsen- und Nierenerkrankung, Kontrollgruppe
- Gruppe II: mit Nierenerkrankung
- Gruppe III: mit Nierenerkrankung und unbehandelter Schilddrüsenunterfunktion
Die Hunde der Gruppe III hatten jeweils signifikant niedrigere Kalziumwerte und höhere Phosphatwerte im Blut als die Gruppen I und II.
Bei Natrium, Kalium und Chlorid konnten keine Unterschiede zwischen den Gruppen II und III festgestellt werden.
Zusammenfassung und Fazit
Die Nebenschilddrüse, Schilddrüse und die Nieren sind über den Kalziumhaushalt eng verknüpft.
Schwere Nierenerkrankungen sind NTIs und senken die Schilddrüsenwerte ab.
Eine unerkannte und / oder unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion führt zu Veränderungen der Nierenleistung und der Nierenwerte.
Bei älteren Hunden, bei denen sowohl eine unerkannte Schilddrüsenunterfunktion als auch eine unerkannte CNI vorliegen kann, ist zu differenzieren zwischen
- reversiblen Nierenbeeinträchtigungen durch eine Schilddrüsenunterfunktion und
- einer irreversiblen CNI.
Eine unerkannte und / oder unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion kann sich negativ auf Nierenerkrankungen auswirken.
Siehe auch „SDU und Niere: SDMA und Kreatinin„
Quellen (Auszug):
- Bellur R. et al: Influence of thyroid status on electrolyte profile in dogs with chronic kidney disease. Journal of Entomology and Zoology Studies 2019; 7(4): 328-332
- Nather S., Kiefer I.: Akute Nierenschädigung bei Hund und Katze durch spezifische Nephrotoxine – Diagnose und Management. Enke Verlag, kleintier.konkret, 2014; 5: 27 – 37
- Panciera D.L., Lefebvre H.P.: Effect of Experimental Hypothyroidism on Glomerular Filtration Rate and Plasma Creatinine Concentration in Dogs. J Vet Intern Med 2009;23: 1045–1050
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