Trockenes Auge und Autoimmunerkrankungen (speziell SDU)

Keratokonjunktivitis sicca führt zu „trockenen Augen“ und kann zusammen mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen auftreten. Da KCS nicht heilbar ist, sollte bei Autoimmunerkrankungen regelmäßig die Tränenfilmproduktion überprüft und ggf. frühzeitig eine Behandlung begonnen werden.

Zum besseren Verständnis vereinfacht dargestellt.

Funktion und Aufbau des Tränenfilms

Foto Hundeaugen KCS Hund
Hund mit KCS

Der Tränenfilm hat wichtige Funktionen für das Auge:

  • Hornhaut feucht halten,
  • Ernährung der Hornhaut,
  • Fremdkörper und Bakterien wegspülen,
  • antibakterielle Wirkung.

Der Tränenfilm setzt sich aus drei Schichten zusammen, die in verschiedenen Drüsen gebildet werden:

  1. Meibom: die äußerste Schicht ist eine Fettschicht (Lipidschicht), die in den Meibomschen Drüsen vor allem im Oberlid gebildet wird. Die Fettschicht stabilisiert die eigentliche Tränenflüssigkeit und schützt diese vor Austrocknung.
  2. Tränenflüssigkeit: die mittlere Schicht wird in den Tränen- und Nickhautdrüsen gebildet und ist die wichtigste Schicht. Sie ist eine wässrige Flüssigkeit, die der Befeuchtung und mechanischen Spülung dient. Zudem hat sie eine antibakterielle Wirkung und dient der Ernährung der avaskulären Hornhaut.
  3. Muzinschicht: die untere, schleimige Schicht wird in den Becherzellen der Bindehaut des Unterlids und Nickhaut gebildet. Sie dient, ebenso wie die obere Schicht, der Stabilisierung des Tränenfilms und der Anhaftung des Tränenfilms am Auge.
Grafik: Querschnittauge und Detail Tränenfilm
Querschnitt eines Auges und Detailaufbau des Tränenfilms

Mit dem permanenten Lidschlag wird der Tränenfilm gleichmäßig über die äußere Oberfläche des Auges verteilt. Ändert sich die Zusammensetzung des Tränenfilms, kann es zu einem Abriss des Tränenfilms kommen und die Hornhaut wird nicht mehr gleichmäßig benetzt (trockenes Auge). Aus den Funktionen ergeben sich die Konsequenzen eines gestörten Tränenfilms:

  • Durch mangelnde Reinigung und antibakterielle Wirkung besteht eine erhöhte Gefahr, dass sich Keime auf dem Auge ansiedeln und somit von Augenentzündungen.
  • Mangelnde Reinigung des Auges führt zu mechanischen Belastungen des Auges und kann zu mechanischen Verletzungen führen.
  • Wegen der mangelnden Nährstoffversorgung der Hornhaut können Beschädigungen der Hornhaut entstehen, die eventuell nicht mehr abheilen.

Die Folge sind chronische und irreversible Augenerkrankungen bis hin zur völligen Erblindung.

Hardley et al. stellten fest, dass die Tränenfilmproduktion mit jedem Lebensjahr um 0,37 mm/Minute (bezogen auf die Benetzungsweite im Schirmer-Test (STT, s. u.)) abnimmt (Alter der Hunde: 9 Monate bis 11 Jahre) [2]. Im Gegensatz dazu stellten Alkan et al. [1] bei Türkischen Herdenschutzhunden jedoch eine Zunahme der Tränenfilmproduktion von jungen (6 Monate) hin zu alten (8 Jahre) Herdenschutzhunden fest.

Auch zum Einfluss von Gewicht, Geschlecht und Kastration auf die Produktion des Tränenfilms gibt es unterschiedliche Studienergebnisse. So wurde bei manchen Studien für übergewichtige Hunde eine höhere, für Hündinnen und kastrierte Hunde eine verminderte Tränenfilm-Produktion festgestellt.

Morgens scheint die Tränenfilmproduktion geringer zu sein als nachmittags.

Die Tränenfilmproduktion ist rassespezifisch unterschiedlich. Weitere Einflüsse können sich durch die Kopfform ergeben.

Des Weiteren wirken sich hormonelle Einflüsse auf die Produktion des Tränenfilms aus. Aus dem Humanbereich ist bekannt, dass Frauen mit Klimakterium praecox (vorzeitigem Eierstockversagen) und in / nach den Wechseljahren ein erhöhtes Risiko für einen verminderten Tränenfilm haben. Möglicherweise wirken Androgene (bestimmte Sexualhormone) auf die Meibomschen Drüsen ein.

Zudem spielen Umwelteinflüsse (z. B. Klima) eine Rolle bei der Tränenfilmproduktion.

Störungen des Tränenfilms

Erkrankungen, die zu Störungen des Tränenfilms führen, werden beim Hund in 3 Gruppen unterteilt:

  • quantitative Tränenfilmstörungen Keratokonjunktivitis sicca (KCS): unzureichende Bildung von Tränenflüssigkeit und somit nicht ausreichende Benetzung des Auges. Die Erkrankung ist nicht heilbar. Die jährliche durchschnittliche Inzidenz für KCS liegt bei ca. 1 %.
  • qualitative Tränenfilmstörung: Muzin-Lipid-Defizite
  • neurogene Tränenfilmstörungen: Hierbei handelt es sich um verschiedene Sonderformen bedingt durch Nervenstörungen. Bei der Expositionskeratitis wird durch Nervenstörungen der Lidschlag gestört, der Tränenfilm wird nicht ausreichend verteilt und das Auge trocknet aus. Bei einer Lähmung des Parasympathikus kann die Funktion der Tränendrüsen eingeschränkt sein.

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Ursachen

Eine primäre KCS wird durch eine irreversible, autoimmunvermittelte Zerstörung des Tränendrüsengewebes durch Abwehr-Zellen verursacht. Es handelt sich also um eine Autoimmunerkrankung.

Bei der Erkrankung sind Rassedispositionen feststellbar. Folgende Rassen werden als belastet genannt:

  • Cavalier King Charles Spaniel
  • Bloodhound
  • Boston Terrier
  • Bulldoggen-Rassen
  • Englischer und Amerikanischer Cocker Spaniel
  • Englischer Springer Spaniel
  • Lhasa Apso
  • Mops – kongenitale Tränendrüsenhypoplasie
  • Pekinese
  • Pudel
  • Samojede
  • Shih Tzu
  • West Highland White Terrier – nähere Details unbekannt, Hündinnen häufiger betroffen
  • Yorkshire Terrier – kongenitale Tränendrüsenhypoplasie
  • Zwergschnauzer
Bild Bulldogge
Bulldoggen zählen zu den disponierten Rassen für KCS und andere Augenerkrankungen (Bildquelle: pixabay)

Bei einer sekundären KCS liegen die Ursachen der Erkrankung nicht in den Drüsen, sondern in Einflüssen auf die Funktion der Tränendrüsen.

  • iatrogene Ursachen: Operationen, Bestrahlungstherapie oder
    Medikamente: Sulfonamide, Sulfasalazine, Atropin, Adrenergika, Betablocker und Lokalanästhetika. Es kann sowohl eine kurzzeitige als auch eine permanente KCS entstehen.
  • In Zusammenhang mit anderen (Immun-)Erkrankungen, wie SDU, Hyperadrenokortizismus (Morbus Cushing), Diabetes mellitus, Pemphigus (blasenbildende, autoimmune Hauterkrankung), Atopie (Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen) oder Leishmaniose, Staupe,
  • Idiopatisch: ohne bekannte Ursache

Symptome

Symptome einer KCS sind unter anderem:

  • schleimiger Augenausfluss, oft sehr zäh,
  • Entzündung der Augenlider (Blepharitis): Rötung und Schwellung der Lider,
  • Entzündung der Bindehaut: Rötung der Bindehaut,
  • Juckreiz: Augenreiben,
  • vermehrter Lidschlag bis zum Zukneifen der Lider,
  • Entzündung der Hornhaut (Keratitis): matte Hornhautoberfläche, Pigmentierung, Einlagerung von Cholesterol- und Kalziumkristallen,
  • Hornhautdefekte und -geschwüre.

Dem Hundehalter fallen meist die fett geschriebenen Symptome auf.

Die Symptome werden zum Teil mit Konjunktivitis (Bindehautentzündung) verwechselt, woraufhin zunächst eine Behandlung mit Antibiotika oder Cortison erfolgt. Der Behandlungserfolg ist jedoch nur gering, kurzzeitig oder bleibt vollständig aus. Bei Behandlung mit Cortison können Verschlechterungen auftreten.

Fotomontage: verschiedene Stadien KCS innerhalb eines 3/4 Jahres.Entwicklung einer KCS im Zeitverlauf. Aufgrund einer Unverträglichkeit gegenüber Ciclosporin ist keine Eindämmung möglich und führte innerhalb kurzer Zeit zur Erblindung.
Entwicklung einer KCS im Zeitverlauf. Aufgrund einer Unverträglichkeit gegenüber Ciclosporin ist keine Eindämmung möglich und führte innerhalb kurzer Zeit zur Erblindung.

Diagnose und Behandlung

Die Diagnose erfolgt durch den Schirmer-Test, der die Menge der Tränenflüssigkeit misst.

Beim STT1 (Schirmer-Test 1) wird ein Messstreifen ins untere Augenlid eingehängt. Der Tränenfilm benässt den Streifen und wandert in einem definierten Zeitintervall je nach Menge des Tränenfilms unterschiedlich weit am Streifen entlang. Ist das Ergebnis < 10 mm/Minute ist dies ein Hinweis auf trockene Augen, < 5 mm/Minute ist eindeutig ein trockenes Auge.

Beim STT2 (Schirmer-Test 2) wird das Auge lokal betäubt, sodass quasi die Tränenfilmproduktion ohne Augenreizung durch den Messstreifen (basale Tränenfilmproduktion) gemessen wird. Die Messergebnisse sind niedriger als die des STT1.

Tränenfilmaufrisszeit: Nach Anfärben des Auges wird unter speziellen Lichtfiltern die Zeit gemessen, bis der Tränenfilm aufreißt. Auch bei STT-Werten innerhalb der Norm kann ein zu frühes Aufreißen des Tränenfilms zu trockenen Augen führen (funktionale Keratokonjunktivitis sicca).

Die Behandlung erfolgt durch Ersatz der Tränenflüssigkeit, die lebenslang erfolgen muss, sowie durch immun-modulierende Medikamente, i. d. R. Ciclosporin.

Zusammenhang mit Schilddrüsenunterfunktion und anderen Autoimmunerkrankungen

Autoimmunerkrankungen können sich auf mehrere Organe und Drüsen auswirken. Sind mehrere nicht hormonproduzierende Drüsen betroffen, handelt es sich um eine polyglanduläre Endokrinopathie. Sind mehrere hormonproduzierende Drüsen betroffen, spricht man von einer Polyendokrinopathie. Typisches Beispiel ist eine autoimmune Erkrankung der Schilddrüse (Hypothyreose, Schilddrüsenunterfunktion) und der Bauchspeicheldrüse (z. B. Diabetes mellitus).

Bei Untersuchungen zu Endokrinopathien werden, sowohl bei Menschen als auch bei Hunden, selten Tränen- (und Speichel-)drüsen einbezogen. Daher ist über die Ursachen und Zusammenhänge wenig bekannt.

Es wird geschätzt, dass rund 20 % der an Schilddrüsenunterfunktion (SDU) erkrankten Hunde auch unter KCS („trockenen Augen“) leiden [2]. Dieser Prozentsatz ist deutlich höher als der geschätzte Anteil von Polyendokrinopathien in Zusammenhang mit SDU (rd. 5 %).

Williams et al. [5] untersuchten 2007 die Tränenfilmproduktion bei gesunden Hunden und Hunden mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen (SDU, Diabetes mellitus, Morbus Cushing). Die Gruppe der kranken Hunde enthielt sowohl unbehandelte Hunde, als auch Hunde mit stabilem und nicht stabilem Behandlungserfolg.

Bei den Hunden mit Autoimmunerkrankungen findet sich eine signifikante Reduzierung der Tränenflüssigkeit. Die Anzahl der Hunde mit STT-Werten, die auf eine KCS hindeuten, ist deutlich höher als die bei gesunden Hunden.

Auch bei substituierten Hunden waren deutlich niedrigere Mengen von Tränenfilm feststellbar.

Grafik: Verschiedene Autoimmunerkrankungen mit dem prozentualen Anteil (bezogen auf die jeweilige Gruppengröße) mit KCS-Verdacht und dem Mittelwert der Tränenfilmproduktion
Verschiedene Autoimmunerkrankungen mit dem prozentualen Anteil (bezogen auf die jeweilige Gruppengröße) mit KCS-Verdacht und dem Mittelwert der Tränenfilmproduktion (Datenquelle [5])
Grafik: Abnahme der Tränenfilm-Produktion im Verlauf einer SDU im Vergleich zur altersbedingten Abnahme des Tränenfilms
Abnahme der Tränenfilm-Produktion im Verlauf einer SDU im Vergleich zur altersbedingten Abnahme des Tränenfilms (Datenquelle [5])

Hinweis:
Bei dieser Untersuchung ist allerdings die geringe Anzahl an Hunden mit Autoimmunerkrankungen zu berücksichtigen (Diabetes mellitus: 18; SDU: 12; Morbus Cushing: 12, gesunde Hunde: 100).

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Empfehlung

Williams et al. empfehlen, bei Hunden mit den genannten Autoimmunerkrankungen regelmäßig die Tränenproduktion zu überprüfen.

What is clear from this study, however, is that lacrimal function should be tested in all animals with diabetes mellitus, hypothyroidism or hyperadrenocorticism to determine whether subclinical or, indeed, clinical KCS is present and whether treatment with topical ciclosporin and/or tear replacement would be advisable.

Williams, 2007

Nach ihren Empfehlungen sollte bei stark abfallender Tränenfilm-Produktion frühzeitig, also noch bevor sich eine KCS entwickelt, eine Behandlung mit Ciclosporin und / oder künstlicher Tränenflüssigkeit vorgenommen werden.

(Anmerkung zu Ciclosporin:
Ciclosporin ist ein Immunsuppressiva und wird u. a. bei der Behandlung von chronischen Binde- und Hornhautentzündungen eingesetzt).

Weitere Schlüsse aus den Studien

Aufgrund der Verwechslungsgefahr mit Konjunktivitis und Keratitis (Bindehaut- und Hornhautentzündungen) sollte bei Hunden mit einer bestehenden Autoimmunerkrankung bei entsprechenden Symptomen auch immer auf eine beginnende oder bereits manifestierte KCS untersucht werden.

Eine KCS ist kein Anzeichen für eine Autoimmunerkrankung. Aufgrund des allgemein geringen Auftretens kann eine KCS jedoch ggf. Hinweise auf bestehende Autoimmundefekte geben. Lapšanská et al. [4] weisen darauf hin, dass Augenerkrankungen ein früher Indikator für ernsthafte Erkrankungen anderer Organe sein können. Häufig müssen bei Augenerkrankungen daher weitere Spezialisten eingebunden werden.

Ocular changes can often occur as first signs of systemic disease and can lead to its early diagnosis. …. Ophthalmic patients often require consultation with internal specialists focusing on cardiology, nephrology, endocrinology, neurology, oncology, infectology and immunology.

Lapšanská, 2021

Durch Kuijlaars et al. [3] wird der Fall eines Pudels beschrieben, der innerhalb kurzer Zeit mehrere Endokrinopathien sowohl der hormonproduzierenden als auch anderer Drüsen entwickelte. Bei diesem Hund wurde zuerst KCS diagnostiziert, dann eine Niereninfektion, wenig später Hypoadrenokortizismus (Morbus Addison) und letztendlich u. a. SDU und exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI (s. auch Die Bauchspeicheldrüse beim Hund)).


Quellen und Auszug Literatur:

  1. Alkan F.: et al.: Evaluation of the Schirmer Tear Test in two Turkish breeds of Shepherd dogs. Revue Méd. Vét., 2004, 155, 2, 67-70
  2. Hartley C. et al.: Effect of age, gender, weight, and time of day on tear production in normal dogs. Veterinary Ophthalmology (2006) 9, 1, 53–57
  3. Kuijlaars M. et al.: Autoimmune polyendocrine syndrome in a standard poodle with concurrent non-endocrine immune-mediated diseases. Vet Rec Case Rep. 2021;e90
  4. Lapsanska, M. et al.: Canine ophthalmic patients with enocrine and metabolic disorders – a review. Bulgarian Journal of Veterinary Medicine, 2021
  5. Williams D.L. et al.: Reduced tear production in three canine endocrinopathies. Journal of Small Animal Practice (2007) 48, 252–256

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