Schilddrüsenunterfunktion (SDU) beim Hund

Schilddrüsenunterfunktion beim Hund: Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung.

zugunsten der Verständlichkeit vereinfacht

Weitere Details siehe:
B. Zimmermann: Dr. Jekyll & Mr. Hund. Ausgeglichene Schilddrüse – ausgeglichener Hund, 1. Auflage. Thieme Verlag: Stuttgart – New York; 2018

Der Regelkreis

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion (SDU, Hypothyreose) produziert die Schilddrüse zu wenig Schilddrüsenhormone. Die wichtigsten Schilddrüsenhormone im Zusammenhang mit der Schilddrüsenunterfunktion sind T4 (Thyroxin) und T3 (Trijodthyronin).

Die Hormone werden in der Schilddrüse durch Einbau von Jod gebildet und in der Schilddrüse gelagert. Die Abgabe der Hormone ins Blut erfolgt bedarfsgerecht und wird durch verschiedene Faktoren geregelt:

  • direkte Rückkopplung der Hormone auf die Schilddrüse,Rückkopplung der Hormone auf das übergeordnete Regelsystem (Hirnanhangsdrüse,
  • Hypophyse), welches durch angepasste TSH-Freisetzung (TSH: Thyreotropin) die Hormonbildung und -freigabe der Schilddrüse beeinflusst,
  • verschiedene anderen Faktoren, wie z. B. Temperatur oder Wechselwirkung mit anderen Hormonen.

Im Blutkreislauf sind T4 und T3 zum großen Teil an spezielle Trägerproteine gebunden. Nur ein kleiner Teil der Hormone liegt ungebunden im Blut vor (fT4, fT3).

T4 wird als Prohormon bezeichnet, da das meiste im Blut und im Gewebe vorliegende T3 nicht aus der Schilddrüse stammt, sondern außerhalb der Schilddrüse aus T4 gebildet wird. T3 werden die meisten Wirkungen zugeschrieben.

Die Schilddrüsenhormone haben im Organismus wichtige Funktionen und wirken sich nahezu auf jedes Gewebe aus. Eine der wichtigsten Funktionen ist die Stoffwechselaktivierung.

Mögliche Ursachen für niedrige Schilddrüsenhormon-Werte

Die Ursachen niedriger Schilddrüsenwerte können vielfältig sein.

  • Reaktionen des Organismus auf Schwankungen in anderen Hormonsystemen, z. B. bei heranwachsenden Hunden („Pubertät“) oder im Rahmen des Läufigkeitszyklus bei Hündinnen,
  • Dauerstress,
  • Mangel an Spurenelementen, die zur Synthese der Hormone wichtig sind (z. B. Selen),
  • dauerhafte Verfütterung von Nahrungsmitteln, die die Schilddrüse hemmen,
  • dauerhafter Jodüberschuss oder -mangel in der Ernährung: Beides kann bei entsprechender Veranlagung zusätzlich zur akuten Wirkung Thyreoiditis verursachen (s. auch „Jod und Schilddrüsenunterfunktion„),
  • Einnahme von Medikamenten, die die Schilddrüse hemmen,
  • Erkrankungen, die die Schilddrüse direkt oder indirekt hemmen (NTI = Non Thyreoidal Illness),
  • anhaltende starke Schmerzen, z. B. bei Gelenkproblemen,
  • idiopathische Follikelatrophie: Abbau des Schilddrüsengewebes ohne erkennbaren Grund,
  • Altersatrophie,
  • Entzündung der Schilddrüse (Thyreoiditis), z. B. aufgrund von Verletzungen,
  • autoimmune Thyreoiditis: Autoimmunerkrankung, bei der der Körper das Schilddrüsengewebe mit Autoantikörpern angreift und abbaut (s. auch Autoantikörper bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion“),
  • sekundäre Schilddrüsenunterfunktion: Die Schilddrüse ist gesund, wird aber aufgrund einer Erkrankung im übergeordneten Regelsystem (Hirnanhangsdrüse, Hypophyse) nicht ausreichend angeregt,

Lediglich bei den farbig markierten Ursachen liegt (gegebenenfalls) eine mit T4 behandlungsbedürftige Schilddrüsenunterfunktion vor.
Niedrige Schilddrüsenwerte alleine sagen also nichts darüber aus, ob eine behandlungsbedürftige Schilddrüsenunterfunktion vorliegt. Ein Hormonabfall bei alten Hunden kann z. B. eine normale Absenkung sein, aber auch eine Behandlung mit T4 erfordern.

Primäre Schilddrüsenunterfunktion

Die rot markierten Erkrankungen sowie die Altersatrophie und das Jodungleichgewicht werden zur primären Schilddrüsenunterfunktion gezählt.
Bei der primären Schilddrüsenunterfunktion ist das Gewebe der Schilddrüse beschädigt, sodass nicht ausreichend Hormone gebildet werden können. Mit der Beschädigung geht eine langsame Zerstörung der Schilddrüse einher. Zu Beginn ist die Zerstörung der Schilddrüse nicht feststellbar (Phase 1).
Erste Symptome können in der subklinischen Phase der Schilddrüsenunterfunktion auftreten (Phase 2). Die Symptome sind in dieser Phase aber nicht charakteristisch für eine Schilddrüsenunterfunktion und oft nur wenig ausgeprägt. Eine Diagnose der Schilddrüsenunterfunktion in dieser Phase ist sehr schwierig.
Ist die Schilddrüse zu rund 70 % zerstört, treten eindeutige klinische Symptome auf (Phase 3). Diese Phase wird daher klinisch manifeste Phase genannt.
In der letzten Phase (der atrophischen Schilddrüsenunterfunktion, Phase 4) ist die Schilddrüse nahezu völlig zerstört und produziert kaum noch Schilddrüsenhormone.

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Symptome

Da die Schilddrüsenhormone auf fast alle Gewebe wirken, können die Symptome sehr zahlreich und verschieden sein.
Häufige, sehr typische Symptome und charakteristisch für die klinische Schilddrüsenunterfunktion sind z. B.:

  • Haarverlust, etwa am Schwanz (Rattenschwanz),
  • Hyperpigmentierung: Schwarzfärbung von Hautstellen,
  • Gewichtszunahme bei gleichbleibender oder reduzierter Futtermenge,
  • auffallende Müdigkeit, Bewegungsunlust,
  • niedrige Herzfrequenz, niedriger Blutdruck,
  • erhöhte Cholesterinwerte.

Besonders zu Beginn einer Schilddrüsenunterfunktion (Phase 2, subklinische SDU) können jedoch auch gegenteilige Symptome auftreten, zum Beispiel:

  • Gewichtsverlust,
  • Hyperaktivität.

Einige weitere mögliche Symptome sind:

  • Kälteempfindlichkeit,
  • Gelenkprobleme,
  • Immunschwäche, häufig wiederkehrende Infektionen,
  • trockene Augen, Augeninfektionen,
  • Magen-Darm-Probleme,
  • brüchige Krallen.

Manche Hunde zeigen starke Verhaltensauffälligkeiten, wie z. B.

  • verschiedene Ängste, etwa Trennungsangst, Geräuschangst,
  • starke Stimmungsschwankungen (Dr. Jekyll & Mr. Hyde),
  • Tunnelblick: fixieren auf ein Objekt bei Ausblendung der restlichen Umgebung, oft spontan und nicht anlassbezogen (s. Bild),
  • hohe Stressempfindlichkeit.

Die Symptome sind jedoch, besonders bei einer beginnenden Schilddrüsenunterfunktion, sehr vielfältig und individuell. Hierdurch wird die Diagnose erschwert.

 Tunnelblick bei Hund mit Schilddrüsenunterfunktion: Fokussierung auf ein Objekt, trotz zahlreicher Ablenkungen
Tunnelblick bei Hund mit Schilddrüsenunterfunktion: Fokussierung auf ein Objekt

Anamnese

Zahlreiche weitere Faktoren haben neben den oben genannten Ursachen ebenfalls Einfluss auf die Höhe der Schilddrüsen-Werte: Umgebungstemperatur, Trainingszustand, Alter, Rasse und vieles mehr.
Zur Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion ist daher eine sorgfältige Anamnese (Aufnahme der Krankengeschichte) erforderlich.
Grundsätzlich ist die Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion umso sicherer, je weiter die Schilddrüsenunterfunktion fortgeschritten ist.
Andererseits kann die Lebensqualität des Hundes (und des Halters) bereits bei Beginn einer Schilddrüsenunterfunktion stark eingeschränkt werden und eine Behandlung trotz unsicherer Diagnose erforderlich machen.

Behandlung

Die Behandlung niedriger Schilddrüsenhormon-Werte ist abhängig von der Ursache.
Ernährungsbedingte Faktoren (wie Jodmangel oder -überschuss, fehlende Spurenelemente) werden durch eine angepasste Ernährung ausgeglichen.
Resultieren die niedrigen Hormonwerte aus anderen Erkrankungen oder Schmerzen (NTI), sind diese Grunderkrankungen zu behandeln.
Bei vorliegendem Dauerstress sind Stressfaktoren zu minimieren. Eine zeitweise Gabe von Schilddrüsenhormonen kann helfen, schneller einen normalen Hormonstatus zu erreichen. Resultiert der Dauerstress jedoch aus einer Schilddrüsenunterfunktion, ist eine dauerhafte Hormongabe erforderlich.
Liegt eine Zerstörung der Schilddrüse vor (die oben rot markierten Erkrankungen) ist eine dauerhafte Gabe von Schilddrüsenhormonen erforderlich. Bei einer Altersatrophie ist individuell abzuwägen.
Siehe auch „FAQ Substitution„.

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