Die Bestimmung des Wachstumshormons und eine geänderte Beurteilung des TRH-Stimulationstests könnten eine sichere Differenzierung zwischen SDU und NTI ermöglichen.
Zugunsten der Verständlichkeit stark vereinfacht
Die Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion (SDU) und die Abgrenzung zu NTI kann schwierig sein.
Die Kombination „niedriger T4-Wert und hoher TSH“ ist typisch für eine SDU. Allerdings ist bei rd. 30 – 38 % der Hunde mit SDU der TSH-Wert nicht erhöht.
T4 wird von vielen Faktoren beeinflusst, sodass ein niedriger T4-Wert (auch unter dem Referenzbereich) alleine wenig aussagt. Niedrige T4-Werte können auf eine SDU hindeuten, aber auch durch eine NTI versucht sein. Eine etwas bessere Aussage bietet fT4.
Autoantikörper gegen Thyreoglobulin liegen nicht bei allen Hunden mit SDU vor, andererseits können Autoantikörper vorhanden sein, ohne dass eine SDU vorliegt. Somit sind auch Autoantikörper kein geeignetes Diagnosemittel.
Daher ist die Abgrenzung zwischen SDU und NTI schwierig, was dazu führen kann, dass eine SDU bei Hunden mit NTI überdiagnostiziert und die SDU bei Hunden mit SDU unterdiagnostiziert wird.
An der Universität Utrecht wurden verschiedene Studien durchgeführt, die untersuchten, ob das Wachstumshormon (GH) zur SDU-Diagnose und Abgrenzung zu einer NTI geeignet ist.
Das Wachstumshormon (growth hormon, GH)
GH wirkt auf den ganzen Körper und spielt bei vielen Stoffwechselvorgängen eine wichtige Rolle. GH fördert zum einen die Proteinsynthese und das Wachstum. Andererseits wird die Fettsynthese gehemmt, sodass die freien Fettsäuren im Blut ansteigen.
Man kann zwischen direkter und indirekter Wirkung von GH unterscheiden:
- Eine der direkten Wirkungen ist die vermehrte Aufnahme von Aminosäuren in die Zellen, durch welche eine Proteinsynthese erst ermöglicht wird.
- Als indirekte Wirkung fördert GH die Bildung von Somatomedinen (insulin-ähnliche Wachstumsfaktoren, insulin-like growth factor: IGF-1 und IGF-2) in der Leber. IGF-1 fördert das Knochen- und Knorpelwachstum.
Das Wachstumshormon (GH) wird in der Adenohypophyse gebildet. Seine Ausschüttung erfolgt sowohl regelmäßig pulsierend als auch induziert (angeregt durch bestimmte Substanzen).
Die Amplitude und Frequenz der pulsierenden Ausschüttungen werden durch zahlreiche Faktoren beeinflusst, wie z. B. Alter, Geschlecht, Zyklusstatus, verschiedene Krankheiten, aber auch durch Hormone wie Glucokordikoide und Schilddrüsenhormone.
Eine GH-Ausschüttung wird u. a.
- gefördert durch Somatoliberin, Ghrelin, die Schilddrüsenhormone und abfallende Glukosespiegel,
- gehemmt durch eine negative Rückkopplung bei hohen GH-Konzentrationen, Somatostatin, Somatomedin (IGF-1) und steigende Glucosespiegel. Da ein Anstieg von Glukose die Bildung von Somatostatin fördert, bestehen hierüber negative Rückkopplungen sowohl direkt auf GH als auch über die TSH-Schilddrüsenhormon-Achse.

Wachstumshormon und SDU
Die Auswirkungen einer SDU auf den GH-Gehalt im Blut ist zwischen den Tierarten stark unterschiedlich. Während bei Schafen keine Veränderungen feststellbar sind, sinkt bei Ratten, Schweinen und Menschen der GH-Gehalt. Bei Ratten z. B. sind die Schilddrüsenhormone erforderlich, um sowohl die pulsierende als auch die induzierte Ausschüttung von GH zu bewirken. Allerdings führt eine TRH-Gabe bei Ratten und Menschen mit SDU dennoch zu einem Anstieg von GH.
Hunde unterscheiden sich dahingehend von anderen Säugetieren. Bereits 2001 stellten Diaz-Espineira und sein Team fest, dass bei Hunden mit SDU erhöhte GH-Werte vorliegen. In der Studie wurden 7 Hunde untersucht, bei denen durch Entfernen der Schilddrüse eine Schilddrüsenunterfunktion erzeugt wurde.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass der GH-Spiegel anstieg, die Frequenz der pulsierenden Ausschüttungen nahezu gleich blieb, je Puls jedoch weniger GH ausgeschüttet wurde. Die Dauer und Menge der Ausschüttungen waren also geringer: die Peaks schmäler und weniger hoch.
In der Studie wurde zudem eine signifikante Erhöhung des IGF-1 bei SDU-Hunden festgestellt.
Als Ursache für die erhöhten GH-Spiegel bei Hunden mit SDU sind verschiedene Faktoren denkbar:
- mangelndes positives TRE oder vorhandenes negative TRE.
TRE (thyroid hormone response element, Schilddrüsenhormon-responsives Element) sind Anbindungsstellen für die Schilddrüsenhormone an die Chromosomen im Zellkern. Bei einer Anbindung findet bei positiven TRE die Produktion bestimmter Proteine statt, bei negativen TRE wird die Produktion gehemmt. Durch positives TRE wird also z. B. Somatostatin gebildet und hemmt die GH-Produktion. Bei fehlendem positivem TRE wird kein Somatostatin gebildet, ebenso bei negativem TRE. Beides führt zur weiteren Produktion von GH. - SDU beeinflusst über noch unbekannte Wege die Freisetzung von Somatoliberin bzw. Somatostatin.
- TRH gibt Feedbacksignale: Durch erhöhten TRH-Spiegel steigt neben TSH auch GH an. Allerdings findet keine GH-Erhöhung nach TRH-Gabe bei schilddrüsengesunden Hunden statt, zusätzlich müssen also bei SDU-kranken Hunden auch weitere Faktoren mitwirken.
Speziell zum veränderte Ausschüttungsmuster bei gleicher Pulsfrequenz sind folgende Erklärungen denkbar:
- Reaktion des Wachstumshormons auf Somatoliberin ist verzögert,
- erhöhtes IGF führt zu verminderter Ausschüttung von GH in den Pulsen, vorwiegend durch Abschwächung der Pulse (Höhe der Pulse).
Hyphophysenhormone und SDU
In einer Folgestudie von 2008 untersuchte die Forschungsgruppe um Diaz-Espineira die Veränderungen in der Hypophyse und deren Hormonausschüttungen bei den 7 Hunden über einen Zeitraum von 4,5 Jahren hinweg.
Zum Abschluss der Studie untersuchten sie die morphologischen Veränderungen der Hypophyse sowie die Veränderung der Hypophysen-Hormone: ACTH, GH, TSH, LH und Prolaktin. Bei 3 Hunden wurden auch die weiteren Veränderungen unter Hormonsubstitution untersucht.
Kurzcharakteristik der Hypophysenhormone und-produkte
Thyreotropin (TSH): regt die Schilddrüse zur Bildung von Schilddrüsenhormonen an,
Adrenocorticotropin (ACTH): regt das Nebennierenmark zu Ausschüttung von Cortisol an,
Luteinisierendes Hormon (LH): fördert bei Weibchen die Produktion von Östrogenen und Progesteron und bei Männchen die Produktion von Testosteron,
Prolaktin: fördert die Milchproduktion,
Melanozyten stimulierende Hormone (MSH): u. a. Regulation der Pigmentbildung und -verteilung
Endorphine und Enkephaline: Schmerzkontrolle
Der Verlauf der Hormone über den Untersuchungszeitraum war sehr unterschiedlich. Grob lassen sich die Entwicklungen im Laufe der Studie wie folgt beschreiben:
TSH stieg zunächst stark an (um rd. das 15-fache) und fiel dann innerhalb weniger Monate sukzessive wieder ab. Nach 3 Jahren unterschied sich der Wert nicht signifikant vom Startwert vor der erzeugten SDU. Auf Stimulierung durch TRH im Zuge von TRH-Stimulationstests erfolgte sehr schnell im Laufe der SDU-Entwicklung keine Reaktion mehr. Unter Substitution fiel der TSH-Wert weiter ab.
In diesen Punkten unterscheiden sich Hunde von Menschen, bei denen selbst nach lange bestehender SDU die TSH-Konzentrationen hoch bleiben und TSH auf TRH-Stimulationstests reagiert.
GH stieg an, pendelte um ein hohes Niveau und fiel ebenfalls erst unter Substitution ab.
Ein TRH-Stimulationstest nach 2 Jahren zeigte keine Reaktion von TSH auf TRH, dagegen stieg GH signifikant an.
ACTH stieg zunächst an und fiel dann wieder auf Normalniveau ab (mit einer Absenkung und wieder Normalisierung nach rd. 1,5 Jahren).
Studie zur Nutzung als Diagnosemöglichkeit
Pijnacker et al. untersuchten, ob bei unbehandelten Hunden mit erwiesener SDU Unterschiede zu Hunden mit NTI bei den
- GH-Werten,
- TSH-Werten,
- GH/TSH-Quotienten
jeweils basal und nach TRH-Stimulation erkennbar waren.
Insgesamt wurden 21 Hunde untersucht,
- die mindestens ein klinisches Symptom einer SDU hatten (im Schnitt hatte jeder 3,4 Symptome) und
- deren T4-Wert unter dem Referenzbereich lag, wohingegen
- der TSH-Wert innerhalb des Referenzbereiches lag.
Mit dieser Auswahl griffen sie einen der Problembereiche der Diagnose auf: niedrige T4-Werte, normale TSH-Werte und klinische Symptome einer SDU. Häufige klinische Symptome waren:
Symptom | Anzahl |
---|---|
Lethargie (geringe Trainingsbereitschaft, hohes Schlafbedürfnis) | 18 |
Fell- und Hautveränderungen (z. B. Alopezie, Hyperpigmentierung, starkes Haaren und Seborrhoe) | 16 |
Gewichtszunahme | 14 |
Bewegungsprobleme (Lahmheit, steifer Gang) | 9 |
Myxödeme (tragischer Gesichtsausdruck) | 7 |
Starkes Schnarchen | 5 |
Bevorzugen von warmen Plätzen | 3 |
Mittels Szintigrafie konnte bei 11 Hunden eindeutig eine SDU festgestellt werden.
Das heißt, lediglich knapp über 50 % der Hunde mit klinischen Symptomen, T4 unter dem Referenzwert und TSH im Referenzbereich hatten tatsächliche eine SDU. Bei den übrigen Hunden lag eine NTI vor, bei der eine Substitution nicht erforderlich und in der Regel sogar gefährlich ist.
Mit einem ähnlichen, wenn nicht sogar höherem Anteil von NTI, ist bei T4-Werten über dem Referenzbereich zu rechnen.

Wachstumshormon
Bereits vor dem TRH-Stimulationstest lag der GH-Wert bei Hunden mit NTI deutlich unter dem der SDU-Hunde. Allerdings gab es einen Überlappungsbereich.
Durch die Stimulation mittels TRH veränderte sich bei NTI-Hunden der GH-Wert nicht nennenswert, bei den SDU-Hunden stieg der Wert an. Überlappungen zwischen NTI und SDU gab es nicht mehr, so dass eine klare Differenzierung möglich war.
TSH
TSH stieg nach der Stimulation durch TRH an, der Anstieg war bei den NTI-Hunden deutlich stärker. Verglich man die absoluten Werte, ergaben sich Überlappungen zwischen beiden Gruppen. Wurde jedoch jeweils der prozentuale Anstieg beurteilt, lagen keine Überlappungen mehr vor. 45 Minuten nach der TRH-Stimulation konnte ein Anstieg von mehr als 57 % als eindeutiger Trennpunkt für NTI identifiziert werden, ein Anstieg von weniger als 57 % lag bei SDU-Hunden vor.
Verhältnis GH/TSH
Vor der Stimulation war kein Unterschied im Verhältnis GH/TSH, nach 45 Minuten zeigten sich dagegen keine Überlappungen mehr.
SDU | NTI | |
---|---|---|
GH | Vor Stimulation hoch, durch Stimulation weiterer Anstieg | Vor Stimulation niedrig, durch Stimulation kein Anstieg |
TSH | Geringfügiger oder kein Anstieg durch Stimulation Prozentualer Anstieg: < 57 % | Starker Anstieg durch Stimulation Prozentualer Anstieg: > 57 % |
GH/TSH | Steigt durch Stimulation an | Fällt durch Stimulation ab |
Praktischer Nutzen
Bisher wurde bei TRH-Stimulationstests der absolute Anstieg betrachtet. Dadurch war nicht immer eine eindeutige Differenzierung zwischen NTI und SDU möglich. Der TRH-Stimulationstest wurde daher nicht mehr zur Diagnose einer SDU herangezogen. Der mittlerweile verwendete TSH-Stimulationstest ist neben der Szintigrafie der „Goldstandard“ in der SDU-Diagnose: Das heißt, beide Verfahren können sehr gut zwischen NTI und SDU unterscheiden. Die Verwendung der Szintigrafie ist durch den Einsatz von radioaktivem Material nur in (wenigen) Kliniken möglich. Der Nachteil des TSH-Stimulationstestes ist dagegen, dass die TSH-Lösung nur begrenzt lagerbar ist und daher nur bei relativ großem Umsatz rentable. Daher wird auch der TSH-Stimulationstest in der Regel nur in Kliniken angeboten.
Beim TRH-Stimulationstest mit Beurteilung des prozentualen TSH-Anstiegs ergibt sich eine scharfe Trennlinie zwischen SDU und NTI. Dies würde den Einsatz einer relativ gut zu handhabenden Analysesubstanz zu akzeptablen Preisen ermöglichen. Allerdings sind noch weitere Studien hierzu erforderlich. So könnten z. B. Hunde mit Cushing Syndrom ebenfalls einen reduzierten Anstieg von TSH haben.
Die Bestimmung des GH-Wertes gehört bisher nicht zu den Routine-Untersuchungen. Auch hier sind weitere Untersuchungen zum Einsatz bei einer SDU-Diagnose erforderlich.
Quellen
Diaz-Espineira MM et al: Primary hypothyroidism in dogs is associated with elevated GH release. Journal of Endocrinology (2001) 168, 59–66
Diaz-Espineira MM et al: Functional and morphological changes in the adenohypophysis of dogs with induced primary hypothyroidism: Loss of TSH hypersecretion, hypersomatotropism, hypoprolactinemia, and pituitary enlargement with transdifferentiation. Domestic Animal Endocrinology 35 (2008) 98–111
Pijnacker T et al.: Use of basal and TRH-stimulated plasma growth hormone concentrations to differentiate between primary hypothyroidism and nonthyroidal illness in dogs. J Vet Intern Med. 2018;32:1319–1324.
Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Schilddrüsenunterfunktion
by naseweisbz.net