Die Bedeutung der Schilddrüsen-Antikörper (TAK, T4-AK, T3-AK) für die Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion bei Hunden wird teilweise falsch verstanden. Was sagen die Antikörper aus, welche Bedeutung haben sie bei der Diagnose und der Substitution?
zugunsten der Verständlichkeit vereinfacht
- Was sind Schilddrüsen-Autoantikörper?
- Mein Hund hat Schilddrüsen-Antikörper. Heißt das, dass er eine SDU hat?
- Mein Hund hat Hormon-Antikörper. Was bedeutet das für die Diagnose?
- Erhöhen Hormon-Antikörper den Hormon-Messwert?
- Wenn T4-AK die T4-Werte erhöhen: Kann man aus der Höhe der T4-AK auf die Höhe des tatsächlichen T4-Wertes schließen?
- Sind Hormon-Antikörper unter dem Referenzbereich für die Diagnose wichtig?
- „Schlucken“ Hormon-AK die Hormone? Ist bei Hormon-Antikörpern die Dosierung deswegen höher?
- Was ist bei Substitution bezüglich der AK-Bestimmung zu beachten?
- Was ist bei Cortisongabe und AK-Bestimmung zu beachten?
Was sind Schilddrüsen-Autoantikörper?
Schilddrüsen-Autoantikörper sind Antikörper, also Abwehrzellen, die sich gegen Substanzen aus der Schilddrüse richten. Sie werden als Autoantikörper bezeichnet, da sie sich gegen körpereigene Substanzen richten.
Bei Hunden sind folgende Antikörper wichtig:
TAK = Thyreoglobulin-Antikörper: Antikörper, die gegen das Thyreoglobulin (TG) der Schilddrüse gerichtet sind. Thyreoglobulin befindet sich fast ausschließlich in der Schilddrüse und ist die Basis zur Bildung der Schilddrüsenhormone. In geringen Mengen kann TG auch bei gesunden Hunden ins Blut gelangen. TAK können maskiert oder unmaskiert vorliegen (siehe hierzu „Autoantikörper bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion“).
TH-AK = Schilddrüsen-Hormon-Antikörper: Antikörper, die sich gegen die Schilddrüsenhormone T4 und T3 richten (T4-AK bzw. T3-AK). Sie resultieren vermutlich aus TAK, sind jedoch gegen spezielle Stellen (die Bildungsstellen der Schilddrüsenhormone) auf dem Thyreoglobulin-Molekül gerichtet. Der Anteil TAK-positiver, schilddrüsenkranker Hunde mit TH-AK liegt zwischen 10 und 30 % (die Angaben schwanken stark).TH-AK ohne positiven TAK sind selten. 95 % der Hunde mit T4-AK haben auch einen positiven TAK.
T3-AK sind deutlich häufiger als T4-AK: bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion (SDU) ca. 30 % zu 8 % (Graham 2007). Die Angaben schwanken jedoch auch hier stark.
Mein Hund hat Schilddrüsen-Antikörper. Heißt das, dass er eine SDU hat?
Nein: auch Hunde ohne eine (autoimmune) SDU können erhöhte (zum Teil stark erhöhte) TAK- und TH-AK-Werte haben. Teilweise entwickelt sich zwar im Laufe der Zeit eine SDU, teilweise verschwinden die Antikörper aber auch wieder.

Schilddrüsen-Antikörper sind zu finden bei, Hunden
- mit Schilddrüsenunterfunktion,
- die erst im Laufe der Zeit eine Schilddrüsenunterfunktion entwickeln (sich also im sehr frühen Stadium einer Schilddrüsenunterfunktion befinden),
- ohne Schilddrüsenunterfunktion,
- ohne Schilddrüsenunterfunktion, bei denen die Antikörper im Laufe der Zeit wieder verschwinden,
- mit NTI (z. B. mit bakteriellen Hauterkrankungen).
Die Angaben, wie viel Prozent der Hunde jeweils einer Gruppe zugeordnet werden können, schwanken stark.
Nur ungefähr 50 % der Hunde mit SDU haben positive TAK (auch hierzu gibt es unterschiedliche Angaben). Fehlende Schilddrüsen-Antikörper schließen eine SDU daher nicht aus.
Vorhandene Schilddrüsen-Antikörper können die Diagnose SDU bei entsprechenden weiteren Kriterien unterstützen, aber alleine genommen nicht zur Diagnose SDU führen.
Positive TAK geben keinen Hinweis auf eine Schilddrüsenfunktion, auf das Potenzial der Schilddrüse Schilddrüsenhormone zu bilden oder die Schwere und den Verlauf einer möglichen Schilddrüsenerkrankung.
Bei Hunde mit Schilddrüsen-AK sollten regelmäßig die Schilddrüsen-Werte untersucht werden, um eine sich manifestierende SDU rechtzeitig zu erkennen.
Mein Hund hat Hormon-Antikörper. Was bedeutet das für die Diagnose?
Hormonantikörper können bei den in Deutschland verwendeten Messverfahren die Messwerte für T4- bzw. T3 falsch erhöhen (s. Folgepunkt).
Das Vorliegen von Hormon-Antikörper ist ebenso wenig wie das Vorliegen von TAK, ein eindeutiger Hinweis auf eine autoimmune Erkrankung. Nur im Kontext mit anderen Hinweisen (Blutbild, klinische Symptome) können TH-AK eine SDU-Diagnose stützen.
Erhöhen Hormon-Antikörper den Hormon-Messwert?
Selten
Bei den in Deutschland verwendeten Messverfahren für T4 und T3 (umgekehrt proportionale Messungen) können Hormon-AK dazu führen, dass die Messwerte falsch erhöht sind. Dadurch werden ggf. niedrige T4-(bzw. T3-Werte) verschleiert. Bei Hunde mit widersprüchlichen Messwerten (hohe T4-Werte mit hohem TSH-Wert) sollte also geprüft werden, ob falsch erhöhte T4-Werte durch TH-AK-Einfluss vorliegen.
Die fT4-Werte, die mit einem speziellen Verfahren, welches störende Begleitstoffe entfernt (fT4ED), bestimmt werden, sind weniger stark (kaum) von T4-AK und anderen Einflüssen betroffen.
Hinweis: Je nach Messverfahren (direkt proportionale Messungen) können sich bei vorliegenden TH-AK auch falsch niedrige Werte ergeben. Das ist zum Beispiel der Fall bei T3-Bestimmungen durch die Michigan State University. Werden also Proben dort ausgewertet, können niedrigere T3-Werte resultieren.
Vermutlich ist das Risiko, dass Messwerte verfälscht werden, umso höher, je höher die vorhandenen AK-Titer sind.
Allerdings liegt der Anteil der Messwertverfälschungen durch T4-AK bei rund 1,7 %, durch T3-AK bei rund 5,7 % bezogen auf die TH-AK-positiven Hunde. Auch hierzu schwanken die Angaben jedoch stark.
Beispiel: Datenbasis Untersuchungen Graham, 2007
Positive T4-AK bei positivem TAK wurde bei 14 % SDU-kranker Hunde und 11 % SDU-gesunder Hunde festgestellt. Bezogen auf 1.000 Hunde hätten somit 250 Hunde positive T4-AK-Werte.
Bei 1,7 % ist eine Messwertverfälschung durch T4-AK möglich, also bei 4,25 Hunden der angenommenen 1.000 Hunde mit positivem TAK.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit von Messwertverfälschungen durch TH-AK gering ist, sollte man bei „relativ hohen“ T4-Werten, die nicht zum Gesamtbild passen, auch die Möglichkeit einer Messwerteverfälschung durch Hormon-AK berücksichtigen.
Liegen nur TAK vor, werden die Hormonmesswerte dadurch nicht beeinflusst.
Wenn T4-AK die T4-Werte erhöhen: Kann man aus der Höhe der T4-AK auf die Höhe des tatsächlichen T4-Wertes schließen?
Nein.
Bei der T4-Messung konkurrieren markiertes T4 (Marker) und T4 aus der Blutprobe um die freien Plätze an Antikörpern im Teströhrchen. Die Menge der im Röhrchen gebundenen Marker ist umgekehrt proportional zum T4 und kann gemessen werden. Bei RIA sind die Marker radioaktiv markiert, bei CLIA durch Substanzen, deren Lumineszenz (Lichtstrahlung) gemessen werden kann.

Sind im Blut ebenfalls Antikörper vorhanden, bindet ein Teil der Marker (und des T4) an die „natürlichen“ Antikörper und nicht an die Antikörper im Röhrchen. Alle an die „natürlichen“ Antikörper gebundenen Substanzen verlassen mit diesen das Teströhrchen. Die Marker können also nicht gemessen werden. Die Radioaktivität (oder Lumineszenz) ist niedriger und somit der gemessene T4-Wert höher.
Eine Messwertverfälschung durch TH-AK ist von zahlreichen Faktoren abhängig, z. B. von Affinität und Kapazität der TH-AK und deren Sättigung (s. unten) oder ob die AK maskiert oder unmaskiert vorliegen (siehe „Autoantikörper bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion“). In den meisten Blutproben mit TH-AK findet keine Messwertverfälschung statt (s. oben). Ob und wie viel T4 aus Marker und Blut ausgespült wird, ist daher nicht feststellbar.
Sind Hormon-Antikörper unter dem Referenzbereich für die Diagnose wichtig?
Ja: Eine messtechnische Werterhöhung durch Antikörper kann ausgeschlossen werden.
Nein: Die Werte geben keinen Hinweis auf das Vorliegen von Antikörpern.
Nachreiner et al. untersuchten 2002 bei rd. 560.000 schilddrüsengesunden Hunden und Hunden mit Verdacht auf SDU unter anderem die TH-AK. Anhand der Messergebnisse erstellte das Team eine Eichkurve für das Messverfahren der TH-AK, indem sie für die Bindungskapazitäten (in %), jeweils den Anteil der positiven Blutproben bestimmten.
Bei beiden Messverfahren (T4-AK und T3-AK) wurde ein hoher Anteil an Bindungen an das Messreagenz im unteren Bindungsbereich festgestellt. Diese Bindungen wurden als unspezifische Bindungen identifiziert.
Bei dem Messverfahren für T4-AK wiesen rd. 90 % der Proben im Bereich < 20 % unspezifische Bindungen auf. Das Maximum lag bei ungefähr 10 % Bindung. Nur bei rd. 10 % der Blutproben lag keine Bindung vor.
Ähnliche Ergebnisse wurden bei dem Messverfahren für T3-AK festgestellt. Im Bereich < 10 % Bindung wurde bei rd. 70 % der Blutproben unspezifische Bindungen ermittelt. Das Maximum von rd. 15 % der Blutproben lag bei < 5 % Bindung. Bei ungefähr 25 % der Blutproben wurde keine Bindung festgestellt.
Vereinfacht heißt das: In den Messverfahren werden zunächst die AK-Marker der Analysesubstanz durch unspezifische Bindungen in der Blutprobe gebunden. Hierbei werden bei T4-AK-Messungen rd. 20 % der Analysesubstanz „verbraucht“, bei T3-AK-Messungen rd. 10 %. Erst dann können die Antikörper in der Blutprobe an die Marker der Analysesubstanz binden. Werte unter 20 % Bindungskapazität für T4-AK bzw. unter 10 % für T3-AK können somit definitiv keinen Hinweis auf das Vorliegen von Hormon-AK geben. Vielmehr handelt es sich hierbei um Ergebnissen, die aus unspezifischen Bindungen resultieren.

Da in einem hohen Anteil von Blutproben unspezifische Bindungen vorliegen, können Werte unterhalb der Referenzbereiche keine Aussage zum Vorliegen von TH-AK liefern.
„Schlucken“ Hormon-AK die Hormone? Ist bei Hormon-Antikörpern die Dosierung deswegen höher?
Ja und Nein.
Die Auswirkung der TH-AK auf die im Blut befindlichen Hormone ist von verschiedenen Faktoren anhängig, z. B. der Affinität der TH-AK zu den Hormonen sowie der Konzentration und der Sättigung der TH-AK mit Schilddrüsenhormonen.
Wichtig ist, dass die Hormone nicht die Bildung von TH-AK provozieren.
Affinität und Kapazität
Die meisten Hormone liegen gebunden an Trägerproteine im Körper vor und werden von diesen erst unmittelbar am Wirkort (den Zellen der Zielorgane) gelöst. Nur ein sehr geringer Teil der Hormone, ca. 0,5 %, liegen als freie Hormone vor. Die Bindungsaffinität der Trägerproteine ist höher als die der TH-AK. Das heißt, freie Hormone binden bevorzugt an Trägerproteine und nicht an TH-AK.
Im Humanbereich gibt es einige wenige Einzelfallberichte, in denen trotz gesunder Schilddrüse die vorhandenen TH-AK dazu geführt haben, dass niedrige Hormonwerte messbar waren. Hier wird davon ausgegangen, dass sich TH-AK mit einer hohen Bindungsaffinität und -kapazität entwickelt haben.
Im Umkehrschluss heißt das, dass eine gesunde Schilddrüse in der Regel den durch TH-AK erzeugten „Hormonverlust“ kompensieren kann.
Premachandra bezeichnet die Bindung von Schilddrüsenhormonen an Antikörper in einem schilddrüsengesunden Organismus sogar als Kompensationsmechanismus: Die an Antikörper gebundenen Hormone erhöhen die im Blut befindlichen Hormone und sind ähnlich einzustufen, wie zusätzliche schilddrüsenhormon-bindende Proteine (Trägerproteine). Sie ermöglichen es, in besonderen Situationen (z. B. Schwangerschaft) schneller Hormone zur Verfügung zu stellen.
Sättigung
Bei einer SDU können vorhandene TH-AK die freien Hormone binden und so den Hormon-Blutspiegel weiter senken. Die Kapazität der kranken Schilddrüse zur Bildung von Hormonen reicht dann eventuell nicht aus, um die Hormon-Verluste auszugleichen.
Unter Substitution wird jedoch schnell eine Sättigung der vorhandenen TH-AK erreicht, sodass diese keine weiteren Hormone mehr binden können. Da die Hormone an sich nicht die Bildung von TH-AK fördern, ist keine höhere Dosierung bei Vorliegen von TH-AK erforderlich.
Was ist bei Substitution bezüglich der AK-Bestimmung zu beachten?
In der Regel sinken die Antikörper im Laufe der Substitution.
Zu Beginn der Substitution sollte überprüft werden, ob die AKs tatsächlich sinken.
Im späteren Verlauf der Substitution ist eine AK-Bestimmung (TAK, TH-AK) in der Regel nicht mehr erforderlich.
Was ist bei Cortisongabe und AK-Bestimmung zu beachten?
Erhält ein Hund dauerhaft Cortison, ist eine Bestimmung der Antikörper nicht sinnvoll. Durch die immunsuppressive Wirkung von Cortison ist nicht mit der Ausbildung von Antikörpern zu rechnen.
Quellen (Auszug)
- Graham P.A., Nachreiner R.F. et al.: Lymphocytic thyroiditis. Vet Clin Small Anim 2001, 31, 915–933.
- Graham P.A., Nachreiner R.F. et al.: Etiopathologic Findings of Canine Hypothyroidism. Vet Clin Small Anim 37 (2007) 617–631
- Nachreiner, R. F., u.a.(2002): Prevalence of serum thyroid hormone autoantibodies in dogs with clinical signs of hypothyroidism. J Am Vet Med Assoc 220, 466-471
- Popiel J, Cekiera A: Usefulness of measuring the concentration of thyroglobulin antibodies in serum of dogs for the assessment of thyroid functioning. Bull Vet Inst Pulawy 58, 261-266, 2014
- Premachandra B. et al.: Effects and Clinical Significance of Exogenous Thyroxine Therapy in Patients with Circulating Thyroid Hormone Autoantibodies. American Journal of Clinical Pathology, Volume 78, Issue 1, 1 July 1982, Pages 63–68
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