GOT-Änderung: Tierheilpraktiker sind keine Alternative

Tierarztbesuche werden teurer. Sind Tierheilpraktiker eine kostengünstige Alternative? Ein Tierarzt und ein Tierheilpraktiker berichten aus ihren Erfahrungen und geben Tipps, was bei der Behandlerwahl zu beachten ist.

Die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) wurde zum 22.11.2022 überarbeitet. Dadurch wird ein Tierarztbesuch meist teurer und der Besuch eines Tierheilpraktikers könnte kostengünstiger erscheinen. Doch zwischen Tierarzt (TA) und Tierheilpraktiker (THP) gibt es Unterschiede, die man berücksichtigen sollte.

AB: Tierarzt mit Erfahrungen in verschiedenen Tierkliniken.

CD: Tierheilpraktiker und Physiotherapeut, ist an einem sachlichem Austausch zwischen Schulmedizin und Naturheilkundlern interessiert.

Tierheilpraktiker sind keine Tierärzte

Die Berufsbezeichnung Tierheilpraktiker ist gesetzlich nicht geschützt. Im Allgemeinen werden darunter Behandler verstanden, die keine Tierärzte sind und mit alternativen Therapieformen behandeln, die nicht von Tierärzten verwendet werden. Das Angebot an Therapieformen ist vielfältig und umfasst unter anderem Physiotherapie und Osteopathie, aber auch Homöopathie und Bioresonanz.

Die Ausbildung ist somit nicht gesetzlich geregelt, sodass sich die Ausbildungsmöglichkeiten stark in Qualität, Intensität und Dauer unterscheiden. Übliche Ausbildungszeiten liegen zwischen 20 und 36 Monaten. Die Berufsverbände bemühen sich zwar um eine staatliche Anerkennung und eine festgeschriebene Ausbildung, bisher allerdings vergeblich.

Im Gegensatz dazu steht das geregelte, universitäre 5,5-jährige Studium der Tierärzte. Allein die unterschiedliche Dauer zeigt, dass deutliche Wissensunterschiede zwischen THP und TA existieren.

Diagnose und Therapie

CD beschreibt die tierheilpraktischen Tätigkeiten so: „Tierheilpraktiker vertrauen mehr der Natur, der Kraft der Selbstheilung, der Naturapotheke, ihrer Intuition und ihren Erfahrungen aus der Praxis. Altes Wissen, alte Fertigkeiten und Handwerk sollen erhalten bleiben.“

Bild mit Tabletten, homöopathischen Mitteln und nachgestellter EGK-Kurve. Tierarzt oder Tierheilpraktiker? Sanfte Medizin gegenüber Pharma-Produkten? So einfach ist die Unterscheidung leider nicht.
Tierarzt oder Tierheilpraktiker? Sanfte Medizin gegenüber Pharma-Produkten? So einfach ist die Unterscheidung leider nicht.

Das gibt eine gute Darstellung der Kontroversen zwischen Schulmedizin (als Bezeichnung von evidenzbasierter Medizin) und naturheilkundlichen Verfahren. Für Heilpraktiker ist die Schulmedizin von der Natur losgelöst. Dieser Vorwurf ist jedoch falsch: Alle schulmedizinischen Methoden beruhen auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Wirksamkeit alternativer Heilverfahren ist stark unterschiedlich, sodass eine pauschale Beurteilung nicht möglich ist. Bei Verfahren wie Physiotherapie oder Akupunktur gibt es gewisse Wirksamkeitsnachweise (Evidenzen), bei anderen nicht. Nicht alle Verfahren resultieren aus altem Wissen. So wurden Homöopathie, Schüßler-Salze und Bachblütentherapie erst im 19ten Jahrhundert entwickelt. Die Therapien setzen einen Kontrapunkt zu der im damaligen Zeitgeist als seelenlos empfundenen wissenschaftlich begründeten Medizin. Bei diesen Methoden hat lediglich der Ansatz, die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, traditionellen Bezug.

Beispiel Bioresonanz

Andere Methoden beziehen sich ebenfalls auf neue Erkenntnisse, zum Beispiel aus der Bio- oder Quantenphysik. Das angebliche Wirkprinzip wird dabei oft in hochwissenschaftlich erscheinender Sprache beschrieben. Die Bioresonanz beruft sich etwa fälschlicherweise auf die Quantenmechanik. Die Diagnosegeräte sollen der Theorie zufolge die Energiefelder des Körpers messen, die sich bei Erkrankungen typischerweise ändern würden. Allerdings ist nicht bekannt, welche Schwingungen die Geräte eigentlich messen. Im Rahmen der Bioresonanztherapie werden dem Körper angeblich heilende Informationen zugeführt, etwa indem die schädlichen Frequenzen aufgenommen, in positive umgewandelt und in den Körper zurückgegeben werden. Heilende Informationen können nach dieser Theorie aber auch in Farben, Schwingungen der Erde und des Kosmos, Heilpflanzen, Edelsteinen oder homöopathischen Substanzen enthalten sein.

Schale mit Heilsteinen. In der Theorie der Bioresonanztherapie können Edelsteine durch ihre feinstofflichen Schwingungen bewirken, dass disharmonische Schwingungen des Körpers zu harmonischen Schwingungen werden.
In der Theorie der Bioresonanztherapie können Edelsteine durch ihre feinstofflichen Schwingungen bewirken, dass disharmonische Schwingungen des Körpers zu harmonischen Schwingungen werden. (Bildquelle: pixabay)

Ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit der Bioresonanz fehlt. In der viel zitierten Leberkäse-Studie wurden die Bioresonanzergebnisse gesunder und kranker Menschen miteinander sowie unter anderem mit Leberkäse verglichen. In der Untersuchung ergibt sich kein Zusammenhang zwischen Messergebnis und Gesundheitszustand. Der „Gesundheitszustand“ des Leberkäses war unter anderem davon abhängig, welcher Person die angebliche Wiederholungsmessung zugeschrieben wurde. Eine Messung von Spurenelementen mittels Bioresonanz ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht möglich. Zudem verfälscht die elektromagnetische Umgebungsstrahlung die Messung schwacher körpereigener elektromagnetischer Strahlung.

Diagnose und Therapie

AB betont, dass vor einer Therapie eine begründete Diagnose stehen muss. Er sieht etliche Diagnosemethoden der THPs kritisch und die damit erzielte Diagnose und folgende Therapie als unbegründet. Andererseits hat jedoch auch CD falsche Diagnosen von Tierärzten erlebt. Er berichtet etwa von einem Patienten mit ausgerenktem Halswirbel, der vom TA als Verspannung diagnostiziert und zur Physiotherapie überwiesen wurde.

CD hat zudem die Erfahrung gemacht, dass „Tierärzte die Probleme der Patientenbesitzer und Hunde bagatellisieren“. Dies lässt vermuten, dass Tierärzte ein Zeitproblem haben. Hier erkennt AB einen großen Vorteil der THP: „Sie haben Zeit für die Patientenhalter, führen lange Gespräche und finden, je nach Erfahrung und Kenntnisstand, dadurch tatsächlich manchmal die Nadel im Heuhaufen.“ Ein entsprechender Anfangsverdacht kann so in Messdaten hineininterpretiert werden. Das erklärt, wieso Patientenhalter mit positiven Erfahrungen bei der Bioresonanzdiagnostik betonen, dass die Erfahrungen des THP und das verwendete Gerät eine wesentliche Rolle spielen. Heißt: Eine Bioresonanzdiagnose ist nur so gut, wie der THP, der die messtechnischen Daten passend zu den erhaltenen Informationen auslegt. Dem setzt CD entgegen, dass heilkundliche Verfahren stets individuell auf den Patienten zugeschnitten sind. Im Gegensatz dazu nehme die Schulmedizin keine individuelle Betrachtung vor, sondern gehe nach Schema F. Nach ABs Erfahrungen arbeiten jedoch auch viele THPs stereotyp und verzichten auf Differenzialdiagnosen.

Die Diagnosen der THP können somit richtig sein, müssen es aber nicht. Eine wirksame Therapie ist allerdings nur nach einer richtigen Diagnose möglich.

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass hinsichtlich eines zu beurteilenden Therapieerfolges Halter und Behandler je nach Erwartungshaltung zu Wahrnehmungsverzerrungen neigen. Der Behandlungserfolg wird je nach Einstellung zur Therapie besser (oder schlechter) eingeschätzt, als er tatsächlich ist. Ein Hundetrainer berichtet, dass insbesondere Schmerzen und Magen-Darm-Probleme häufig unterbewertet werden.

Neben falscher Wahrnehmung kann auch ein Placebo-Effekt vom Halter auf das Tier übertragen werden. Es treten dann zwar tatsächlich gesundheitliche Verbesserungen auf, diese stehen aber in keinem ursächlichen Zusammenhang zur Therapie.

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Die Klientel

Manche Patientenhalter misstrauen der Wissenschaft, der Schulmedizin und der Pharmaindustrie. In ihrer Wahrnehmung sind Tierärzte von der Pharmaindustrie gekauft, Studien geschönt bis gefälscht, Wissenschaft beeinflusst und nicht objektiv. Häufig wird angeführt, dass eine Methode, nur weil sie nicht „wissenschaftlich belegt“ ist oder der Mensch dafür noch keine Messtechnik entwickelt hat, nicht abgelehnt werden könne. In diesem Zusammenhang wird gerne auf neue Erkenntnisse der Quanten- oder Biophysik verwiesen, die angeblich Erklärungen für verschiedene Verfahren bieten.

Die Klientel bei THP und Tierärzten ist daher oft grundlegend verschieden. Wer die jeweils verwendeten Methoden anzweifelt, wird unabhängig von den Kosten entweder einen TA oder einen THP aufsuchen. Lediglich jene, die für beide Methoden offen sind, könnten aus Kostengründen einen THP bevorzugen.

Wird bei ausbleibendem Heilerfolg einer THP-Therapie ein TA aufgesucht, ist es nach den Erfahrungen von AB oft „schon zu spät oder bestenfalls auf den letzten Drücker“. Insbesondere bei diesen Haltern sei eine sehr schlechte Mitwirkung bei tierärztlichen Therapien feststellbar: Sie gäben die Medikamente nicht in der vorgeschriebenen Dosierung, brächen die Behandlung frühzeitig ab, würden Diagnoseschritte verweigern und ähnliches.

Parallele Behandlungen

Manche Halter verwenden zwar schulmedizinische Therapien, parallel dazu aber auch naturheilkundliche Verfahren. Nach Brüchen, bei Muskelverspannungen und ähnlichem ist eine Überweisung zum Physiotherapeuten üblich.

Da unerwünschte Wechselwirkungen auftreten können, sollten sowohl THP als auch TA über die begleitende Behandlung informiert werden. So wird von THPs teilweise Ingwer zur Schmerzbehandlung eingesetzt, kann aber zusammen mit NSAID (einer Schmerzmittelgruppe) zu erhöhten Blutungsneigungen führen. Umgekehrt stört, so CD, Cortison den Versuch einer Immunmodulation.

Ingwerwurzeln: Ingwer wird in der alternativen Medizin als Schmerzmittel eingesetzt.
Ingwer wird in der alternativen Medizin als Schmerzmittel eingesetzt. (Bildquelle: pixabay)

Kosten

Im Gegensatz zu Tierärzten haben THPs keine Gebührenordnung, Honorare sind also frei festlegbar. Für das Erstgespräch können Kosten entstehen, die mit denen von Tierärzten vergleichbar sind oder darüber liegen. Die Kosten sind wesentlich davon abhängig, wie lange das Gespräch dauert. Spezielle Untersuchungen in der Praxis oder externe Labor-Untersuchungen erhöhen die fälligen Summen.

Dennoch klagen laut AB manche Halter selbst dann über hohe Tierarztkosten, wenn die Rechnung deutlich niedriger ist, als üblicherweise bei einem THP.

Selbst behandeln

In ihrem Praxisalltag merkt AB nach der GOT-Erhöhung keine Reduzierung der Patientenzahlen. CD dagegen berichtet, dass er von einem starken Patientenrückgang in TA-Praxen gehört hat, aber THP-Praxen keinen erhöhten Zulauf haben. Er sieht daher die Gefahr, dass Tierhalter weniger häufig zu Tierärzten gehen und fürchtet um die Gesundheit der Tiere. Möglicherweise behandeln Halter nun ihre Tiere in Eigenregie. Eine Behandlung mit bestimmten Phytoprodukten oder Humanmedikamenten kann allerdings zu akuten Vergiftungen oder dem Tod des Tieres führen.

Bei kleinen Wunden oder einem „normalen“ Durchfall ist eine Behandlung durch den Halter meist gut möglich, sofern die Behandlung adäquat und mit Erfahrung erfolgt. Bei Bisswunden, Verletzungen in und am Auge, Schmerzbehandlung, anhaltenden Beschwerden und vielem mehr ist jedoch ein Tierarztbesuch erforderlich.

Tipps zur Wahl des Behandlers

Bild mit Daumen hoch, Daumen runter und Grafik verletzter Hund. Egal, für welchen Behandler man sich entscheidet, sollte man einige Punkte berücksichtigen. Wichtig ist, dass das Wohl des Tieres im Vordergrund steht.
Egal, für welchen Behandler man sich entscheidet, sollte man einige Punkte berücksichtigen. Wichtig ist, dass das Wohl des Tieres im Vordergrund steht.

Die Diagnose sollte von einem Tierarzt gestellt werden.

Gibt man bereits bei der Terminvereinbarung möglichst konkret den Besuchsgrund an, kann ein ausreichendes Zeitfenster eingeplant werden.

Die Kosten bei THP und TA variieren und sind unter anderem abhängig von Beratungszeiten, eingesetzten Diagnosemitteln, der Erkrankung und nicht zuletzt von der Dauer der Behandlung. Zusammen mit dem Behandler können je nach Kostenrahmen meist unterschiedliche Diagnose- und Therapiepläne aufgestellt werden. Eine Tierkrankenversicherung nimmt den Kostendruck.

Bei einem THP sollte man sich vorher über dessen Ausbildung, Erfahrungen und Methoden informieren. Die Mitgliedschaft in einem Berufsverband und eine Zertifizierung stellen eine gewisse Qualität sicher. Arbeitet der THP mit einem Labor zusammen, sollte dieses für die erforderlichen Untersuchungen von einem anerkannten Institut akkreditiert sein. Ferner ist die verwendete Analysemethode relevant.

Hinsichtlich Diagnose- und Therapieformen bieten verschiedene neutrale Internet-Seiten einen guten Überblick über die Wirksamkeit verschiedener (tier-)heilpraktischer Methoden.

Behandlungserfolge sollten möglichst objektiv und durch Dritte beurteilt werden. Bei ausbleibendem Behandlungserfolg muss rechtzeitig ein Tierarzt aufgesucht werden.

Über eine parallele Behandlung durch THP und TA sollten beide informiert werden.

Bei Bagatellen kann ein erfahrener Halter selbst behandeln. Heilmittel können jedoch giftig für Tiere sein. Insbesondere für unerfahrene Tierhalter empfiehlt sich daher stets der Gang zu einem Fachmann.

Sowohl TA als auch THP müssen über die Therapie und deren Erfolgsaussichten ausreichend aufklären.

Gemäß Tierschutzgesetz darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Damit sind dem Bestimmungsrecht des Halters über die Therapie Grenzen gesetzt: Eine weniger effektive, langwierigere, erfolglose oder gar versagte Behandlung widerspricht diesen Anforderungen.


Anmerkung: Der Artikel wurde im Rahmen eines Projektes erstellt und unterscheidet sich von den übrigen Texten auf der Seite. Er wurde erst später eingestellt und hat daher keinen unmittelbaren Bezug mehr zur GOT-Änderung.

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