Selen ist ein Spurenelement. Über Bedarf, die Aufnahme und Verwertung beim Hund besteht jedoch noch viel Unklarheit. Eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse.
Zum besseren Verständnis stark vereinfacht
Selen galt bis Mitte des letzten Jahrhunderts als giftiges Element. Vorausgegangen waren verschiedene gebietsbezogene Selenvergiftungen bei Nutztieren und Menschen, die teilweise tödlich endeten.
Erst mit der Zeit wuchs die Erkenntnis, dass Selen ein wichtiges Spurenelement ist. Doch das Wissen über Selen ist noch relativ gering, insbesondere in Bezug auf Hunde. Bei Hunden wurden zum Beispiel keine natürlichen Selenvergiftungen dokumentiert. Das legt den Schluss nahe, dass eine andere Verstoffwechselung vorliegt.

Selen im Körper
Selen ist ein Element, das in Boden und Gestein enthalten ist. Über Pflanzen wird Selen aufgenommen und gelangt so, außer über Trinkwasser, in den Nährstoffkreislauf zwischen den Lebewesen. Deutschland gilt allerdings als Selenmangelgebiet.
Besonders viel Selen wird in Meeresfrüchten sowie in Geweben und Produkten wie Schilddrüse, Leber, Niere, Eier und Milch gespeichert. Auch einige Pflanzen haben einen hohen Selengehalt, wie z. B. Paranüsse, Knoblauch oder Getreidekörner mit Schale.
Der Selengehalt in der Nahrung kann durch Erhitzen oder längeres Wässern abnehmen.
Aufgaben und Funktionen von Selen
Selen ist Bestandteil der Aminosäure Selenocystein. Die Aminosäure kommt nicht als einzelne Aminosäure vor, sondern immer in Proteinen, den Selenoproteinen. Selenoproteine sind im Körper die eigentlich aktiven Selen-Verbindungen. Beim Menschen sind 25, beim Hund 21 relevante Selenoproteine bekannt. Hierzu zählen
- Gluthathionperoxidasen,
- Dejodasen,
- Thioreduktasen,
- Selenophosphatsynthetase (SP2),
- spezielle Selenoprotein (z. B. Selenoprotein P). Die Funktion einiger dieser Selenoproteine (z. B. Selenoprotein I, T, O) ist unbekannt.
Selenoprotein P ist für die Erhaltung des Selengleichgewichtes im Körper und den Transport von Selen zu den einzelnen Geweben verantwortlich. Zudem ist es ein wichtiges Antioxidationsmittel. Es kann sowohl in der Leber als auch im Gehirn synthetisiert werden. Seine Halbwertszeit beträgt 3 – 4 Stunden, ist also sehr kurz.
Beim Menschen wurde eine „Hierarchie der Selenoproteine“ festgestellt. Bei geringer Selenunterversorgung werden nur noch bevorzugte Selenoproteine hergestellt. Dabei wird die Versorgung bestimmter Gewebe (wie z. B. Gehirn, reproduzierende Organe, endokrinologische Gewebe wie die Schilddrüse) bevorzugt sichergestellt. Erst bei weiterem Selenmangel werden auch die relevanten Selenoproteine nicht mehr produziert. Verbessert sich die Selenversorgung wieder, werden die bevorzugten Proteine als erste wieder produziert.
Das Selengleichgewicht wird (beim Menschen) nicht über die Selenzufuhr, sondern über die Ausscheidung von Selen (bevorzugt über den Urin) gehalten. Bei hoher Selenversorgung wird also mehr Selen über den Urin ausgeschieden, als bei Selenunterversorgung.
Selen und seine Verbindungen haben im Körper zahlreiche Funktionen. Besonders wichtig ist Selen
- für den Fettstoffwechsels,
- als Antioxidationsmittel,
- als Bestandteil verschiedener Enzyme, u. a. im Schilddrüsenkreislauf (s. u.),
- bei der Synthese von DNA,
- bei Immunreaktionen.
Enzyme sind Proteine, die chemische Reaktionen ermöglichen und beschleunigen, die normalerweise unter den Bedingungen in einer Zelle nicht oder nur sehr langsam stattfinden. Enzyme katalysieren also chemische Reaktionen, ohne selbst dabei verbraucht zu werden (s. Proteine – Motor des Lebens).
Antioxidationsmittel fangen die freien Radikalen (z. B. sehr reaktive Sauerstoff-Verbindungen) im Stoffwechsel ab und entschärfen diese. Im Gegensatz zu Enzymen werden sie dabei „verbraucht“, haben also nur eine beschränkte Wirkkapazität.
Ein hoher Selenbedarf existiert in der Schilddrüse (s. u.), aber auch im Gehirn.
Selen steht mit zahlreichen anderen Vitaminen und Spurenelementen in Wechselwirkung. Mit Vitamin E hat es eine synergistische Wirkung (s. u.). Vitamin B6 ist erforderlich, um Selenomethionin in Selenocystein umzuwandeln. Vitamin B12 ist bei der Methioninsynthese wichtig. Fehlt Vitamin B12 kann bei einer hohen Selenzufuhr nicht ausreichend Selen ausgeschieden werden. Selen und Zink hemmen sich vermutlich gegenseitig in der Aufnahme. Auch andere Metalle konkurrieren bei der Aufnahme im Darm mit Selen oder hemmen selenhaltige Enzyme. Teilweise kann Selen die Wirkung toxischer Metalle reduzieren, dabei steigt jedoch der Selenbedarf.
Selenmangel und -überschuss
Viele Funktionen von Selen wurden durch Fütterungs- und Therapieversuche zum Teil in Verbindung mit Vitamin E ermittelt. Daher ist teilweise unklar, welche Wirkungen auf Selen und welche auf Vitamin E zurückzuführen sind. Da beide Substanzen jedoch in enger Beziehung stehen und sich gegenseitig ergänzen (s. u.), ist eine ausreichende Versorgung mit beiden erforderlich.
Bei Hunden wurde ein ausgesprochener Selenmangel bisher nicht beschrieben. Man nimmt jedoch an, dass häufig ein subklinischer Selenmangel vorliegt, bei dem diffuse, aber keine eindeutigen Symptome auftreten. Geringfügiger Selenmangel kann zum Beispiel zu Unfruchtbarkeit bei Hündinnen führen. Bei Mäusen werden durch Selenmangel chronisch entzündliche Darmerkrankungen gefördert. Auch die Bildung und Funktion der Blutkörperchen (Immunozyten, Lymphozyten, Monozyten und Granulozyten) wird durch Selenmangel reduziert.
Die Samenqualität bei Rüden wird durch Selen verbessert. Eine ausreichende Selenversorgung beschleunigt die Genesung nach Parasitenbefall. Die erfolgreiche Behandlung von Pankreatitis lässt sich teilweise durch Selenzufuhr unterstützen. Möglicherweise ist Selen auch bei der Vorbeugung bestimmter Krebsarten und deren Therapie wirksam.
Sowohl ein Selenüberschuss als auch ein Selenmangel kann zu Haarwachstumsstörungen führen.
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Selen und die Schilddrüse
Selen ist in mehreren Enzymen enthalten, die im Schilddrüsenkreislauf eine Rolle spielen. Der Selengehalt ist daher in der Schilddrüse hoch.
Die Dejodinasen D1 – D3 sind daran beteiligt, den Schilddrüsenhormonen Jod zu entziehen. So wird aus T4 (Thyroxin) T3 (Trijodtyronin) oder rT3 (reverses Trijodtyronin) oder aus T3 wird T2. Die Enzymaktivität ist abhängig von den Umgebungsbedingungen. Bei niedrigem T4-Spiegel steigt die Aktivität der Enzyme, sodass trotzdem noch ausreichend T3 gebildet wird. Auch Entzündungen oder Tumore können die Enzymaktivität steigern.

Über das Enzym Glutathion-Peroxidase (GPx) ist Selen ebenfalls im Schilddrüsenkreislauf eingebunden. Das Enzym wirkt als Antioxidationsmittel und schützt so die Schilddrüse vor aggressiven Stoffwechselprodukten (Wasserstoffperoxid), die bei der Schilddrüsenhormon-Bildung entstehen. GPx ist allerdings auch in anderen Stoffwechselkreisläufen (z. B. Fettstoffwechsel) ein wichtiges Enzym und Antioxidationsmittel. In der Hierarchie der Selenoproteine steht es relativ weit unten und ist dadurch stark abhängig von der Verfügbarkeit von Selen.
Selenmangel kann zur verminderten Bildung von T3 aus T4 führen, sodass sich das Verhältnis T3:T4 reduziert. Allerdings gibt es unterschiedliche Studienergebnisse hierzu, die u. a. von der Dauer des Selenmangels abhängen. Ein Selenmangel kann aber auch wegen Mangel an GPx dazu führen, dass die Schilddrüsenzellen durch freie Radikale (Wasserstoffperoxid) angegriffen werden und so eine SDU entsteht.
Selen und Vitamin E
Vitamin E (Tocopherole) bezeichnet eine Gruppe von Substanzen, die als Antioxidationsmittel wirken, indem sie selbst oxidieren. Sie schützen damit nicht nur das Körpergewebe (z. B. die lipidreichen Membranen), sondern auch bestimmte Substanzen (z. B. ungesättigte Fettsäuren, Vitamin A) vor Oxidation. Außerdem spielt Vitamin E unter anderem eine wichtige Rolle in der Atmungskette (Stoffkreislauf, der den eingeatmeten Sauerstoff verwertet) sowie beim Aufbau langkettiger Fettsäuren. Eine wichtige Rolle hat das Vitamin bei der Erhaltung von Skelett- und Herzmuskulatur.
Der Bedarf an Vitamin E ist u. a. abhängig vom Gehalt ungesättigter Fettsäuren in der Nahrung. Je höher dieser ist, desto mehr Vitamin E wird benötigt.
Ein Mangel ist zunächst unspezifisch, bei starkem Mangel treten zentralnervöse Störungen, Gelbfettkrankheit (Verfärbung des Körperfettes) und Erhöhung der Kreatinphosphokinase im Serum auf.
In seiner Wirkung als Antioxidationsmittel kann Vitamin E durch andere Substanzen ersetzt werden, z. B. durch Selen. Vitamin E und Selen verstärken sich in ihrer jeweiligen Wirkung. Zudem verringert eine ausreichende Vitamin E-Versorgung den Bedarf an Selen. Zusammen haben Vitamin E und Selen eine schützende Wirkung für den Herzmuskel, wirken sich positiv auf den Leberstoffwechsel aus und können ernährungsbedingten Lebernekrosen vorbeugen.
Während ein reiner Selenmangel bei Hunden nicht dokumentiert ist, sind Fälle von kombiniertem Selen- und Vitamin E-Mangel bekannt. So traten in einer Hundezucht mehrfach spontane Welpensterblichkeit auf: Die insgesamt 10 verstorbenen Welpen waren jeweils abends nicht erkennbar krank, aber am nächsten Morgen tot. Als Ursache wurde überlagertes Hundefutter ermittelt, bei dem der Selen- und Vitamin E-Gehalt vermindert war.
Selen und Darmgesundheit
Bei der Ausbildung eines gesunden Darmmikrobioms bei Welpen ist es möglicherweise relevant, ob die Selenzufuhr aus organischem und anorganischem Selen (s. u.) besteht.
Das Darmbiom, also die Anzahl und Arten der vorhandenen Mikroorganismen, wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Im Laufe der Welpen- und Junghundeentwicklung wandelt es sich natürlicherweise mit Alter und Nahrungsaufnahme. Darmerkrankungen, Parasiten und die Nahrungsaufnahme sind auch im späteren Leben wichtige Faktoren, die die Entwicklung und Erhaltung des Darmbioms beeinflussen.
Eine ausreichende Selenversorgung kann auf verschiedene Weise zu einem „guten“ Darmbiom beitragen:
- Da Selen eine wichtige Rolle bei Immunreaktionen spielt, können lokale Entzündungsherde im Darm besser bekämpft werden und die Infektionsgefahr sinkt. Dadurch wird eine für ein gutes Biom erforderliche Umgebung aufrechterhalten.
- Selen hat auch einen direkten Einfluss auf die Zusammensetzung des Bioms, indem es einzelne Mikroorganismen fördert oder hemmt. Einige Studien deuten darauf hin, dass ausreichend Selen dazu beiträgt, die Bakterienvielfalt im Darm zu fördern und die Anzahl nützlicher Bakterien steigt.
Durch ausreichend Selen sinkt somit auch die Gefahr von Durchfällen, was wiederum zu einem stabileren Darmbiom führt. Selen hat zudem eine positive Wirkung auf die Barrierefunktion. Berücksichtigt man, dass häufige Durchfälle in der Junghundezeit die spätere Entstehung von IBD fördern können (s. IBD und Co: Ursachen, Symptome und Folgen), würde eine ausreichende Selenzufuhr bei Welpen auch dazu beitragen, einer spätere IBD vorzubeugen.
Welpen, die mit organischem Selen gefüttert wurden, hatten in ihrem Kot mehr Milchsäurebakterien und weniger E. Coli-Bakterien. Die Milchsäurebakterien können Selen aus dem Nahrungsbrei im Darm aufnehmen und durch Abgabe von Wasserstoffperoxid, Säuren und anderen antimikrobiellen Substanzen das Wachstum krankmachender Bakterien hemmen.
Kurzkettige Fettsäuren sind Energielieferanten für die Darmzellen und können immunmodulierend wirken. Durch anorganisches Selen in der Nahrung werden Mikroorganismen gefördert, die kurzkettige Fettsäuren produzieren. Dennoch waren in einer Studie im Kot von Junghunden, die Futter mit organischem Selen erhielten, mehr kurzkettige Fettsäuren enthalten, als im Kot von Hunden, die anorganisches Selen erhielten.
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Bedarf Selen
Bei Nutztieren (Pflanzenfresser) hat Selen eine enge Dosierungsbreite.
Bei Hunden wurde dagegen bisher weder eine natürliche Selenüberdosierung noch eine Selenmangelversorgung festgestellt. Fleischfresser tolerieren höhere Selenwerte, sodass eine andere Verstoffwechselung und ggf. auch weitere Wirkungen von Selen vermutet werden.
Bei hoher Selenaufnahme wird im Körper von Fleischfressern mehr Selen gespeichert (und somit höhere Blutplasmawerte gemessen) als bei Nutztieren.
In Untersuchungen wird Selen jedoch als ein Spurenelement bewertet, welches ein hohes Risiko zur Unterversorgung hat. Bei selbst zubereitetem Hundefutter ist der Selengehalt in der Regel zu niedrig, wenn Selen nicht extra zugesetzt wird. In einer Untersuchung aus 2016 hatten bei 82 Futterproben 56 % zu niedrige Selengehalte (bezogen auf die damaligen Bedarfswerte). Ein Selenmangel kann subklinisch vorliegen und sich nur unspezifisch äußern.
Aufnahme und Ausscheidung
Die Aufnahme von Selen erfolgt mit der Nahrung. Der Selengehalt ist bei Pflanzen u. a. abhängig vom Selengehalt des Bodens. Dies wirkt sich auch auf den Selengehalt im Fleisch von Nutztieren aus. Bei Nutztieren wird ggf. Selen gezielt zugefüttert.
Selen kann als anorganisches oder organisches Selen aufgenommen und im Körper umgesetzt werden.

In industriellem Trockenfutter wird Selen in der Regel als anorganisches Selen in Form von Natriumselenit (Na2SeO3) zugesetzt. Futteruntersuchungen aus 2018 zeigen, dass die damaligen Bedarfswerte teilweise unterschritten, aber auch überschritten werden. Der Selengehalt war dabei bei Futtern mit Premiumqualität höher als in den unteren Qualitätsstufen. Der Selen-Gehalt in Dosenfutter ist im Vergleich zu Trockenfutter meist höher und kann mehr als doppelt betragen. (Pereira, 2018)
Bei selbst zubereitetem Futter und Dosenfutter liegt Selen vorwiegend als organisches Selen (meist als Selenomethionin) als Bestandteil des verwendeten Fleischs vor.
Selenomethionin ist eine selenhaltige Aminosäure. Sie kann anstelle von Methionin (ebenfalls eine Aminosäure) in Proteine eingebaut werden, ist also ein Analogon zu Methionin.
Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen biologischer Aufnahmefähigkeit, Verfügbarkeit und Aktivität. In der Praxis lässt sich das jedoch nicht immer eindeutig trennen. Zudem werden in den meisten Studien Aufnahmefähigkeit und Verfügbarkeit nicht getrennt betrachtet.

Die Aufnahmefähigkeit beschreibt den Anteil an Selen, der über den Darm aufgenommen werden kann. Nicht aufgenommenes Selen kann allerdings auch biologisch aktiv sein, etwa wenn Darmzellen durch Selen vor oxidativem Stress und so vor Darmkrebs geschützt werden.
Organisches Selen wird aktiv über die Darmbarriere aufgenommen, während anorganisches Selen passiv durch Diffusion ins Körperinnere gelangt. Zunächst vermutete man, dass durch die aktive Aufnahme auch mehr Selen aufgenommen wird und somit ein geringerer Selengehalte im Futters ausgeglichen würde. Bei der Aufnahme aus dem Darm konkurrieren jedoch möglicherweise die selenhaltigen Aminosäuren (Selenocystein, Selenomethionin) mit den selenfreien analogen Aminosäuren Methionin und Cystein.
Die Bioverfügbarkeit gibt den Anteil von Selen an, der biologisch zur Verfügung steht. Dieser Anteil kann von der Aufnahme abweichen, z. B. wenn überschüssiges Selen sofort ausgeschieden wird. Dennoch kann der nicht verfügbare Selenanteil einen Einfluss auf den Körper haben, z. B. wenn beim Umbau der Selenverbindungen zwecks Ausscheidung Schwermetalle gebunden und entfernt werden.
Möglicherweise wird ein erheblicher Anteil des organischen Selens aus Fleisch oder Dosenfutter in den Methioninkreislauf (Einbau in Proteine) eingeschleust, dass anorganische dagegen in den Selenkreislauf. Wird Selenomethionin anstelle von Methionin in Proteine eingebaut, steht Selen zunächst nicht dem aktiven Selenhaushalt zur Verfügung. Erst beim Abbau von Selenomethionin wird dieses in Selenocystein umgewandelt und kann dann in den Selenkreislauf einfließen. Lediglich nicht in Proteinen verwendetes Selenomethionin wird direkt in Selenocystein umgewandelt und steht direkt dem Selenhaushalt zur Verfügung.
Aktives Selen ist der Anteil, der auch tatsächlich in den Bau von Selenoproteinen einfließt.
In Fütterungsversuchen (van Zelst) wurden Dosenfutter und Trockenfutter sowie Versuchsfutter mit niedrigem und adäquatem Selengehalt verglichen. Die Serumblutwerte von Selen unterschieden sich trotz unterschiedlicher Selengehalte nicht wesentlich. Die Werte im Urin waren hingegen bei Trockenfutter, mit einem niedrigeren Selengehalt als im Dosenfutter, höher als beim Dosenfutter. Anorganisches Selen aus Trockenfutter wird also schneller wieder ausgeschieden, während das organische Selen aus dem Dosenfutter länger im Körper verbleibt. Dies zeigte sich auch in einem höheren GPx-Wert bei Hunden mit Dosenfütterung. Im Verhältnis T3:T4 konnte kein signifikanter Unterschied festgestellt werden.

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Verschiedene Untersuchungen deuten darauf hin, dass für die Aufnahmefähigkeit und Verfügbarkeit weniger wichtig ist, ob anorganisches oder organisches Selen vorliegt, sondern wie das Futter verarbeitet wurde. Bei Futter, welches in der Verarbeitung hohen Temperaturen ausgesetzt wurde (Dosenfutter oder gedämpftes Futter), ist die Aufnahmefähigkeit geringer, trotz gleichem Selengehalt vor und nach der Verarbeitung. Obwohl in Dosenfutter Selenmethionin enthalten ist (also organische Selenverbindung) und im Trockenfutter Natriumselenit, ist die biologische Verfügbarkeit im Trockenfutter (in Gärungsversuchen) höher. Vermutlich wird durch die Hitzebehandlung des Dosenfutters die Verfügbarkeit von Selen reduziert. So könnte Selen im Laufe der Hitzebehandlung an Cystein binden, welches schlechter aufgenommen wird.

Zudem scheinen bzgl. der Nutzbarkeit von Selen im Körper auch die weiteren Inhaltsstoffe eine bedeutende Rolle zu spielen. In Laborversuchen zum Aufnahmevermögen hat zum Beispiel Selen aus Dosenfutter eine negative Korrelation zu Rohproteinen, Trockenfutter dagegen eine positive. Bei beiden Futtersorten sank der GPx jedoch mit steigendem Rohproteingehalt. Die Selenaufnahme kann auch durch bestimmte Medikamente (z. B. Kortikoide) reduziert werden. Hohe Fettmengen im Futter erhöhen den Selenbedarf.
Die größte Menge von Selen wird über den Urin ausgeschieden und wird im Verhältnis zu Kreatinin gemessen (Se:Crea). Mit der Ausscheidung über den Urin können Hunde sehr schnell auf wechselnde Selenzufuhr reagieren. Die Ausscheidung über Galle und letztendlich den Kot ist zwar auch möglich, aber die Menge bzw. der Anteil ist unbekannt. In der Leber kann Selen gespeichert werden, sodass der Selengehalt in der Leber hoch ist. Andererseits kann die Leber das gespeicherte Selen in Mangelzeiten abgeben und Defizite ausgleichen. Dies könnte die sehr unterschiedlichen Studienergebnisse der Fütterungsversuche erklären.
Gehalt im Futter und Bedarf
Über den genauen Bedarf an Selen bei erwachsenen Hunden liegen keine ausreichenden Daten vor. Man geht davon aus, dass die Verfügbarkeit von und der Bedarf an Selen ähnlich wie bei Katzen ist. Daher empfiehlt die FEDIAF bis zum Vorliegen weiterer Informationen Selenwerte analog denen bei Katzen (allerdings bezogen auf einen anderen Energiebedarf).
Die Empfehlungen für den Selengehalt in Futtermitteln wurden in den letzten Jahren angepasst. So wurde seitens der FEDIAF z. B. 2019 noch nicht zwischen Nass- und Trockenfutter unterschieden. Die damals gültigen Werte wurden reduziert.
Bezogen auf | 95 kcal/kg0,75 | 110 kcal/kg0,75 |
---|---|---|
100 g Trockensubstanz | ||
Nassfutter | 27 | 23 |
Trockenfutter | 22 | 18 |
1000 kcal metabolische Energie | ||
Nassfutter | 67,5 | 57,5 |
Trockenfutter | 55 | 45 |
MJ metabolische Energie | ||
Nassfutter | 16,1 | 13,7 |
Trockenfutter | 13,1 | 10,8 |
Der niedrigere Energiebedarf gilt eher für ältere, wenig aktive oder kleine Hunde, der höhere für jüngere, aktive und größere Hunde.
Der Maximalwert an Selen in Futter beträgt 56,8 µg/100 g Trockensubstanz. Für organisches Selen gilt eine maximale Ergänzung von 22,73 µg/100 g Trockensubstanz (0,2 mg organisches Selen /kg Komplettfutter mit einem Feuchtegehalt von 12 %).
Pereira et al. erwähnen in ihrer Untersuchung, dass Hunde möglicherweise in Bezug zu den Bedarfswerten eine 22- bis 28-fach höhere Selenaufnahme tolerieren. In Versuchen wirkten erst 0,5 – 1 mg/100 g im Trockenfutter chronisch toxisch.
In ihrer ebenfalls 2018 veröffentlichten Studie verweisen Paulelli et al. dagegen darauf, dass die hohen Selenwerte insbesondere in Dosenfutter, besorgniserregend seien.
Bezogen auf das Gewicht des Hundes gibt Zentek (2022) folgende Werte an:
- 2,5 – 5 µg/kg
- 13 – 16 16 µg/MJ metabolische Energie bzw.
- bzw. 7 µg / MJ umsetzbare Energie bei einem Hund mit 5 kg Gewicht und 13 µg /MJ uE bei einem Hund mit 60 kg,
bzw. bezogen auf das Futter
- 20 – 25 µg/100 g Trockenfutter.
Messung Selen
Werte für Selen im Vollblut existieren so gut wie nicht. Referenzwerte für Selen im Serum sind je nach Quelle unterschiedlich. Am häufigsten wird Forrer zitiert mit 1,90 – 4,31 µmol Se/l. Die meisten anderen genannten Werte liegen dazwischen, der höchste angegebene Wert für den oberen Referenzwert liegt bei 5,14 µmol Se/l. Bei den Referenzwerten von Laboren liegt der obere Referenzbereich für Selen teilweise unterhalb von 4,31 µmol/l.
In einer Umfrage (ab Okt. 18) wurden Selen-Werte ab ca. 3,0 µmol/l von den Laboren und teilweise auch von den Tierärzten als zu hoch eingestuft; im Bereich von 3,5 – 4,0 µmol/l war die Einstufung der Tierärzte teilweise abweichende zu denen der Labore. Bei der Mehrzahl der Antworten war die Höhe der Selenzufuhr nicht bekannt (z. B. weil kein deklariertes Futter verwendet wurde). Bei allen Hunden (Anzahl 7) deren Selenzufuhr sich beim BARFEN an die Bedarfswerte anlehnte oder die Trockenfutter erhielten, wurde der Selengehalt im Serum seitens der Labore als zu hoch eingestuft.

Bemerkenswert ist die Anmerkung eines Teilnehmers: Die Höhe der Substitution durch Forthyron bei einer Schilddrüsenunterfunktion konnte durch Verfütterung von Paranüssen (hoher Selengehalt) reduziert werden.
Die Teilnehmeranzahl der Umfrage ist gering (18), fast alle Antworten stammen von Haltern mit an Schilddrüsenunterfunktion erkrankten Hunden, da der Link zur Umfrage in entsprechenden Online-Medien zu finden war. Der Anteil gebarfter Hunde ist überproportional hoch.
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Hunde mit Tumorerkrankungen oder Leishmaniose haben deutlich niedrigere Selenwerte, wobei die Werte symptomatischer Hunde niedriger waren, als die von symptomfreien Hunden. Auch bei Hunden mit Allergien können geringfügig niedrigere Werte festgestellt werden.
Bei Menschen kann die Selenversorgung indirekt über die Menge an Glutathionperoxidase (GPx) gemessen werden. Bei Hunden gibt es keine so eindeutigen Korrelationen zwischen GPx und Selenversorgung. Zudem ist GPx von vielen Faktoren abhängig, u. a. dem Alter des Hundes: Bei alten Hunden ist der GPx-Wert deutlich höher. Möglicherweise kann GPx jedoch als Langzeitindikator für die Selenversorgung gewertet werden (s. o.: GPx hat keine hohe Hierarchie).
Im Urin kann das Selen-Kreatinin-Verhältnis (Se:Crea) als Biomarker herangezogen werden. Bei knapper Versorgung liegt das Verhältnis bei rd. 4,1 ng/mg.
Die Dejodinase, die im Schilddrüsenkreislauf wirken, können nicht als Biomarker herangezogen werden. Vermutlich zeigen sie einen Selenmangel nur sehr stark verzögert an (s. o.: Schilddrüse wird bevorzugt mit Selen versorgt).
Fazit
Hinsichtlich des genauen Selenbedarfs für Hunde bestehen noch Unsicherheiten. Derzeit werden vergleichsweise die Werte von Katzen herangezogen. Die Werte wurden seitens der FEDIAF 2021 reduziert.
Der Selengehalt in industriellem Hundefutter schwankt stark und ist u. a. auch von der Herkunft abhängig. Dosenfutter enthält meist mehr Selen, allerdings als organisches Selen. Hiervon gelangt nur ein Teil direkt in den Selenkreislauf. Durch die Hitzebehandlung wird die Bioverfügbarkeit reduziert. Die zulässigen Werte für Selen in Nassfutter werden daher von der FEDIAF höher angesetzt.
Für selbstgemachtes Futter geht man davon aus, dass häufig eine subklinische Unterversorgung vorliegt. Der Selengehalt der verwendeten Zutaten kann je nach Herkunft stark unterschiedlich sein, sodass eine genaue Berechnung der Selenzufuhr schwierig ist.
Exakte Referenzwerte von Selen im Blut liegen nicht vor und bilden vermutlich auch nicht den Grad der Selenversorgung ab. Gluthathionperoxidase kann möglicherweise als Langzeitindikator für die Selenversorgung verwendet werden, wird jedoch von vielen Faktoren beeinflusst.
Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Untersuchungen zum Selenbedarf bei Hunden durchgeführt wurden, sind noch viele Fragen offen.
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Quellen (Auszug)
FEDIAF: Nutritional Guidelines, 2021
Paulelli ACC et al.: Risk assessment of 22 chemical elements in dry and canned pet foods. Journal of Consumer Protection and Food Safety. 2018
Pereira AM et al.: Mineral composition of dry dog foods: impact on nutrition and potential toxicity. J. Agric. Food Chem., 2018
Pereira AM et al.: Supplemental selenium source on gut health: insights on fecal microbiome and fermentation products of growing puppies. FEMS Microbiology Ecology, Vol. 96, No. 11, 2020
Van Zelst M: Selenium in dog foods. Ghent University, Dr.-Arbeit, 2015
Van Zelst et al: Selenium Digestibility in Dogs. PLOS ONE | DOI:10.1371/journal.pone.0152709 April 4, 2016
Zentek J, Hrsg, Ernährung des Hundes. 9. Vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2022
Zentrichová V et al.: Selenium and dogs: A systematic Review. Animals 11, 418, 2021
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