Der Thyroxin-Wert ist wichtig bei der Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion und zu deren Abgrenzung von anderen Krankheiten. Doch welche diagnostischen Aussagen, Unterscheidungen und Grenzen bieten die Messwerte T4, fT4 und fT4ED?
Zu Gunsten der Verständlichkeit vereinfacht
Die verfügbaren Thyroxin-Werte
Grundsätzlich wird unterschieden zwischen T4 (genauer: TT4 = totales T4) und freiem T4 (je nach Messmethode: fT4 oder fT4ED).
Der Wert von T4 beinhaltet sowohl die freien Hormone als auch die an Trägerproteine gebundenen Hormone. Der Wert von T4 ist ca. um den Faktor 1.000 höher als der Wert der freien Hormone. T4 hat zwar eine hohe Sensitivität, aber eine geringe Spezifität. Durch T4 können somit gut SDU-kranke Hunde identifiziert werden, aber es werden teilweise auch SDU-gesunde Hunde als krank eingestuft. T4 wird u. a. durch Hormon-Antikörpern, NTI und verschiedenen Medikamenten beeinflusst und daher selten als alleiniges Kriterium zur Diagnose einer SDU herangezogen.
Während das geriatrische Profil (Organprofil) oft nur T4 enthält, beinhaltet das Schilddrüsenprofil bei vielen Laboren sowohl T4 als auch fT4. Als weitere Werte sind im Profil z. B. TSH und Antikörper enthalten.
Zwei Studien untersuchten, wie stark die einzelnen Messwerte sich in ihren diagnostischen Aussagen unterscheiden. Basis war die Überlegung, dass die Analyse von Werte, die in einem engen physiologischen Zusammenhang stehen, keinen zusätzlichen diagnostischen Nutzen bringt. Durch Einflüsse wie Medikamente, Erkrankungen etc. können allerdings die gebundenen und freien Hormone im Körper unterschiedlich stark beeinflusst werden.
Physiologische Änderungen können sich auch auf die Messmethoden und somit die Messwerte unterschiedlich auswirken. Bekannt war, dass durch T4-Antikörper je nach Probenaufbereitung fälschlicherweise zum Teil höhere Werte für Thyroxin gemessen werden. Bekannt war auch, dass sich bei NTI und bei bestimmten Medikamenten (durch Veränderungen in den Bindungsproteinen oder aufgrund von Hormonbindungshemmer) falsche Werte ergeben können. Bisher ging man davon aus, dass bei NTI und Medikamenten der Wert der freien Hormone (insbesondere der fT4ED-Wert) weniger stark beeinflusst wird, als der T4-Wert.
Für die Diagnose der SDU ist es daher wichtig abschätzen zu können, ob und wie stark sich physiologische Vorgänge auf Messwerte auswirken.
Analysemethoden für freie Hormone
Zur Messung der freien Hormone stehen zwei verschiedene Messmethoden zur Verfügung.
Analoge Messungen (hier als fT4 bezeichnet)
In der Analyseflüssigkeit befinden sich T4-Antikörper zur Bindung von freiem T4 aus der Probe und eine definierte Menge markiertes freies T4 (das Analog – daher analoge Messung). Wird die Blutprobe hinzugegeben, konkurrieren das markierte freie T4 und das freie T4 aus der Blutprobe um die Bindungsstellen an den Antikörpern. Aus der Menge des gebundenen markierten fT4 kann die Menge des fT4 in der Blutprobe berechnet werden.
Die Messungen können durch T4-Antikörper falsch erhöht werden (je nach Messmethode auch falsch erniedrigt) und werden durch NTI und verschiedene Medikamente beeinflusst.
Equilibriumsdialyse: fT4ED
Bei dieser Messung ist vor die analoge Messung ein Trennschritt eingeschoben, bei dem aus der Blutprobe (Serum) die freien Hormone separiert werden. Anschließend werden die freien Hormone mit einer analogen Messung bestimmt.
Die Messwerte werden weniger stark von Medikamenten und NTI beeinflusst als bei analogen fT4-Messungen und vermutlich nicht (oder nur minimal) von T4-Antikörpern.
fT4ED-Messungen sind teurer als fT4-Messungen und werden nicht in allen Laboren angeboten.
(Zur höheren Genauigkeit von fT4ED siehe: Messwerte: Fehlertoleranzen und Einfluss auf die Diagnose).
Hunde mit SDU: T4 und fT4
In einer Laborstudie (Rasmussen, 2014) wurden bei 969 Hunden mit SDU und ohne NTI überprüft, ob die T4- und fT4-Werte jeweils die gleiche diagnostische Aussage lieferten. Es wurde also verglichen, ob beide Werte jeweils unterhalb oder oberhalb des entsprechenden unteren Referenzbereichs lagen und nicht.
Lediglich 5,9 % der Werte unterschieden sich in der Einstufung. Man geht davon aus, dass in diesen Fällen entweder T4-Antikörper vorlagen oder eine NTI existierte.
Siehe auch Umfrage: Dr. Florian Zeugswetter.
Die Messung von T4 und fT4 bringt nur in wenigen Fällen diagnostische Vorteile. Bei abweichenden Einstufungen durch die beiden Werte sind weitere Analysen erforderlich.
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Einfluss von NTI auf fT4
Bennaim et al. untersuchten die Hormonwerte von 146 Hunde mit NTI. Rund ein Drittel der Hunde (30,8 %) hatten in den letzten 6 Wochen vor der Blutabnahme Medikamente mit bekannter Auswirkung auf die Schilddrüse erhalten. Die Forscher teilten die Schwere der NTI in die Kategorien leicht, mittel und schwer ein und verglichen die fT4-Werte in den Kategorien. Ein Vergleich mit T4 fand nicht statt.
Ergebnisse
Der fT4-Wert von Hunden mit NTI war niedriger, je schwerer die NTI war.
Zwischen Hunden mit schwerer NTI und solchen mit weniger schwerer NTI (also mit leichter oder mittlerer) war der Unterschied in den fT4-Werten signifikant. Zwischen Hunden mit leichter oder mittlerer NTI gab es jedoch keinen signifikanten Unterschied bei den fT4-Werten.
33,6 % (49) der Hunde hatten fT4-Werte unter dem Referenzbereich, davon 61,2 % (30) sogar im nicht messbaren Bereich.
Hunde, die schilddrüsen-beeinflussende Medikamente erhalten hatten, hatten signifikant niedrigere fT4-Werte.
Die fT4-Werte werden somit ähnlich stark von NTI (und schilddrüsen-beeinflussenden Medikamenten) beeinflusst wie T4. Dieses Ergebnis unterscheidet sich von bisherigen Untersuchungen.
Vergleich T4, fT4 und fT4ED bei NTI
Bennaim et al. untersuchten zudem bei 74 (aus der Gruppe der 146 Hunde), ob es unterschiedliche Einstufen in die Kategorien „unterhalb, innerhalb oder oberhalb“ des Referenzbereichs bei fT4 und fT4ED im Vergleich zu T4 gab.
Von den 74 Hunden mit NTI hatten lediglich 42 T4-Werte (56,8 %) unterhalb des Referenzbereichs, bei fT4 lagen 52,7 % unter dem Referenzbereich. Die ähnliche Einstufung durch T4- und fT4-Werten fand sich auch in den einzelnen Kategorien.
Die fT4ED-Werte lagen auf alle Kategorien bezogen bei 32,8 % unter dem Referenzbereich. Der Anteil der Werte unter dem Referenzbereich war zwar geringer als bei T4 und fT4 – aber dennoch höher, als in bisherigen Untersuchungen. Dies könnte daraus resultieren, dass die aktuelle Studie auch Hunde mit schilddrüsen-beeinflussenden Medikamenten beinhaltet.

Kombinationen von T4 unterhalb des Referenzbereichs und fT4ED innerhalb des Referenzbereichs können also auf eine NTI hindeuten.
Bei einer NTI können alle Thyroxin-Messwerte (T4, fT4, fT4ED) unterhalb des Referenzbereichs liegen, wobei die Wahrscheinlichkeit hierfür mit der Schwere der NTI steigt. Eine Differenzierung NTI / SDU ist dann ohne weitere Untersuchungen / Blutwerte nicht möglich.
Weitere Ergebnisse
Der fT4-Wert war tendenziell niedriger als der fT4ED-Wert, insbesondere bei schwerer NTI. Dies deutet daraufhin, dass analoge Messungen stärker von NTI beeinflusst werden, als die Messungen mit Equilibriumsdialyse.

Es ergaben sich gute Korrelationen zwischen
- T4 und fT4
- fT4 und fT4ED.
Eine etwas geringere Korrelation wurde gefunden für
- T4 und fT4ED.
Insgesamt bestätigte die Untersuchung die Ergebnisse von Rasmussen, dass die parallele Messung von T4 und fT4 kaum einen diagnostischen Nutzen bringt.
Es traten allerdings auch Abweichungen zwischen den Einstufungen auf, wenn T4 im Referenzbereich lag. In einem der Fälle hatte der Hund Phenobarbital innerhalb der letzten 6 Wochen erhalten. Das Medikament ist dafür bekannt, dass es die freien Hormone reduzieren kann.

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Erklärungen, Einschränkungen und Ausblicke
Abweichungen zwischen fT4 und fT4ED bei NTI können viele Ursachen haben. So wirken sich Probenaufbereitung und Verdünnung, die vor der Analyse der freien Hormone erforderlich ist, unterschiedlich stark auf fT4- und fT4ED-Messungen aus. Durch eine Verdünnung werden z. B. die Hormonbindungshemmer reduziert und somit die Bindung an Proteine erhöht. Damit fällt der Anteil freier Hormone in der Probe. Durch die in einem ersten Schritt durchgeführte Separierung der freien Hormonen bei der fT4ED-Analyse könnte dieser Verdünnungseffekt vermindert werden und somit die fT4ED-Werte höher als die fT4-Werte sein.
In den Untersuchungen von Bennaim wurden auch Hunde aufgenommen, die innerhalb der letzten 6 Wochen vor der Blutabnahme schilddrüsen-beeinflussende Medikamente erhielten (ca. 30 %). Diese waren in anderen Untersuchungen ausgeschlossen oder es ist unbekannt, ob und in welchem Umfang Hunde mit NTI eingeschlossen waren. In einer Untersuchung war allerdings ein ähnlich hoher Anteil von Hunden mit NTI enthalten (Mooney, 2008). In dieser Untersuchung lagen weniger als 5 % der mit fT4ED gemessenen Werte für Hunde mit NTI unter dem Referenzbereich.
In den Untersuchungen wurde als Trennlinie zwischen gesund und möglicherweise SDU-krank die untere Grenze des Referenzbereichs herangezogen. Rassebesonderheiten, altersbedingte Schwankungen etc. wurde hierbei nicht berücksichtigt. Vermutlich gelten die Grundaussagen (ähnliche Ergebnisse bei T4 und fT4-Messungen, Beeinflussung der Hormonwerte durch NTI) jedoch auch für Werte innerhalb des Referenzbereichs.
Insgesamt bedarf es noch weiterer Forschung zu den diagnostischen Aussagen der einzelnen Hormonwerten.
Zusammenfassung
Die Messung von T4 und fT4 bringt bei der Diagnose von SDU und der Differenzierung zu eine NTI kaum einen diagnostischen Nutzen.
Besser geeignet ist der fT4ED-Wert, auch wenn dieser ebenfalls durch NTI beeinflusst wird.
Ein T4-Wert im Referenzbereich schließt Einflüsse, die die freien Hormone beeinflussen (z. B. bestimmten Medikamenten) nicht aus. fT4- oder fT4ED-Werte können unterhalb des Referenzbereichs liegen.
Liegt der T4-Wert unter dem Referenzbereich und der fT4-Wert darüber, kann eine NTI vorliegen oder eine SDU mit Beeinflussung des Messwertes durch T4-Antikörper.
(Siehe hierzu auch: Häufige Fragen (FAQ) Schilddrüsen-Antikörper und Autoantikörper bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion).
Liegt der T4-Wert unter dem Referenzbereich und der fT4ED-Wert darüber, liegt vermutlich eher eine NTI als eine SDU vor.
Liegen der T4-Wert und die Werte der freien Hormone unter dem Referenzbereich, schließt das eine NTI nicht aus.
Bei der Diagnose einer SDU ist stets eine mögliche NTI zu berücksichtigen. Daher sind in der Regel eine umfassende Anamnese, Berücksichtigung der Symptome und weiterer Schilddrüsenwerte (wie TSH, Antikörper) und weitere Blutwerte (wie Cortisol, Fructosamin) erforderlich.
Quellen
Bennaim M., Shiel R.E., Helen Evans H., Carmel T. Mooney C.T.: Free thyroxine measurement by analogue immunoassay and equilibrium dialysis in dogs with non-thyroidal illness. Research in Veterinary Science 147, 37–43, 2022
Mooney C.T. et al.: Thyroid hormone abnormalities and outcome in dogs with non-thyroidal illness. Journal of Small Animal Practice, Vol 49, January 2008
Rasmussen, S.H., Andersen, H.H., Kjelgaard-Hansen, M.: Combined assessment of serum free and total T4 in a general clinical setting seemingly has limited potential in improving diagnostic accuracy of thyroid dysfunction in dogs and cats. Vet. Clin. Pathol. 43, 1–3., 2014
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