Ameisen haben in ihrem jeweiligen Ökosystem wichtige Funktionen und sind daher unverzichtbar. Die meisten Ameisenarten sind jedoch in ihrem Bestand bedroht.
Zum leichteren Verständnis vereinfacht
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Informationen auf europäische Waldameisen.
Teil 1: Ameisen: Gemeinsam sind wir stark
Teil 2: Ameisen: Bauern und Förster
Teil 3: der 3-teiligen Artikelreihe
Das Beziehungsgeflecht der Ameisen
Ameisen erfüllen wichtige Funktionen und sind daher unverzichtbarer Teil ihrer jeweiligen Ökosysteme. Sie verzehren Insekten und Aas und verbreiten Pflanzensamen. Ihre Nester tragen zur Bodenverbesserung bei und ziehen zahlreichen Tier- und Pflanzenarten an. Ameisen bewirken so eine hohe Biodiversität (Vielfalt des biologischen Systems).
Nachfolgend sind einige Beispiele für die Wechselbeziehungen der (Wald-)Ameisen und ihrer Umgebung dargestellt.
Die Beziehung zwischen Blattläusen und Ameisen ist im Teil 2 (Hirten) beschrieben.
Ameisengäste
Die Brutpflege der Ameisen und die konstanten Bedingungen im Nest nutzen manche anderen Tiere aus. Ein Waldameisennest bietet z. B. mehr als 150 Insektenarten Unterschlupf. In einem Liter Nestmaterial können bis zu 200 wirbellose Tiere enthalten sein.
Im Idealfall existiert eine Symbiose (Zusammenleben mit gegenseitigem Nutzen) oder zumindest keine gegenseitige Beeinflussung (Symphilie), manchmal sind die Ameisengäste jedoch auch Parasiten. Die Grenzen zwischen den einzelnen Beziehungstypen sind allerdings fließend.
Opfer
Ameisensackkäfer legen ihre Eier auf Ameisenhügel, wo sie von den Ameisen als Baumaterial verwendet werden. Wenn die Käferlarven schlüpfen, ernähren sie sich von Ameiseneiern und -larven. Zudem fressen sie sich auch gegenseitig, so dass eine Vernichtung des Ameisenstaates weitgehend verhindert wird.
Bläulinge sind Schmetterlinge. Ameisenbläulinge sind aufgrund ihrer extremen Spezialisierung stark gefährdet. Sie legen ihre Eier in die Blütenköpfe des Großen Wiesenkopfes. Die Raupen ernähren sich von den Blüten und höhlen diese aus. Nach einigen Häutungen lassen sich die Raupen zu Boden fallen und hoffen, dass eine vorbeikommende Rotgelbe Knotenameise (Myrmica rubra) sie ins Ameisennest transportiert. In ihrem Aussehen gleichen die Raupen einer Ameisenlarve. Die Raupen besitzen zudem Honig- und Honigduftdrüsen, mit deren Produkten sie attraktiv für die Ameisen sind. Zusätzlich scheinen die Raupen einen Duft abzusondern, der die Ameisen besänftigt. Wird die Raupe von der Ameise ins Ameisennest getragen, wird sie von den Ameisen gefüttert, frisst aber auch die Ameisenbrut. Im Nest besänftigt die Raupe die Ameisen weiterhin mit ihren Duftstoffen.
Nach 10 Monaten verpuppt sich die Raupe und verlässt anschließend als Schmetterling das Nest.
Ameisen
Die Übernahme eines Ameisenstaates durch eine Ameisenkönigin einer anderen Art wurde in Teil 1 (Staatsgründung) beschrieben.
Tolerierte Gäste
Manchmal sind in Ameisennestern Larven des Rosenkäfers (Cetonia aurata) zu finden, wo sie sich von pflanzlichem Material ernähren. In der Regel werden sie in diesem Stadium nicht von den Ameisen angegriffen. Sind die Käfer jedoch geschlüpft, müssen sie schnellstmöglich das Nest verlassen, da sie ansonsten von den Ameisen als Beute angegriffen werden.
Kurzflügelkäfer
Die Beziehung zwischen Ameisen und verschiedenen Kurzflügelkäferarten können sehr unterschiedlich sein.
Manche Kurzflügelkäfer ernähren sich lediglich von Abfällen im Nest und helfen so, das Nest sauber zu halten.
Andere Arten beherrschen die Sprache der Ameisen. Sie werden von verteidigt und von Arbeiterinnen gefüttert. Dadurch treten sie in Nahrungskonkurrenz zur Ameisenbrut. Es gibt allerdings auch Kurzflügelkäferarten, die bei nächtlichen Beutezügen im Nest die Ameisenbrut verzehren, der Brut also direkt schaden.
Manche Kurzflügelkäferarten treten als Jagdbegleiter der Ameisen auf. So begleiten sie z. B. sporadisch die Jagdzüge der Ameisen (Wandergäste). Andere, meist im Nest versorgte Käferarten, werden auf dem Kopf oder Rücken der Ameisen zur Jagd mitgetragen.
Samenverbreiter
Manche Pflanzen lassen ihre Samen durch Ameisen transportieren (Myrmekochorie). Dazu besitzen die Samen ein Anhängsel (Elaiosom), das sehr reich an Eiweißen, Zucker, Fett und Vitaminen ist und sich manchmal auch farblich hervorgehoben ist. Für Ameisen ist das Elaiosom eine hochwertige Nahrungsquelle, so dass sie die Samen aufnehmen und transportieren. Wenn das Elaiosom – auf dem Weg zum Nest oder im Nest – verzehrt ist, lassen die Ameisen den Samen fallen. So verbreiten Ameisen mehr als 150 Pflanzenarten im Wald, wie etwa Lerchensporn, Waldanemone, Taubnessel, Ehrenpreis und Schöllkraut. In Nähe von Ameisenkolonien ist dadurch z. B. die Ausbeute von Waldhonig deutlich höher.
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Insektenvernichter, Aasverzehrer
Ameisen verzehren andere Insekten und zum Teil auch größeres Aas. Sie werden daher auch als Waldpolizei bezeichnet.
Eine wichtige Bedeutung kommt ihnen bei der Vernichtung von Schadinsekten zu, wie den Raupen von Eichenprozessionsspinner oder Herbstspanner oder bei einigen Blattlausarten, die von den Ameisen nicht gehegt werden. Die Anzahl der verzehrten Insekten kann dabei je nach Größe des Volkes enorm sein. Ein Volk mit 0,5 – 1 Million Ameisen kann 1 – 2 Millionen Raupen vertilgen.
Bodenverbesserer
Ameisen tragen zur biologischen, chemischen und physikalischen Verbesserung des Bodens in der Umgebung der Nester bei. Durch den Abbau von Laub und Holz werden Nährstoffe freigesetzt und die Humusbildung gefördert. Durch das Nest wird die Bodendurchlüftung verbessert. Der Boden wird durch die Aktivität der Ameisen lockerer und somit wasserdurchlässiger. Die Bodenversauerung wird reduziert: Der pH-Wert steigt um 1 – 2 Einheiten.
Die bessere Bodenqualität sorgt u. a. dafür, dass umstehende Bäume ihre Feinwurzeln in Ameisennester wachsen lassen. Hier finden sie zahlreiche Nährstoffe, Sauerstoff und leicht zugängliches Wasser. Bäume und Sträucher in der Nähe von Ameisennester wachsen daher stärker.
Futterquelle
Der Honigtau von Blattläusen dient nicht nur den Ameisen als Futter, sondern auch Bienen. Durch die gehegten Blattlaus-Kolonien finden Bienen mehr Futter. Der Ertrag von Bienenhonig ist auch deswegen in der Nähe von Ameisennestern deutlich höher.
Ameisen dienen zahlreichen Vögeln (z. B. verschiedenen Spechtarten und Rauhfusshühnern) als Nahrung. Besonders beim synchronisierten Hochzeitsflug sind die dichten Schwärme der Ameisen eine ergiebige Futterquelle. Besonders im Winter sind Ameisenhügel Nahrungsreserven für Spechten, aber auch für Wildschweine, Dachse und Füchsen.
Weitere Fressfeinde der Ameisen sind z. B. Schlupfwespen, Fliegen, Milben.
Manche Vögel lassen sich bewusst von Ameisen bespritzen (Einemsen). Man vermutet, dass die Ameisensäure zum Schutz vor Parasiten dient.
Die größten Feinde der Ameisen sind jedoch andere Ameisen, da sie um ähnliche oder gleiche Nischen im Ökosystem konkurrieren.
Parasiten
Bandwürmer sind Darmparasiten, die einen optimalen Endwirt und einen spezifischen Zwischenwirt benötigen. Noch komplexer ist der Fortpflanzungszyklus der Leberegel, der als weiteren Zwischenwirt Schnecken benötigt.
Eier von Vogel-Bandwürmern werden von den Ameisen aus dem Vogelkot aufgenommen, als Nahrung ins Nest geschleppt und an die Larven verfüttert. In den Ameisenlarven entwickeln sich die Eier zu Bandwurmlarven. Werden die infizierten Ameisen durch Vögel verzehrt, schließt sich der Kreislauf. Infizierte Ameisen unterscheiden sich von gesunden Artgenossinnen häufig durch ihre Farbe.
Die Ameise Temnothorax nylanderi ist der Zwischenwirt für Anomotaenia brevi, dessen Hauptwirt der Specht ist. Der Bandwurm beeinflusst das Verhalten der befallenen Ameisen. Diese verbleiben im Jugendstadium, verbleiben im Nest und werden von ihren Artgenossinnen gefüttert. Ihre Lebenserwartung ist deutlich höher, als die der unbefallenen Artgenossinnen. Andererseits haben die befallenen Ameisen ein geringeres Fluchtverhalten gegenüber dem Specht, so dass das Risiko, bei einer Nestplünderung gefressen zu werden, steigt.
Auch die gesunden Ameisen verändern ihr Verhalten: Ein starker Befall im Nest führt dazu, dass weniger Arbeiterinnen zur Nahrungssuche vorhanden sind und zudem mehr Tiere gefüttert werden müssen. Dies wiederum bedeutet Stress für die gesunden Arbeiterinnen, die im Vergleich zu nicht befallenen Nestern geringere Lebenserwartungen haben. Das Nest wird gegenüber anderen Ameisen weniger gut verteidigt. Man vermutet, dass durch einen anderen Geruch der infizierten Ameisen der einheitliche Nestgeruch gestört ist.
Endwirte der Kleinen Leberegel sind Grasfresser, wie Schafe, Rehe, Ziegen; Zwischenwirte sind Ameisen, meist der Gattung Formica (Waldameisen). Das Verhalten infizierter Ameisen verändert sich: Anstatt abends ins Nest zurückzukehren, beißen sie sich an der Spitze von Grashalmen fest und werden von den Grasfressern, den Endwirten, mitsamt Gras verzehrt.
Die Verhaltensänderung wird durch einzelne Egel (Hirnwürmer) bewirkt, die in den Ameisenkopf wandern und sich dort festsetzen. Die Hirnwürmer führen zum krampfhaften Verbeißen der Ameisen an der Grasspitze.
Bestandsgefährdungen der Ameisen
Ökosysteme sind komplexe Gebilde. Tiere und Pflanzen sind miteinander und ihrer Umwelt eng vernetzt. Verändert sich eine dieser Komponenten, hat das Auswirkungen auf das gesamte System. Je nach Faktor sind die Konsequenzen für das System unterschiedlich stark. Eine Veränderung im Bestand von wichtigen Arten (oder die Veränderung von wesentlichen Umweltfaktoren) kann gravierende Folgen für das Ökosystem haben – bis hin zum Zusammenbruch des Ökosystems.
Fehlen Ameisen oder sind im Bestand stark reduziert, hat dies Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem, z. B.:
- Pflanzen, die auf die Samenverbreitung durch Ameisen angewiesen sind, nehmen ab.
- Insekten, die von den Ameisen profitieren sind gefährdet,
- andere Insekten (z. B. Schadinsekten) können sich stark vermehren.
- Für Tiere, die sich unter anderem von Ameisen ernähren, fällt ein Nahrungsbestandteil weg.
- Die Bodenverbesserung entfällt.
Invasion der Argentinischen Ameise
Die Bedeutung von Ameisen kann man an der Invasion der Argentinischen Ameise erkennen. Die Ameisenart wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in Madeira eingeschleppt und gelangte von dort auf das europäische Festland. Von dort breiteten sie sich entlang des Mittelmeeres aus. Da alle Ameisennester ursprüngliche auf eine Königin zurückgehen, bekämpfen sich die Ameisen der verschiedenen Nester nicht. Somit entstand eine Riesenkolonie, die sich von Spanien über Frankreich bis Italien erstreckt.
Die heimischen Ameisenarten werden sowohl angegriffen, als auch aufgrund der starken Nahrungskonkurrenz reduziert. Inzwischen sind rund 90 % der einheimischen Ameisen in den neuen Siedlungsgebieten der Argentinischen Ameisen verdrängt. Pflanzen, die auf die Verbreitung durch die einheimischen Ameisen angewiesen sind, sind seltener geworden. Tierarten, die deren Nahrungsgrundlage mit den einheimischen Ameisen entfallen oder vermindert ist, verschwanden oder nahmen stark ab. Dagegen nahmen Tierarten, die sich von den einwandernden Ameisen ernähren, stark zu.
Aufgrund des massiven Auftretens der Einwanderer in der Superkolonie können sowohl ihre Beutezüge andere Insekten gefährden, als auch durch die zahlreichen Blattlauskolonien Nutz- und Wildpflanzen gefährdet werden.
Einstufungen in der Roten Liste
In der Roten Liste (Stand für Ameisen: 2011) sind 107 Ameisenarten eingestuft.
(In der Roten Liste ist zusätzlich eine Art aufgeführt, für die keine ausreichenden Daten zur Einstufung vorliegen, so dass die Artenzahl mit 108 angegeben wird).
Von den 107 Arten sind rund
- 34,5 % bereits ausgestorben oder verschollen (1 Art), vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet,
- rund 35,5 % sind gefährdet, stehen auf der Vorwarnliste, sind extrem selten oder es besteht eine Gefährdung unbekannten Ausmaßes.
Insgesamt sind also rd. 71 % der Ameisenarten mehr oder weniger stark gefährdet, ca. 4 % sind extrem selten. Lediglich rd. 26 % der Ameisenarten sind ungefährdet.
Im Vergleich zur vorherigen Einstufung haben sich 22 Arten in der Einstufung verschlechtert, 17 Arten verbessert, bei 64 Arten war keine Umstufung erforderlich. Tendenziell ergibt sich für den Ameisenbestand somit eine Verschlechterung.
(Für 17 Arten ist kein Vergleich mit der vorherigen Liste möglich).
In der Gattung der Waldameisen sind 22 Arten gelistet. Davon sind 27 % vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet. 32 % sind bestandsgefährdet oder in der Vorwarnliste aufgenommen. Waldameisen zählen daher zu den besonders geschützten Arten.
Gefährdungen durch den Menschen
Der Mensch gefährdet den Bestand der Ameisen nicht nur indirekt durch den Klimawandel, sondern auch direkt durch seine zahlreichen Eingriffe in die Natur:
- Verlust von Lebensräumen, z. B. durch Bebauung, Versieglung, Weinbau, Aufforstung von Grasland,
- Veränderung von Lebensräumen, z. B. durch hohen Stickstoffeintrag, industrielle Landwirtschaft, Reduzierung von Wanderweidewirtschaft,
- Wegfall von Nahrungsgrundlagen und anderen Lebensgrundlagen, z. B. durch Ausräumen von Totholz aus Wäldern, Vermeiden von Aas, Bekämpfung von (Schad-)Insekten,
- gezielte Bekämpfung von Ameisen,
- bewusstes oder unbewusstes Beschädigen oder Zerstören von Nestern.
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Quellen (Auszug)
Parasitärer Bandwurm beeinflusst auch Verhalten und Lebensdauer von nicht befallenen Nestgenossen einer Ameisenkolonie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, 2015
by naseweisbz.net