Der Bestand an Vögeln und Vogelarten, insbesondere von Zug- und Seevögel (*), nimmt rapide ab. Die Ursachen sind komplex, letztendlich aber auf menschliche Eingriffe in die Natur zurückzuführen. Der folgende Text gibt einen kurzen Überblick über wichtige Ursachen und Hintergründe.
Rachel Carlson warnte 1962 in ihrem Buch „Der Stumme Frühling“ vor den Gefahren durch Pestizide, unter anderem DDT. Sie weist darauf hin, dass der Weißkopfseeadler an der Spitze der Nahrungskette vermehrt DDT aufnimmt, was wiederum bewirkt, dass die Eierschalen dünner werden. Letztendlich führte das Buch zu einem nahezu weltweiten DDT-Verbot. Regulär zulässig ist es lediglich kleinräumig zur Seuchenbekämpfung. Nach wie vor findet sich DDT in der Umwelt und lagert sich z. B. am Plastikmüll in den Meeren an.
Das derzeitige Vogelsterben hat viele Ursachen und ist daher sehr viel komplexer als zu Carlsons Zeiten. Gleichzeitig ist es aber auch sehr viel bedrohlicher, da es sich in eine Reihe anderer massiver menschengemachter Umweltschäden einreiht.
(*) Im Folgenden sind unter Zugvögel auch immer Seevögel mit gemeint. Einzelne Aussagen zu Winterquartieren treffen nicht oder nur im analogen Sinn auf Seevögel zu.
Physiologisch sind die Zugvögel optimal auf ihre weite Reise und die unterschiedlichen Lebensräume eingestellt. Das setzt einige besondere „Lösungen“ voraus. So fressen sich die Zugvögel vor dem Vogelzug ein Fettpolster an. Während des Flugs wird nicht nur das Fett abgebaut, sondern auch mehr oder weniger alle nicht unbedingt benötigten Organe.
Viele Fakten rund um den Vogelzug sind noch ungeklärt, etwa im physiologischen Bereich und in Bezug auf das Navigationsvermögen. Auch hinsichtlich konkreter Zugrouten, eventueller Rastplätze und Winterquartiere, insbesondere von sehr kleinen Vögeln, bestehen große Wissenslücken.
Zugvögel sind auf gute Bedingungen in beiden Quartieren, in den Rastplätzen und während des Flugs angewiesen. Im Laufe der Evolution hat sich ein Optimum für die Vögel genetisch fixiert, welches die Risiken im Winter- und Sommerquartier sowie während des Flugs minimiert. Für den einzelnen Vogel stellt das Globetrotter-Leben zwar eine große Gefahr dar. Die einzelnen Arten sind jedoch gut angepasst und können Verluste gut ausgleichen. Zumindest bisher.

Zu den natürlichen Gefahren kommen zunehmend neue, durch den Menschen verursachte, hinzu, an die sich die Vögel in der relativ kurzen Zeit nicht anpassen konnten. Hierzu zählen z. B.
- landschaftliche Veränderungen
- Insektenschwund
- Schadstoffe
- Lichtverschmutzung
- Vogelfang
- invasive Arten
- Klimawandel
- sonstiges, wie z. B. Kollisionen mit Autos, Störungen in Brutgebieten.
Die Gefahren sind miteinander verzahnt und beeinflussen sich gegenseitig. Zum Teil führen sie unmittelbar zum Tod von Vögeln (direkte Wirkungen), zum Teil schwächen sie lediglich die Vögel und reduzieren etwa den Bruterfolg oder die Chance, den Vogelzug ohne Nachwirkungen zu beenden (indirekte Wirkungen).

All dies hat dazu geführt, dass innerhalb von ca. 15 Jahren der Bestand an Zugvögel im Schnitt um 30 % zurückgegangen ist. Bei manchen Arten ist der Rückgang deutlich höher, bei einigen weniger drastisch. Einige Arten profitieren sogar von den Veränderungen.
Der stärksten Bedrohung sind Seevögel ausgesetzt: 30 % sind vom Aussterben bedroht. Seevögel leben in der Luft über den Meeren. Lediglich zum Brüten suchen sie Land, häufig kleine Inseln, auf. Sehr vieles im Lebenszyklus der Seevögel ist noch unbekannt.
Zug- und Seevögel verdeutlichen nicht nur, wie wenig wir bisher über die Lebensbedingungen auf unserem Planten wissen, sondern auch, wie stark vernetzt die Ökosysteme sind. Um Zug- und Seevögel zu schützen, sind meist einzelne Aktionen in begrenzten Gebieten nicht ausreichend. Und nicht selten, führen einzelne gut gemeinte Maßnahmen dazu, dass andere Probleme auftreten.
Landschaftliche Veränderungen
Veränderungen der Landschaft finden sich sowohl im Winter- als auch im Sommerquartier als auch auf der Wanderstrecke.
Veränderungen können viele Ursachen und viele Ausprägungen haben:
- Abholzung von Wäldern,
- Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzfläche
- Bebauung
- Trockenlegung, Flutung
- etc.
Mit der Veränderungen schwinden Nahrungsoptionen, Brut- und Rastplätze. Die Konkurrenz um vorhandene Ressourcen steigt. Der Bruterfolg sinkt. Nachwuchs sowie Eltern können sich ggf. nicht ausreichend Reserven für den Flug zulegen. So sind Zugvögel vor dem Vogelzug und auf Rastplätzen auf besonders energiereiche Nahrung angewiesen. Ist diese durch Veränderungen reduziert oder gar verschwunden, sind die Chancen, das Ziel zu erreichen, reduziert. Jungvögel brauchen zum Teil besondere Umgebungsbedingungen, die es ihnen ermöglichen, selbstständig Nahrung zu suchen, andererseits aber auch sehr schnell Deckung zu erreichen. Das können zum Beispiel Büsche und Waldränder sein. Fehlen diese in den Brutgebieten, reichen die Fettreserven der Jungvögel oft nicht für den Flug aus.
Durch den Carry Over Effekt (Übertragung auf die nächste Phase) bleiben diese Nachteile nicht nur auf ein Gebiet (etwa das Brutgebiet) beschränkt, sondern führen sich auf der Reise und im nächsten Gebiet fort. So starten etwa Vögel später, bis sie sich ausreichend Reserven zugelegt haben. Dadurch verpassen sie den optimalen Zeitpunkt, um an Rastplätzen Nahrung aufzunehmen. Am Zielort (etwa dem Winterquartier) sind die günstigen Ruheplätze bereits vergeben. Die Vögel müssen auf Randgebiete ausweichen, die wiederum schlechtere Nahrungsbedingungen bieten. Das macht sich auf den Startzeitpunkt in die Brutgebiete bemerkbar.
Oft sind sowohl die Reiseroute, die Zwischenstopps und die Ziele sehr eng genetisch fixiert (starke Konnektivität zwischen den Quartieren). Ein Ausweichen, auf einen Platz, der nur wenige Kilometer entfernt ist, ist dann nicht möglich. Sind Gebiete also nicht mehr als Lebens- oder Rastplätze für eine Vogelart geeignet, sterben diese Vögel aus.
Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Naturwissenschaft

In einer 2024 veröffentlichten Studie (Peschko, 2024) zeigt sich, dass Trottellummen (eine Seevogelart) Offshore-Windkraft-Anlagen weiträumig meiden. Bei den geplanten Ausbauplänen der Offshore Anlagen würden ca. 68 % der deutschen Trottellummen ihren Lebensraum verlieren. Auch der Schiffsverkehr, der rund um die Anlagen höher ist, wird von den Lummen als störend empfunden.
Der Einfluss von Offshore Anlagen auf andere Seevögel ist teilweise noch nicht ausreichend erforscht. Sicher ist, dass das Ökosystem durch Offshore Anlagen verändert wird. Ob und wann eine Gewöhnung an die Anlagen möglich ist, ist noch unbekannt. Für einige Arten könnten die Veränderungen jedoch auch positive Effekte haben.
Insektenschwund
Weltweit nehmen Insektenarten und -populationsstärken ab. Der dramatische Rückgang wird zum Teil mit 80 % angegeben.
Mit weniger Insekten wird das Füttern der Brut sowie der Aufbau ausreichender Fettreserven schwieriger und energieintensiver. Indirekt kann sich der Insektenschwund durch eine Abnahme von Früchten – und somit reduzierter Nahrung – auswirken.
Der Rückgang der Insekten steht in engem Zusammenhang mit Veränderungen der Landschaft, Schadstoffen in der Umwelt und dem Klimawandel.
Umweltverschmutzung, Schadstoffe
Der Begriff „Schadstoffe“ wird hier übergreifend verstanden und beinhaltet sowohl chemische Substanzen als auch z. B. Plastikmüll.

Zugvögel müssen vor dem Flug oder auf Rastplätzen während des Flugs sehr schnell Gewicht zulegen. Häufig ist dabei die Nahrungsquelle auf besonders fettreiche Kost fokussiert. Das aufgenommene Futter wird mehr oder weniger direkt in Fettreserven angelegt. Während des Flugs wird das Fett als Energieträger abgebaut. Fettlösliche Schadstoffe sind daher für Zugvögel besonders kritisch. Zum einen werden diese Schadstoffe vermehrt mit der fettreichen Nahrung aufgenommen, zum anderen werden die Schadstoffe während des Flugs mit dem Fettabbau reaktiviert.
Die Quecksilberbelastung in der Umwelt ist drastisch angestiegen. Das BfR warnt 2023 daher vor übermäßigem Fischverzehr. Über die Nahrungskette reichert sich Quecksilber an und ist insbesondere für langlebige fleisch- und insektenverzehrende Vögel kritisch. Bei Flussseeschwalben nimmt die Quecksilberbelastung im Laufe ihres Lebens zu. Die Gelegegröße ist negativ mit der Quecksilberbelastung der Hennen verbunden. Auswirkungen auf die Population wurden noch nicht untersucht.
Für Seevögel stellt der Plastik- und sonstige Müll auf den Meeren eine weitere Gefahr dar. Nicht nur dass sie sich auf dem Meer z. B. in ausgedienten Fischernetzen verheddern und ertrinken oder verhungern können. Oft werden diese Materialien auch zum Nestbau verwendet und stellen für die Brut eine Gefahr dar (Jungvögel verheddern sich in den Netzen).
Licht- und Lärmverschmutzung
Licht- und Lärmverschmutzung sind spezielle, nicht stoffliche, Umwelt-Verschmutzungen.
Zugvögel reisen häufig nachts. Das bietet den Vorteil, dass es weniger heiß ist und somit Körperwasser gespart werden kann.
Die Orientierung erfolgt unter anderem an Sternenbildern. Die Wahrnehmung kann durch die Lichtverschmutzung gestört sein.
Lichtschimmer wirken anziehend, weil sie z. B. Rastplätze markieren. In Städten gibt es jedoch in der Regel keine geeignete Rastplätze mit Nahrungsmöglichkeiten. Das Licht verführt die Vögel also dazu, am falschen Rastplatz anzuhalten.
Die zunehmende Lichtverschmutzung führt noch zu einem weiteren Problem: Ebenso wenig wie Nachtfalter können die Zugvögel sich den Lichtglocken entziehen. Sie schwirren in diesen solange umher, bis sie erschöpft zu Boden fallen. Gleichzeitig steigt das Risiko, dass sie mit Glasfassaden kollidieren und dadurch zu Tode kommen. Im günstigsten Fall überleben sie die Nacht und können am nächsten Tag weiter ziehen. Die Vögel haben jedoch, sofern sie nicht direkt getötet wurden, viel Energie verschwendet und ihre Kondition reduziert.
Geraten Vögel in Lichtglocken über Raffinerien oder Bohrtürmen, können sie zusätzlich mit Schadstoffen belastet werden.

Die Verständigung zwischen den Vögeln erfolgt nachts oft über Rufe. Menschlicher Lärm kann die Rufe stören. Belastend ist Lärm an Rastplätzen, da diese gemieden werden oder die Sicherheit zur (im wahrsten Sinne des Wortes) ruhigen Nahrungssuche fehlt.
Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Naturwissenschaft
Vogelfang
Wenn europäische Vögel nach Afrika reisen, müssen sie entweder über das Mittelmeer oder an diesem vorbei fliegen. Die westliche Route führt über die Straße von Gibraltar, die östliche über Griechenland und die Türkei.
Auf allen Routen laufen die Vögel Gefahr, durch Vogelfänger gefangen und getötet zu werden. Genaue Zahlen über den Vogelfang am Mittelmeer gibt es nicht. Es wird geschätzt, dass jährlich rund 30 Millionen Zugvögel dem illegalen Vogelfang rund ums Mittelmeer zum Opfer fallen.
Vogelfang ist in den EU-Staaten reglementiert bzw. seit einem Gerichtsurteil mehr oder weniger verboten. Frankreich versucht immer wieder, die Einschränkungen des Vogelfangs zu lockern. In Italien wurden die Anstrengungen zum Vogelschutz mit der neuen Regierung bereits reduziert. Mit nicht europäischen Anrainerstaaten bestehen teilweise Abkommen, die den Vogelfang jedoch nicht wirklich verhindern.
Wilderer gibt es in allen EU-Staaten das ganze Jahr über. Gefangene Vögel werden nicht nur verzehrt, sondern auch als Stubenvögel gehalten. Die Überlebensdauer der Vögel ist aufgrund nicht artgerechter Haltung meist sehr gering.
Im Österreichischen Salzkammergut ist der herbstliche Singvogelfang legal und in der UNESCO Liste als Weltkulturerbe aufgeführt. Singvögel werden hier mittels Lockvögeln eingefangen, an den Menschen gewöhnt und ausgestellt. Nach der Ausstellung verbringen die Vögel den Winter in Volieren und werden im nächsten Frühjahr freigelassen. Lockvögel werden in der Regel allerdings nicht in die Freiheit entlassen, können aber ein hohes Alter in Gefangenschaft erreichen.
CABS (Komitee gegen den Vogelmord e. V. / Committee Against Bird Slaughter) stellt auf der Homepage umfangreiche Informationen zum Vogelfang zusammen. Downloads finden sich z. B unter Infomaterial.
Invasive Arten
Durch den Menschen eingeschleppte Arten, wie z. B. Waschbären, plündern Vogelnester. Zusätzlich werden Vögel durch Hauskatzen getötet. Möglicherweise wären diese Verluste bei ansonsten intakten Umgebungsbedingungen in der Population noch auszugleichen.

Kritisch werden invasive Arten aber auf jeden Fall für Seevögel: Auf vielen der Brutinseln wurden durch den Menschen Ratten, Mäuse, Katzen und teilweise weitere Räuber eingeschleppt. Von Ratten wird berichtet, dass diese die brütenden Vögel quasi skalpieren und sich in deren Gehirn fressen (Weidensaul, 2022). Auf zahlreichen Inseln wurden daher umfangreiche Säuberungsaktionen durchgeführt. Im Ergebnis zeigt sich meist sehr schnell ein Bruterfolg und ein Anstieg der Population.
Allerdings hat man offensichtlich die Mäuse zu wenig berücksichtigt. Man geht davon aus, dass Mäuse inzwischen für 22 Seevogelarten eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Wenn die Mäuse sich aufgrund mangelnder Räuber (Ratten und Katzen) stark vermehren können und ihre natürlichen Beutetiere ausgerottet haben, stellen sie ihre Ernährung auf Seevögel um.
Auf den ansonsten räuberfreien Gough Island vertilgen Mäuse jährlich schätzungsweise 2 Millionen Eier und Küken. Auf Marion Island attackierten Mäuse 12 Jahre nach Ausrottung der Katzen zum ersten Mal Seevögel. Inzwischen töten Mäuse dort regelmäßig sowohl Küken als auch erwachsene Vögel.
Angriffe von Mäusen auf Küken sind auf den Inseln des Midway Atolls bereits seit den 1970 Jahren bekannt. Da die Jungvögel sich kaum wehren und die Mäuse sie nicht unmittelbar töten können, werden sie bei lebendigem Leib aufgefressen. Berichte von Angriffen auf erwachsene Seevögel folgten erst ab 2015, 19 Jahre nachdem die Ratten auf den Inseln ausgerottet wurden. Es wurden 42 Laysan- und Schwarzfußalbatrosse durch Mäuse getötet, im Folgejahr sogar 242. Zudem wurden im ersten Reportjahr 480 Albatrosse verwundet, im nächsten bereits 1218. Auch die erwachsenen Vögel wehren sich kaum, sondern bleiben zum Schutz der Eier auf diesen sitzen. Bilder verletzter Vögel (z. B. Connan, 2024) zeigen Verletzungen an den Flügeln (Ellbogen), aber auch auf dem Rücken. Unklar ist, ob die Vögel sterben, weil sie nicht mehr fliegen können oder weil sich die Wunden infiziert haben.
Zwar sind die Verletzungen zum Teil nur zu sehen, wenn die Vögel die Flügel ausbreiten, dennoch ist es unwahrscheinlich, dass die Verletzungen bei bisherigen Beobachtungen übersehen wurden. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass die Mäuse ein neues Beuteverhalten erlernt haben.
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass der Mensch bei seinen „regulatorischen Eingriffen“ nicht selten Aspekte übersieht.
Der Midway Atoll liegt am Rande des Pazifischen Müllstrudels, der zusätzlich eine Gefahr für die Seevögel darstellt.
Klimawandel
Der Klimawandel führt zu etlichen der vorab schon erwähnten Problemen, wie etwa Insektenschwund (bzw. Veränderung der Population an bestimmten Orten), Änderung von Vegetation und Landschaft (u. a. durch Fluten und Brände), Ausbreitung invasiver Arten etc.
Für die Zugvögel bringt der Klimawandel jedoch mindestens zwei weitere Probleme:
- Dissonanz zwischen Zugzeiten und Umweltbedingungen,
- geänderte Wetterphänomene auf den Zugrouten.
Für Zugvögel ist der richtige Zeitpunkt für den Flug und die Ankunft in den Rast-, Brut- und Überwinterungsgebieten relevant. Nur bei gutem Timing ist die Chance groß, dass die Flugbedingungen nicht extrem ungünstig sind, ausreichend Futter an den Rastplätzen vorhanden ist, gute Nistplätze gefunden werden etc.
Die Vegetationsperioden in den Brutgebieten verschieben sich jedoch kontinuierlich früher ins Jahr hinein. Mit der Vegetation wachsen und gedeihen auch die Insekten. Raupen – ein bevorzugtes Futter für Jungvögel – haben ihr Populationsmaximum an die früheren Vegetationsperioden angepasst. Den Zugvögel gelingt eine Adaption an die geänderten Zeiten nur sehr beschränkt. Der Zeitpunkt des Vogelflugs ist genetisch festgelegt und kann oft nur in geringem Umfang variiert werden. Dadurch geraten die Zugvögel mit der Brut und somit dem Füttern der Jungvögel immer weiter hinter das Maximum der Raupenpopulation. Die Elterntiere haben einen höheren Aufwand bei der Futtersuche, die Aufzucht der Brut erfordert mehr Energie.

Zusätzlich haben die Zugvögel hinsichtlich der Nistplätzen zunehmend Nachteile gegenüber den Standvögeln. Letztere passen sich an die veränderten Vegetationsperioden an. Bevor die Zugvögel ins Brutgebiet zurücklehren, haben die Standvögel sich bereits an den besten Plätze niedergelassen und verteidigen diese heftig und oft erfolgreich.
Durch den Klimawandel treten häufiger stärkere Wettereignisse (Stürme, Regen, Dürren) auf. Dadurch wird der Vogelflug stark beeinflusst. Stürme erfordern etwa viel Kraft und bringen die Gefahr mit sich, dass die Vögel die Zugroute verlassen. Die Umwege kosten zusätzlich Kraft. Beim Vogelzug werden häufig Windströmungen ausgenutzt, um energiesparend Fliegen zu können. Sind diese Strömungen nicht vorhanden, nicht stark genug oder sogar umgekehrt, erfordert auch dies zusätzliche Kraft.
Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Naturwissenschaft
Vogelschutz
Vogelschutz ist– ebenso wie der Klima- und Umweltschutz – ein globales Thema. Nur wenn sich alle Staaten dessen bewusst und bereit sind, in die Zukunft zu investieren, sind effektive Maßnahmen möglich.
Manchmal können Schutzmaßnahmen in einer Kategorie (etwa Klimaschutz) den Zielen des Vogelschutzes widersprechen. Gravierende Folgen lassen sich dann – wenn überhaupt – nur durch global abgestimmte Kompensationsmaßnahmen verhindern.
Manche Maßnahmen zum Vogelschutz sind relativ einfach umzusetzen. So werden in Amerika in einigen Städten, die auf Zugrouten liegen, zum Hauptzugzeitpunkt die Lichter reduziert. Die Gedenkveranstaltung zu den Anschlägen auf die Twin Towers „Tribune in Light“ findet in der Hauptzugsaison statt und liegt auf einer zentralen Zugroute. Wenn sich zu viele Vögel in den Strahlen sammeln und nicht herausfinden, werden die Lichtstrahlen für einige Zeit ausgeschaltet.
Den Vogelfang grundsätzlich zu verbieten, wäre ebenfalls eine relativ einfache Angelegenheit. Effektiv wirksam werden neue und bestehende Verbote allerdings nur durch enge Kontrollen. Die Erfahrungen zeigen, dass es hier oft sowohl am Willen also auch an Kapazitäten fehlt.
Großangelegte lokale Aktivitäten, wie z. B. das Räumen von Inseln, der Erhalt wichtiger Rastplätze und ähnliches, sind oft kostenintensiv oder widersprechen wirtschaftlichen Zielen. Ob die Säuberungen der Inseln oder der Erhalt von fragmentierten Rastgebieten langfristig zum erfolgreichen Vogelschutz beitragen, bleibt abzuwarten.
Kleinere lokale Aktionen, wie Vogelfütterung, Aufstellen von Brutkästen und ähnliches, können hilfreiche Faktoren zum Vogelschutz sein.
Letztendlich sind aber globale und koordinierte Maßnahmen erforderlich, um die Globetrotter unter den Vögeln effektiv zu schützen.
Lesetipp:
Scott Weidensaul: Auf Schwingen um die Welt. Hanserblau 2021, ISBN 978-3-446-27312-2; 2022
Das Buch schildert plastisch die Gefahren, denen Zug- und Seevögel ausgesetzt sind
Josef H. Reichholf: Ornis – Das Leben der Vögel. Ullstein 2016, ISBN 978-3-548-37606-6
Lloyd Scott: Tackling the med massacre, 2023
Prof. Dr. Franz Bairlein: Lichtverschmutzung – Das Ende der Nacht, LBV, 2015
Studien – Auszug
Connan, M et al.: First evidence of mouse predation killing adult great albatrosses. Biol Invasions (2024) 26:25–31, https://doi.org/10.1007/s10530-023-03177-2
Nemes, CE et al.: More than mortality: Consequences of human activity on migrating birds extend beyond direct mortality. Ornithological Applications, 2023, 125, 1–21, https://doi.org/10.1093/ornithapp/duad020
Peschko V et al.: Cumulative effects of offshore wind farms on common guillemots (Uria aalge) in the southern North Sea ‑ climate versus biodiversity? Biodiversity and Conservation (2024) 33:949–970, https://doi.org/10.1007/s10531-023-02759-9
Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Naturwissenschaft
naseweisbz.net