Die Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion beim Hund kann manchmal einfach sein. Oft stellt sie aber Probleme dar. Was sollte man zur Diagnose wissen?
Zur Verständlichkeit extrem vereinfacht.
Einfacher Fall: Klassische SDU (Schilddrüsenunterfunktion)
Im einfachen Fall hat der Hund deutliche typische klinische Symptome und der T4-Wert ist weit unterhalb des Referenzbereiches.
Der TSH ist „im Idealfall“ deutlich erhöht, ebenso wie Cholesterin.
Weitere Erkrankungen liegen nicht vor.
Die Diagnose SDU ist in diesem Fall ziemlich eindeutig. Allerdings ist in diesem Fall die SDU meist schon weit fortgeschritten und lange Zeit unbemerkt und symptomlos geblieben oder Symptome wurden nicht wahrgenommen oder falsch interpretiert.

Schwieriger Fall: „Subklinische“ SDU
Schwieriger wird es, eine sogenannte „subklinische“ SDU zu diagnostizieren.
Symptome: Schilddrüse und Verhalten
Subklinisch bedeutet eigentlich „ohne Symptome“ und trifft nur auf die allerersten Anfangsstadien einer SDU zu. Ob in diesem Stadium (sofern die SDU eindeutig diagnostiziert wird) substituiert werden soll, ist heftig umstritten. Nicht alle Hunde, die sich in diesem Stadium befinden, entwickeln ohne Behandlung auch eine SDU.
(Beschreibung der Stadien einer SDU siehe Schilddrüsenunterfunktion (SDU) beim Hund).
Im Normalfall ist mit „subklinisch“ aber eine SDU in einem weiter fortgeschrittenen Stadium gemeint, in welchem untypische Symptome – oft im Verhaltensbereich – auftreten. Daher ist die Bezeichnung „beginnende SDU“ zutreffender. Das einzig typische für diese Stadien ist, dass die SD-Werte noch nicht wirklich niedrig sind. Auch für diese Stadien ist eine Substitution umstritten.
Symptome müssen nicht erkennbar sein – und wenn sie erkennbar sind, sind sie stark individuell ausgeprägt. Und vor allem: untypisch. Das heißt, dass
- der einzelne Hund je nach seinem individuellen Stoffwechselgeschehen spezifische Symptome zeigen kann – es aber keine „typischen“ Symptome gibt.
- die erkennbaren Symptome auf alles Mögliche hindeuten können: andere Erkrankungen, Schmerzen, Über- oder Unterforderung, für den individuellen Hund ungeeignete Haltungsbedingungen, Mangel an Spuren- und Mengenelementen und vieles mehr.
Das heißt aber auch: „Typische“ Verhaltensprobleme bei einer beginnenden SDU gibt es nicht. Es gibt Hunde, die keine Verhaltensprobleme haben – außer im fortgeschrittenen Stadium „müde, träge, faul“.
Für die häufig genannten Verhaltensprobleme wie „spontane“ Reaktionen (etwa unberechenbares Agieren inklusive spontane Aggression), „Tunnelblick“ und so weiter gilt: All diese Verhaltensweisen können andere Ursachen haben. Sie können aber auch aus einer beginnende SDU resultieren.
Die magischen 8 Schilddrüsen-Werte
In Internet-Gruppen werden zur Diagnose einer subklinische SDU die „8 SD-Werte“ als zwingend erforderlich angesehen. Die Interpretation der Wert im Internet ist sehr eigenwillig:
- T4, fT4: In der Nähe des unteren Referenzbereiches: Hinweis auf eine SDU
- T3, fT3: In der Nähe des unteren Referenzbereiches: Hinweis auf eine SDU
- TSH: über 0,1 ng/ml (unabhängig vom Referenzbereich, der i. d. R. bei ca. 0,5 / 0,6 liegt): Hinweis auf eine SDU
- TAK: größer Null: Hinweis auf eine SDU – unabhängig vom Messwert
- TH-AK (T3- T4-AK): größer Null: Hinweis auf eine SDU – obwohl der Messwertbereich erst bei 10 bzw. 20 % beginnt.
Ist irgendeiner dieser Werte auffällig, ist somit eine SDU – nach Internet-Interpretation – wahrscheinlich und unbedingt ein Verhaltenstherapeut (von denen aber – nach Internet-Erkenntnis – nur wenige in der Lage sind, Werte zu interpretieren) zu kontaktieren.
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Stimmt das so?
Die Interpretation im Internet ist, wie gesagt, sehr eigenwillig.
Je mehr Werte man analysiert, desto wahrscheinlicher ist es, dass irgendein Wert mal oder dauerhaft daneben liegt – ohne das eine Erkrankung vorliegt. Letztendlich kann mit der Internet-Interpretation nahezu jeder Hund als SDU-verdächtig eingestuft werden.
Hormonwerte sind immer Momentaufnahmen. Am Nachmittag oder 3 Monate später können sie komplett anders aussehen.
Die Schilddrüsen-Hormonwerte werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst und sind daher – selbst wenn sie über mehrere Messungen hinaus konstant sind – immer im gesamten Kontext zu interpretieren.
Die genauste T4-Analyse ist derzeit über fT4ED möglich. Die Interpretations-Unterschiede zwischen T4 und fT4 bei den regulär angebotenen Messungen sind minimal (siehe Diagnose: Was sagen T4, fT4 oder fT4ED aus?).
T3 ist kein Indikator für eine Schilddrüsenunterfunktion, sondern – wenn niedrig – für eine NTI.
TSH gibt nur dann Auskunft über eine vorliegende SDU, wenn es erhöht ist. Ein Wert „> 0,1 ng/ml“ ist nicht erhöht und tritt im Laufe des normalen SD-Geschehens häufiger auf (auch höhere Werte).
TAK (Thyreoglobulin-Antikörper) können auf eine SDU hindeuten, müssen es aber nicht. Heißt: Hunde mit vorhandenen TAK können im Laufe der Zeit eine SDU entwickeln – oder auch nicht.
TH-AK (Schilddrüsenhormon-Antikörper: Antikörper gegen T4 und T3) unterhalb des Messbereiches können nicht als Vorliegen von Hormon-AKs interpretiert werden. Es sind i. d. R. Reaktionen der Analyse-Reagenzien auf Substanzen im Blut, die nichts mit einer SDU zu tun haben. Nach wissenschaftlicher Meinung sind sie zu werten als „Keine Antikörper vorhanden“. Das die Falschaussage, dass Werte unter dem Grenzbereich diagnose-relevant sind, sich in einschlägigen Internet-Gruppen hartnäckig hält, hat verschiedene Gründe:
- Die Quelle dieser Aussage wird höchst selektiv und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert,
- anderslautende wissenschaftliche Aussagen werden hartnäckig und vollständig ignoriert,
- die Aussage kommt bei den hilfesuchenden Hundehaltern gut an und die Gruppe kann sich als Verbreiter der einzigen Wahrheit darstellen.
Leider wird dabei übersehen, dass solche Aussagen unfair gegenüber dem Hund sind: Die Bereitschaft der Halter, in kostenintensive Anamnese zu investieren, wird erheblich eingeschränkt. Die Lösung all ihrer Probleme scheint mit der Auswahl des richtigen Arztes in greifbarer Nähe.
TH-AK sind nicht zur Diagnose einer SDU geeignet. Sie können (müssen aber nicht) die Hormonmesswerte verfälschen (i. d. R. erhöhen). Einzig zu diesem Zwecke sind sie in Grenzfällen wichtige Hinweise.
Falsche Aussage „Ein gesunder Körper hat keine Antikörper (TAK, TH-AK).
Wie oben schon erwähnt gibt es bzgl. TAK und TH-AK „Messunsicherheiten“. Niedrige Werte werden nicht als Vorliegen von Antikörpern angesehen. Auch das Vorliegen von AKs über dem Referenzbereich ist kein eindeutiger Hinweis auf eine SDU. Selbst bei genetisch belasteten Rassen, wie den Eurasiern, sind vorliegende TAK kein eindeutiges Anzeichen für eine SDU. TAK können daher nur im vollständigen Kontext interpretiert werden.
Zusätzlich sind auch maskierte AK zu berücksichtigen, die je nach Milieu unmaskiert vorliegen und quasi als Puffer dienen (siehe Autoantikörper bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion).
Ausführliche Informationen zu SD-AKs:
Häufige Fragen (FAQ) Schilddrüsen-Antikörper
Autoantikörper bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion
SDU bei der Hunderasse Eurasier
Umfrage: Dr. Florian Zeugswetter
Weitere Falschaussagen
Im Internet gibt es zahlreiche weitere Falschaussagen hinsichtlich der Auswirkung und somit Symptomen und Diagnose einer SDU. Sie alle haben gemeinsam, dass sie wissenschaftliche Ergebnisse ignorieren (oder bestenfalls falsch interpretieren) und auf einem selbst gebastelten Weltbild basieren. Goldarce (1) schreibt, das Wissenschaft betrieben wird, „um uns davor zu bewahren, von den eigenen diffusen Erfahrungen und Vorurteilen in die Irre geführt zu werden.“ Dem kann man nur noch ein weiteres Zitat von Goldarce hinzufügen: „Man kann Menschen schlecht mit rationalen Argumenten von Vorstellungen abbringen, die nicht aufgrund von rationalen Argumenten entstanden sind.“
Man muss es daher immer wieder betonen: Das Internet kann nützliche Informationen liefern -aber nicht alles, was im Internet steht, ist richtig. Man sollte daher stets genau prüfen, ob die Aussagen stimmen, nach Quellen fragen, die Quellen selbst durchlesen und weitere unabhängige Quellen, die die Aussagen bestätigen, suchen etc. Siehe auch Gestatten: Dr. Internet – Diagnose der Schilddrüsenunterfunktion im gemeinsamen Dialog.

Hier nur ein paar der zahlreichen möglichen Beispiele, in denen Wissenschaft und Meinung weit auseinander liegen.
Falsche Aussage: „T3 ist ein Verhaltenshormon“
T3 ist das wirksamste SD-Hormon. Es wird nur zum geringen Teil in der SD gebildet, sondern vorwiegend direkt vor Ort aus T4. Der T3-Gehalt im Gehirn ist hoch. Der größte Teil des benötigten T3 wird direkt im Gehirn aus T4 gebildet, während andere Gewebe viel T3 auch aus dem Blut aufnehmen. Daraus folgt, dass für das Gehirn, welches letztendlich das Verhalten vorgibt, die T4-Konzentration im Blut relevant ist, nicht aber die T3-Konzentration.
Falsche Aussage: „Je weiter T3 und T4 auseinander liegen, desto größer sind die Verhaltensauffälligkeiten“ zum Beispiel in Bezug auf eine Substitution, bei der ein hoher T4-Wert erreicht wird, der T3 aber niedrig bleibt:
Siehe hierzu die Erläuterungen zum vorherigen Punkt.
Da T3 stark von NTIs beeinflusst wird (und diese wiederum das Verhalten beeinflussen können), ist bei niedrigem T3 stets auf NTIs zu untersuchen.
Zu nicht ansteigendem T3-Wert siehe: Schilddrüsenunterfunktion und T3 beim Hund.
Falsche Aussage: „Abendliche Unruhe ist ein Zeichen für eine SDU“
Unruhe ist ein Zeichen einer Schilddrüsenüberfunktion, kann aber in bestimmten Phasen auch bei einer SDU auftreten.
Die Schilddrüsen-Hormone werden tagesperiodisch und bedarfsgerecht abgegeben. Meist liegt das Hormonhoch am späten Vormittag / frühen Nachmittag. Die niedrigsten Werte sind morgens und abends. Daraus folgt, dass die abendliche / nächtliche Unruhe in die Phase der niedrigen Hormonwerte fällt. Zu erwarten ist, dass die Hunde entsprechende Unterfunktionsanzeichen (wie Müdigkeit) aufweisen.
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In Frankreich haben sich Donas und Dramard mit Verhaltensänderungen durch eine SDU befasst (allerdings nur in einer kleinen Studie mit 16 Hunden).
Donas (2) hat in ihrer Studie verschiedene Verhaltenskategorien, die in Zusammenhang mit einer SDU auftreten können, beschrieben. Aggressivität, die häufig abends oder nach Anstrengungen zunahm, gehörte dazu. (Was nicht weiter verwundet: Jeder weiß, dass man dünnhäutiger wird, wenn man übermüdet ist. Ein direkter Zusammenhang zwischen einer SDU und Aggressivität ist umstritten. Siehe auch Aggression durch Schilddrüsenunterfunktion? ).

Eine andere Verhaltenskategorie bildet Hyperaktivität, Verlust an Impulskontrolle, TOC (Zwangsverhalten). Tageszeitliche Schwankungen dieser Verhaltensmuster sind in der Studie nicht dokumentiert. Als Ursache wird die Wirkung von SD-Hormonen auf bestimmte Rezeptoren angenommen, die letztendlich die Serotonin- und Noradrenalin-Wirkung beeinflussen.
Dramard (3) schreibt mit Verweis auf die Arbeiten von Donas, dass Hunde mit SDU einen Mangel an Impulskontrolle gepaart mit gesteigerter Aufmerksamkeit zeigen können, die abends verstärkt auftreten („Le chien montre un déficit des autocontrôles et une hypervigilance, souvent plus marquée en fin de journée.“).
Nächtliche Unruhe wurde von Dramard (4) bei einigen ihrer SDU-Hunde-Patienten beobachtet. Sie vermutet verschiedene Ursachen, die in Zusammenhang mit einer SDU stehen. Hierzu können z. B. gesteigerter Durst gehören. Allerdings kann nächtliche Unruhe auch ein Zeichen für Schmerzen sein (siehe Schmerzen beim Hund) und ist somit alles andere, als ein eindeutiges Zeichen für eine Schilddrüsenstörung.
In den Untersuchungen konnte somit eine gesteigerte abendliche Unruhe nicht in Zusammenhang mit einer SDU gebracht werden.
Diagnose „Subklinische“ SDU
Wie diagnostiziert man denn nun eine „subklinische“ SDU?
Merke: Die Diagnose der beginnenden SDU erfolgt immer mit sehr viel „Meiner Meinung nach…“. Das heißt: Es gibt keine eindeutigen Diagnosekriterien. Und das heißt: Eine einmal getroffene Diagnose kann richtig sein, muss es aber nicht.
Wäre die Diagnose einer beginnenden SDU so einfach, wie sie teilweise im Internet dargestellt wird, müsste nicht so viel Forschung zu neuen Diagnose-Methoden betrieben werden. Zwei neuere Forschungen sind nachzulesen unter SDU-Diagnose mittels Biomarker und SDU-Diagnose mit Wachstumshormonen und TRH-Stimulationstest.
Der TSH-Stimulationstest stellt übrigens im praktischen Alltag noch den Gold-Standard zur Diagnose dar. Weniger praxistauglich sind Szintigrafie und Ultraschall-Untersuchungen.
Laborwerte und Untersuchungen
Häufig wird der TA zunächst nur den T4-Wert (T4 oder fT4) analysieren lassen. Erst wenn der kritisch ist (was auch Werte im unteren Referenz-Bereich beinhalten kann) wird er TSH-Werte oder fT4ED nachfordern. Das ist eine durchaus sinnvolle und kostenoptimierte Vorgehensweise.
Zusätzlich wird er andere Blutwerte, die häufig mit einer SDU in Verbindung stehen, interpretieren, wie z. B. Cholesterin, Fruktosamin u. v. m.
Wichtig ist die gesamten Blutwerte und das Erscheinungsbild des Hundes zu sehen und andere Krankheiten auszuschließen. Der Begriff „SD-Profil“ ist je nach Labor unterschiedlich. Sollten halterseitig außer dem T4 weitere SD-Werte gewünscht sein, muss das deutlich an den Tierarzt kommuniziert werden.
Da die Blutaufbereitung und -menge je nach Analyseanforderung verschieden ist, muss die genaue Anforderung vor der Blutentnahme (und ggf. vor der Behandlung) abgestimmt sein.
Auch ein hinzugezogener Verhaltenstherapeut wird neben den Blutwerten das „Umfeld“ des Hundes in Augenschein nehmen: Lebensbedingungen, Haltung, Training, Fütterung, Verhalten…
Die Diagnose einer beginnenden SDU ist aufwändig. Die Schilddrüse beeinflussende Erkrankungen und andere Einflüsse müssen ausgeschlossen werden. Dies kann nur in einer sehr umfangreichen Anamnese erfolgen. Der Blick nur auf Laborwerte und „einschlägige“ Verhaltenssymptome ist nicht ausreichend.
Besteht der Verdacht einer SDU ist der sinnvollste Weg, die Werte nach 2-3 Monaten erneut analysieren zu lassen und derweil andere Erkrankungen (NTI) und Einflüsse zu prüfen. Welche Werte dann analysiert werden, kann individuell verschieden sein. Sicherheitshalber empfiehlt sich das komplette Profil (mit den oben genannten 8 Werten).
Merke: Die Behandlung nur auf Basis einer einzigen Blutabnahme ist i. d. R. nicht anzuraten.
Von dieser Vorgehensweise gibt nur ganz wenig Ausnahmen. Diese können sein, wenn
- der Hund merklich leidet,
- Gefahr für Dritte besteht,
- der Halter merklich leidet.
Nach Vorliegen der wiederholten Messungen kann dann (unter Einbeziehung der erfolgten intensiven Prüfung auf andere Erkrankungen und Einflüsse) vielleicht eine Diagnose erfolgen. Vielleicht sind aber weitere Untersuchungen erforderlich.
Substitutionsversuch

Eine Möglichkeit, wenn man eine NTI ausgeschlossen hat, ist ein Substitutionsversuch.
Wie der Begriff schon andeutet, ist es ein Versuch: Wie reagiert der Hund auf die Gabe von SD-Hormonen. Und wichtig: Wie reagiert er, wenn diese nicht mehr gegeben werden? Entscheidungen über Erfolg / Misserfolg sollten vor allem von unbeteiligten Dritten und anhand objektiver Kriterien erfolgen.
Das Absetzen der Hormone ist ein wichtiger Faktor, der häufig jedoch nicht erfolgt. Nur in sehr wenigen Fällen ist es gerechtfertigt, diesen Gegenversuch (Absetzen der Hormone) auszulassen.
Wieso ist das Absetzen nach einem Substitutionsversuch wichtig?
Temporäre SDU (eine SDU aufgrund spezifischer Umstände und / oder weil das SD-System grad völlig durcheinander ist) werden durch einen Substitutionsversuch behandelt, gleichzeitig aber eine Dauergabe verhindert.
Kurzzeitige Besserungen durch Substitution können auch bei nicht SDU-bedingten Erkrankungen auftreten und führen zu anhaltenden Problemen, wenn die Hormone weiter gegeben werden. Zu diesen Problemen kann es gehören, dass die Hormone nicht so eingestellt werden können, dass die (Verhaltens-)Probleme verschwinden.
Im Idealfall läuft ein unvollständiger Substitutionsversuch zwar gut – aber die Kosten für Hormone und Kontrolle sind vielleicht unnötig.
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Kosten
Man ahnt es schon: Eine Ausschlussdiagnose ist nicht billig. Sie kann – je nach Fall – etliche tausend Euro betragen.
Den Voruntersuchungskosten gegenüber zustellen sind:
- Eine falsche Diagnose kann lebensgefährlich für den Hund sein. Eine übersehene Grunderkrankung, die die SD-Werte reduziert hat, kann sich durch eine Hormon-Substitution verschlimmern.
- Lebensumstände (inkl. Ernährungsmängel) können durch eine Hormon-Substitution vielleicht teilweise kompensiert werden. Aber die Ursache wird dadurch nicht behoben. Dies entspricht somit nicht der Verantwortung des Hundehalters.
- Die fortlaufenden lebenslangen Kosten (Hormone, Kontrollen) kosten viel Geld.
Noch ein Hinweis: Die finalen Kosten einer Online-Beratung bei einem Verhaltenstherapeuten werden sehr unterschiedlich angegeben und teilweise kritisiert. Hier ist immer zu berücksichtigen, dass neben den reinen Beratungskosten (Euro/Zeiteinheit Telefonat) auch die Sichtung und Auswertung des Materials zu berücksichtigen sind. Wer sich jemals wirklich intensiv mit einem SDU-Verdachts-Fall beschäftigt hat, weiß, wieviel Zeit es kostet, alles zu sichten, zu bewerten, Rückfragen zu stellen….
Endlich: Die Diagnose
Der Hundehalter hat wie auch immer eine Diagnose „SDU“ erhalten. Diese mag richtig sein oder auch nicht.
Es passt aber immer noch nicht

Die meisten durch eine SDU verursachten Probleme verschwinden sehr schnell, bei manchen dauert es etwas länger. Bei Verhaltensproblemen, die den Verdacht einer SDU verstärkt haben, ist immer auch ein Training erforderlich.
Verschwinden Probleme hingegen nicht – insbesondere die, auf die sich die Diagnose stützt – ist die Diagnose falsch oder unvollständig und daher zu überprüfen.
Verschwinden zum Beispiel Verhaltensprobleme nicht (bei entsprechendem Training) ist dies immer ein Hinweis darauf, dass die Diagnose SDU und die Substitution gründlich überprüft werden sollten. Die Hormongabe stattdessen mit T3-Gabe aufzustocken, ist keine Lösung.
Bei manchen Hunden steigt der T3-Wert nicht an. Das kann viele Ursachen haben (Schilddrüsenunterfunktion und T3 beim Hund). Es muss nicht auf eine sogenannte „Umwandlungsstörung“ hindeuten (die bei Hunden wissenschaftlich noch nicht festgestellt wurde).
Bei manchen Hunden pendeln sich die T4-Werte nicht ein. Neben einer falsche Diagnose kann das zahlreiche weitere Ursachen haben. Werden die Hormone regelmäßig gegeben und tatsächlich „geschluckt“ (also nicht vom Hund in irgendeiner Ecke ausgespuckt), ist zu prüfen, ob ein vollständiger Substitutionsversuch stattfand oder (falls nicht), ob die Diagnose SDU wirklich gesichert ist.
Magen-Darm-Probleme können die Aufnahme der Hormone beeinflussen, ebenso wie weitere Erkrankungen oder verschieden Nahrungsinhaltsstoffe und vieles andere. In diesem Fall ist also wiederum eine intensive Anamnese erforderlich – die eigentlich ja vor der Substitution hätte erfolgen müssen.
Verbessern sich Symptome trotz Substitution nicht, treten neue Probleme auf, schwanken die Hormonwerte stark etc. ist die Diagnose zu überprüfen und die Anamnese erneut ggf. mit weiteren Untersuchungen durchzuführen.
Die Diagnose der beginnenden SDU ist eine Verdachts- und Ausschlussdiagnose. Wenn die Substitution nicht zum Erfolg führt oder gar zu mehr Problemen führt, als sie löst, muss die Diagnose revidiert werden.
Placebo-Effekt und Co.
Zum Teil haben der Hundehalter und der Hund lange unter verschiedenen Problemen gelitten. Irgendwann stieß der Hundehalter auf das Problem „SDU“, sah darin die Lösung aller Probleme… Über x Ecken hat er dann auch tatsächlich die Hormone bekommen. Und nun muss es besser werden!
Hier spielen sehr viele Effekte eine Rolle:
- Ich möchte, dass es mit den Hormonen besser wird und deswegen sehe ich Verbesserungen, auch wenn keine da sind.
- Ich glaube daran, dass es besser wird und daher sehe ich Verbesserungen, auch wenn keine da sind.
- Ich gebe die Tabletten dem Hund mit einer gewissen „Wichtigkeit“ und Übertrage damit meine Erwartungen auf den Hund.
- Da ich Verbesserungen sehe, gehe ich anders mit dem Hund um.
- Ich werde entspannter und gehe anders mit dem Hund um.
- Durch anderen Umgang mit dem Hund wird das Verhältnis Hund / Halter entspannter.
- Weiterhin bestehende Probleme nehmen an Relevanz ab.
Die Übertragung von „Erwartungen“ zwischen sozialen Wesen wie Hund und Mensch ist sehr komplex. Die Bestätigung der menschlichen Erwartungshaltung nicht minder. Sprich: Ohne objektive Kriterien ist keine Aussage über Erfolg oder Misserfolg möglich.
Und selbst bei objektiven Kriterien ist ein Placebo-Effekt nicht ausgeschlossen. Das ist und bleibt ein „Restrisiko“ jeder Behandlung. Wobei dieser Effekt zu vernachlässigen ist, wenn Probleme / Symptome tatsächlich verschwinden.
Risiken einer unnötigen Substitution
Das gravierendste Risiko einer unangebrachten Substitution ist: Eine andere Erkrankung, die die Senkung der SD-Werte verursacht, wird durch die Substitution gefördert wird. Dies kann zum Tode des Hundes führen.
Weitere Risiken:
Die eigentliche Ursache des Hormonmangels wird nicht erkannt und besteht weiter. Das beinhalt sowohl physische als auch psychische Probleme des Hundes. Zudem besteht die Gefahr, dass sich physische und psychische Probleme weiter verschlimmern.
Wenn sich verschiedene Probleme nicht verbessern, sind nach wie vor Untersuchungen erforderlich, die sowohl den Hund belasten, als auch den Halter und dessen Konto.
Die SD reagiert nicht mehr kurzfristig auf den aktuellen Bedarf, der normale Regelkreis ist „blockiert“. Der Bedarf kann kurzfristig nur noch ausschließlich über die Hormongabe gedeckt werden. Kurzzeitig erhöhter, aber nicht abgedeckter, Hormon-Bedarf führt somit zu einer „psychischen Schieflage“ im Hund, die vermeidbar wäre.
Auch beim Verschwinden von Problemen entstehen bei unangebrachter Substitution unnötige Kosten für Hormone, Nachuntersuchungen, Beratungstermine etc.
Fazit
Die Diagnose einer beginnenden SDU ist schwierig und kann sehr kostenintensiv sein. Im Interesse von Hund und Halter(-Konto) lohnt es sich jedoch meist, die Diagnose bestmöglich zu bestätigen.
Zitierte Quellen
(1) Goldarce, Ben: Die Wissenschaftslüge. Fischer Taschenbuch Verlag, 2008
(2) Donas, Ségolène: Troubles du comportement ameliores par la levothyoxine chez le chien: Étude expérimentale. École nationale vétérinaire de Lyon, 2008
(3) Dramard, Valérie: Hypothyroïdie du chien : quand y penser. Juli 2019
(4) Dramard V. Troubles du comportement chez le chien Et si c´était la tyroide? Rueil-Malmaison: Wolters-Kluwer; 2010
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