Meinungsmache: Staatsfernsehen und Lügenpresse

Meinungsmache Teil 1: Mit Kampfbegriffen wie „Zensur, Abschaffung der Meinungsfreiheit, Lügenpresse, Staatsfernsehen“ werden gezielt bestimmte Medien abgewertet. Um die Stoßrichtung und Qualität dieser Aussagen zu verstehen, lohnt ein Streifzug durch die Medienwelt.

Zum besseren Verständnis teilweise vereinfacht

Demokratie, Medien und Vertrauensabbau

Demokratie setzt freie Wahlen sowie gut und breit informierte Bürger voraus. Ausreichende und richtige Informationen sind für die politische Meinungsbildung wichtig.

Für die Sicherung der freien Wahlen ist „der Staat“ im Rahmen der Verfassung verantwortlich.

Für die Informationsbeschaffung ist letztendlich jeder Bürger selbst zuständig. Der Staat sichert zwar den gesetzlichen Rahmen, z. B. mit dem Schutz von Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit. Ob und wie sich der einzelne Bürger informiert, kann und darf der Staat jedoch nicht beeinflussen.

Grundsätzlich stehen verschiedene Wege zur Informationsbeschaffung zur Verfügung. Neben den klassischen Medien (vorwiegend Rundfunk und Presse) können Informationen z. B. auch über das Internet bezogen werden. Im Internet sind neben den klassischen Medien zahlreiche andere Medienschaffende vertreten.

Als Medien werden Kommunikationsmittel verstanden. Ihr Zweck ist die Vermittlung von Inhalten und Informationen. Das Internet ist ein Medium mit vielen Unterkategorien (z. B. Online-Versionen der klassischen Medien, Soziale Medien, Foren und Webseiten).
Der Begriff Information ist inhaltsneutral, gibt also keine Auskunft über den Wahrheitsgehalt, gesetzliche Zulässigkeit, moralische Einordnung etc. Unter Information fallen z. B. Fakten und Fake News, aber auch Meinungen.

In den klassischen Medien war eine aktive Beteiligung der Bürger an der Mediengestaltung nur sehr eingeschränkt möglich. Der Bürger war nahezu ausschließlich Konsument. Zwar konnten Artikel, Kommentare und Leserbriefe einreicht werden, die Redaktion entschied jedoch darüber, was veröffentlicht wurde. Damit fand durch die Redaktionen neben einer Informationsauswahl auch teilweise eine Qualitätskontrolle statt.

Dagegen ist im Internet jeder User, der sich aktiv beteiligt, ein Medienschaffender: Jeder agierende User, der im Internet Meldungen teilt, liked und kommentiert oder selbst Texte verfasst, stellt Informationen zur Verfügung. Eine Qualitätskontrolle findet im Wesentlichen nicht statt. Im Gegensatz zu den klassischen Medien unterliegen aktive User nahezu keiner Regulierung oder Selbstverpflichtung. Letztendlich kann jeder nahezu alles im Internet veröffentlichen. Mit Aufkündigung der Faktenchecks von Anbietern sozialer Medien, wie X und Facebook, sinkt die Informationsqualität im Internet. Die unkontrollierte und unkommentierte Anhäufung von Informationen im Internet bietet daher nicht nur Chancen, sondern auch Risiken – nicht zuletzt für die Demokratie (siehe Die Risiken der Informationsgesellschaft).

Das Vertrauen in Populisten und in deren manipulativen Texte und Fake News steigt – zu Lasten der Demokratie. Das haben nicht zuletzt die Wahlen in Amerika gezeigt. Wer heutzutage (politisch) mitwirken will, muss im Internet aktiv sein und dort auffallen. Das haben sowohl Trump als auch die AfD sehr gut verstanden und umgesetzt.

Seitens bestimmter Gruppierungen und Parteien werden große Teile der klassischen Medien in Frage gestellt und als manipuliert und zensiert hingestellt. Demnach handelt es sich bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten um Staatsfernsehen und die klassischen Printmedien gehören zur Lügenpresse. Es ist von Zensur die Rede und von unausgewogener Berichterstattung.

Dadurch wird den klassischen Medien das Vertrauen entzogen. Die Lücke wird durch die Kritiker mit ihren eigenen Informationen gefüllt, die zum Teil aus falschen Angaben, verdrehten Fakten, manipulativen Aussagen etc. bestehen. So können Themen zum Erreichen der eigenen Ziele platziert und aufgeblasen werden.

Dass die Saat aufgeht, zeigt eine Studie aus 2023: Unter anderem wurde das Vertrauen in die Berichterstellung der etablierten Medien über die AfD untersucht. Rund ein Drittel vertraute den Medien zu diesem Thema (31 %), ein Drittel misstraute ihnen grundlegend (29 %), ein weiteres gutes Drittel (38 %) vertraute den Medien nur teilweise. Das heißt: Rund 67 % der Befragten zweifelten mehr oder weniger stark an der Berichterstattung über die AfD.

Zensur, Meinungs- und Pressefreiheit

Gemäß Grundgesetz Artikel 5 findet in Deutschland keine staatliche Zensur statt. Es werden somit weder vor noch nach der Veröffentlichung Aussagen verboten (Ausnahmen der Meinungsfreiheit s. u.). Aussagen müssen nicht „dem Staat“ zu Genehmigung vorgelegt werden.

Redaktionen haben jedoch eine Selbstzensur: Das heißt, sie legen im Rahmen ihrer Redaktionsrichtlinien Veröffentlichungskriterien, Themen und Art der Berichterstattung fest. So ergeben sich unterschiedliche Berichterstattungen je nach Medienanspruch.

Nach einem Unfall oder einem Attentat kann es beispielsweise sein, dass

  • eine seriöse Redaktion aufgrund mangelnder sicherer und neutraler Informationen zunächst nur kurz über dieses Ereignis berichtet,
  • eine Boulevardzeitung die Lücken teilweise durch Spekulationen füllt und so einen längeren Text veröffentlicht und
  • User im Internet nahezu völlig auf Fakten verzichten, frei erfundene Behauptungen aufstellen und behaupten, die Medien dürften aufgrund einer Zensur nicht über das Ereignis berichten.

Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit ist ebenfalls im Grundgesetz Artikel 5 festgeschrieben. Meinungsfreiheit bedeutet im Wesentlichen, dass jeder alles sagen und schreiben darf.

Demonstrant mit Plakat auf dem Rücken: "Nein zum Bürger EntmächtigungsGesetz"
Meinungsfreiheit bedeutet auch, dass die Regierung kritisiert und gegen Entscheidungen der Regierung demonstriert werden darf. (Bildquelle: pixabay)

Allerdings sind dieser Meinungsfreiheit Grenzen gesetzt. Verboten sind etwa:

  • Holocaustleugnung,
  • gewaltverherrlichende Inhalte,
  • Volksverhetzung,
  • Hassreden,
  • unwahre Tatsachenbehauptungen,
  • Schmähkritik, Verleumdung, üble Nachrede.

Die Ehre des Einzelnen ist besonders geschützt. Dies beinhaltet den Schutz der

  • Intimsphäre,
  • Privat- und Geheimsphäre und insbesondere der
  • Jugend.

Die Abgrenzung zwischen erlaubter Meinung und unzulässiger Äußerung ist nicht immer einfach. Vor Gericht wird im Zweifel häufig zugunsten der freien Meinungsäußerung entschieden.

Die Regelungen sind in Deutschland (und Teilen Europas) enger gefasst als z. B. in den USA. Dort sind Beleidigungen, rassistische Beschimpfungen und Meinungsäußerungen jeglicher Couleur durch die Meinungsfreiheit geschützt. Dies zeigt sich sowohl in Trumps Wahlkampf als auch in den Äußerungen von Vance hinsichtlich der Meinungsfreiheit in Deutschland im (Februar 2025, Sicherheitskonferenz). Im Gegensatz zu vielen europäischen Regelungen wäre es in den USA illegal, wenn der Staat von sozialen Plattformen fordern würde, illegale Inhalte zu löschen. Dies erfolgte bisher in den USA freiwillig durch die Plattformen und wurde nun eingestellt. In europäischen Ländern wird hingegen eine gewisse Regulation in den Sozialen Medien gesetzlich gefordert. Vance‘ Kritik bezüglich der mangelnden Meinungsfreiheit in Europa zielte daher vorwiegend auf den Schutz der Tech-Konzerne (s. SZ „Wo endet die Redefreiheit?“, 18.02.2025).

Bereits 2024 warnte Zeit Online (Es geht hier nicht um Meinungsfreiheit, sondern um Demokratie. 27.09.2024) vor einer zu starken Konzentration in einzelnen Personen, etwa Eignern von Tech Konzernen, die Medien besitzen und deren Inhalte und somit die Meinungen der Konsumenten großflächig beeinflussen (z. B. Elon Musk (x), Mark Zuckerberg (facebook, WhatsApp etc.), Jeff Brezos (Washington Post)). Musk konnte seinen Einfluss an der Seite Trumps weiter steigern.

Laut hateaid wird die Meinungsfreiheit zunehmend durch gezielte Aktionen – Silencing – im Internet eingeschränkt. Unter Silencing wird verstanden, dass Kritiker durch Beleidigungen, Mobbing, Bedrohungen und anderen Methoden mundtot gemacht werden. Typisch ist, dass dabei auf das eigentliche Thema nicht mehr eingegangen, sondern nur noch auf der persönlichen Ebene agiert wird. hateaid schreibt dazu:

Seit Jahren sind Formen digitaler Gewalt und Hatespeech ein strategisches Mittel, insbesondere Angehörige marginalisierter Gruppen anzugreifen und aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen. Wer sich z. B. offen zu Themen wie Feminismus, Klimawandel oder Migration positioniert, wird mit gezielten Hatestorms zum Schweigen gebracht und durch Drohungen aus dem Netz zu drängen versucht. Die Angriffe kommen oftmals von rechten oder rechtsextremen Trollarmeen, die sich gezielt organisieren. Das belegen zahlreiche Studien (*). Wenn Menschen aus Angst vor Hass und Hetze ihre Meinung nicht mehr sagen können, ist das  ein Angriff auf unsere Meinungsfreiheit. Dabei gilt auch hier: Die Initiator*innen solcher Silencing-Maßnahmen dürfen ihre Meinung frei sagen – wie alle – solange sie nicht die Schranken aus Artikel 130 übertreten oder die persönliche Ehre anderer verletzen. Da sie dies regelmäßig tun, ist der Rechtsweg gegen sie ein wichtiges Mittel zum Schutz der Meinungsfreiheit und Demokratie.

(*) zum Beispiel: Hass auf Knopfdruck, Hass im Netz: Der schleichende Angriff auf unsere Demokratie

Die Meinungsfreiheit wird somit unter Berufung auf die Meinungsfreiheit von ebenen jenen Gruppen eingeschränkt, die sich über mangelnde Meinungsfreiheit beklagen.

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Naturwissenschaft

Pressefreiheit

Pressefreiheit ist ebenso wie die Meinungsfreiheit im Artikel 5 des Grundgesetzes verankert. Sie garantiert, dass die Presse (Presse im weitesten Sinne) ohne Zensur und staatliche Beeinflussung berichten darf, schützt aber auch die Redaktion und die Journalisten, den freien Berufszugang und schränkt z. B. Durchsuchungen von Redaktionen ein.

Der Organisation RSF (Reporter ohne Grenzen, Reporters sans frontières) stuft jedes Jahr rund 190 Länder hinsichtlich der real gelebten Pressefreiheit ein. Der Gesamtrang setzt sich aus verschiedenen Unterkategorien zusammen: politischer, soziokultureller und wirtschaftlicher Kontext, rechtlicher Rahmen und Sicherheit. Insgesamt wird ein Rückgang der Pressefreiheit festgestellt.

Interaktive Grafik des RSF: Lage der Pressefreiheit von 2013 bis 2024.

Deutschland sank in der Rangfolge nahezu kontinuierlich ab, hat 2024 jedoch wieder einen deutlichen Sprung (11 Stufen) nach oben geschafft. Im Bericht von 2024 (der sich auf 2023 bezieht) steht Deutschland nun auf Platz 10 mit 83,84 (von 100) Punkten. Die Lage wurde als „zufriedenstellend“ eingestuft. An der Spitze stehen die skandinavischen Länder (Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland). Die USA stehen auf Rang 55, Russland auf 162 und damit noch vor China (172) und Nordkorea (177).

Wesentliches Kriterium für Deutschlands Rang war und ist die Gewalt gegen Medienschaffende. Deutschland erreicht in der Unterkategorie „Sicherheit“ lediglich den Rang 40 (Norwegen: 7, USA: 118, Russland: 168, China 172, Nordkorea 174).

Während Corona nahm die Gewalt gegen Medienschaffende stark zu: Von 13 in 2019 berichteten Fällen stieg die Zahl auf 65 (2020) über 80 (2021) bis zum Maximum von 103 Fälle in 2022. 2023 sank die Anzahl der Angriffe auf 41 Fälle. Gewalt äußerte sich häufig als Schläge, Tritte, brutales Zerren an der Person / deren Ausrüstung oder schlagen mit Gegenständen. 18 der 41 Angriffe kamen dabei aus der verschwörungsideologischen oder extrem rechten Szene. Auf Versammlungen ist die Gewaltbereitschaft extrem hoch und wird teilweise bewusst durch die Veranstalter aufgeheizt, indem anwesende Journalisten identifiziert und diffamiert werden. Im aktuellen Bericht 2024 sind derartige Fälle seitens AfD-Veranstalter dokumentiert. Bedrohungen / Angriffe finden nicht nur auf Demonstrationen statt, sondern werden auch ins private Umfeld der Journalisten getragen. Betroffen sind nicht nur Journalisten der klassischen Medien, sondern etwa auch Blogger. So wurde in Dortmund ein Blogger, der über Rechtsradikale berichtet, von einer Gruppe Vermummter attackiert.

Das heißt, die Pressefreiheit wird, wie ebenso wie die Meinungsfreiheit, genau von jenen am stärksten bedroht, die die existierende Meinungs- und Pressefreiheit bestreiten.

Staatsfernsehen (Staatsrundfunk)

Staatsrundfunk ist inhaltlich mehr oder weniger stark von der Regierung in Auswahl, Inhalt und Berichterstellung reguliert. Staatsrundfunk existierte in der DDR und existiert z. B. in China, Russland und Nord-Korea.

In Deutschland gibt es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Den gesetzlichen Rahmen bilden zahlreiche europäische, Bundes- und Landes-Gesetze, wobei der Schwerpunkt der Regulierung auf Landesebene liegt (Überblick RLP).

Mensch vor einem Bildschirm mit Pay-TV-Angeboten
Neben den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosendern gibt es zahlreiche private Sender und Pay-TV-Angebote. (Bildquelle: pixabay)

Um den staatlichen Einfluss auszuschließen, ist per Gesetz geregelt, dass

  • staatliche Rundfunkveranstaltungen (Radio- oder Fernsehsendungen) nicht zulässig sind,
  • der Staat keinen Einfluss auf die Inhalte der Rundfunkprogramme hat (Staatsfreiheit),
  • die Organisation des Rundfunks staatsfern erfolgt,
  • inhaltlich die objektiv-rechtliche Dimension gegenüber der subjektiv-rechtlichen überwiegt (objektive Berichterstattung).

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sollen eine Grundversorgung der Bürger sicher stellen, Vielfalt gewährleisten, ausgewogen sein und zudem einen Bildungsauftrag realisieren. Während der Corona-Pandemie wurde heftig diskutiert, was als ausgewogen zu bezeichnen ist:

  • Muss eine Außenseitermeinung die gleiche Gewichtung und den gleiche Raum erhalten, wie wissenschaftlich abgesicherte medizinische Meinungen, die von vielen Fachleuten geteilt wird?
  • Ist es Unausgewogen, wenn auf Außenseitermeinungen nicht eingegangen wird? Zeigt sich darin Zensur, staatlicher Einfluss, staatlich erzwungene Selbstkontrolle der Medien?

Hierzu ein Beispiel:
Die Erde ist (nahezu) eine Kugel. Das deckt sich mit allen physikalischen und astronomischen Erkenntnissen, erklärt alle Beobachtungen und Experimente, wird durch Bilder aus dem Weltall und den Berichten der Astronauten bestätigt etc. Es gilt daher als wissenschaftlich erwiesen, dass die Erde eine Kugel ist.
Es gibt jedoch Menschen, die glauben (bzw. meinen zu wissen), dass die Erde eine flache Scheibe ist.
Muss somit in einem Bericht über eine Erdumrundung erwähnt werden, dass möglicherweise auf Basis der Scheibentheorie die Erdumrundung eine Falschmeldung ist?

Außenseitermeinungen müssen für eine ausgewogene Berichterstattung also nicht unbedingt einbezogen werden, vielmehr kann die gleichberechtigte Darstellung von Außenseitermeinungen eine Berichterstattung unzulässig verzerren.

Vergleich: Öffentlich-rechtliche und private Sender

Öffentlich-rechtliche Sender erhalten einen großen Teil ihrer Einnahmen aus den Fernsehgebühren und lediglich einen geringen Teil (< 15 %) aus der Werbung. Werbezeiten und Gesamtdauer der Werbung sind gesetzlich reguliert. Insgesamt ist bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Informationsanteil im Programm deutlich höher als bei den privaten Sendern (s. u.).

Private Rundfunkanstalten finanzieren sich ausschließlich über Werbung. Mehr Werbeanzeigen bedeutet mehr Geld. Mehr Zuschauer / Zuhörer bedeuten größere Verbreitung der Werbung und somit in Folge weitere Werbeanfragen und Werbeinnahmen. Private Sender haben also ein hohes Interesse daran, die Interesse des Publikums möglichst genau zu bedienen. Das spiegelt sich in der Programmgestaltung, mit z. B. deutlich mehr Unterhaltung, wider. Es zeigt sich aber auch in der Auswahl und Darstellung von Informationen: emotionale Berichte über Katastrophen, Beschönigen von Ereignissen, Verzicht auf kontroverse Themen, subjektive Darstellungen, aufgreifen von populären und weglassen unbeliebter Themen etc.

Einige Details zu den unterschiedlichen Programmgestaltungen:

Nachrichtensendungen beanspruchen 9 bzw. 8,4 % der Sendezeit der öffentlich-rechtlichen Sender, bei RTL noch 5,9 %, bei VOX, Sat1 und ProSieben liegt der Anteil unter 2 %. In den Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Sender ist der Politikanteil höher, während in den privaten Sendern eher Human Touch Storys dominieren (menschliche (Einzel-)Schicksale). Inhalt und Präsentation der Nachrichten werden in den öffentlich-rechtlichen Sendern seriöser aufgearbeitet, z. B. mit weniger Übertreibungen, Vorverurteilungen und Spekulationen, weniger auf Einzelschicksale und Emotionen abgehoben, bessere Recherchen.

Im Programm von Das Erste und ZDF sind jeweils über 40 % journalistische Informationen im Programm enthalten, RTL hat immerhin noch rd. 30 %, VOX, Sat 1 und ProSieben liegen knapp über oder unter 20 %.

Alle privaten Sender weisen einen Werbeanteil von über 20 % auf, die öffentlich-rechtlichen Sender unter 1 %.

Zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern findet sukzessive eine Angleichung statt. So nahm bei RTL der Anteil von Informationssendungen zu, bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sinkt der Anteil.

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Naturwissenschaft

Lügenpresse

verschiedene Tageszeitungen
Regionale Tageszeiten informierten über regionale und überregionale Ereignisse. Mit Verkleinerung der Redaktionen schwinden Reportagen über regionale Themen. Damit werden regionale Tageszeitungen noch unattraktiver. (Bildquelle: pixabay)

Nach einer Studie lasen 2023 noch 49 % der Befragten eine Tageszeitungen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, bei denen die vorderen Plätzen der Printmedien durch Produkte mit Qualitätsjournalismus belegt werden, liegt in Deutschland die Bildzeitung (Online und Print) als Boulevardblatt mit weitem Vorsprung an erster Stelle. Bild Deutschland hatte 2022 eine Reichweite von 5,51 Millionen und damit rund doppelt so viel wie Süddeutsche, FAZ, Handelsblatt und Die Welt zusammen genommen. 2024 wurden 86 Rügen wegen Verstöße gegen den Pressekodex (eine Selbstverpflichtung der Presse) vom Presserat ausgesprochen. Davon gingen über 40 % alleine an Bild und Bild online.

Von der Boulevard-Presse sind Qualitätsmedien zu unterscheiden, die sich bemühen, ausgewogen, sachlich und faktisch richtig zu berichten.

Die AfD und andere behaupten, dass die von ihnen bevorzugten Themen Zuwanderung und Sicherheit in den Medien unterrepräsentiert sind. In verschiedenen Studien (Details und Quellen siehe hier) wurde dies untersucht und festgestellt, dass diese Themen in deutschen Leit-Medien, (Presse inkl. Bild-Zeitung, öffentlich-rechtliche Sender und RTL) eher überrepräsentiert sind, weitere AfD-Frames tendenziell verstärkt aufgegriffen werden und zunehmend negativer über Migration berichtet wird. Andere Themen, die mindestens eine ebenso wichtige gesamtgesellschaftliche Bedeutung haben, wie Klimawandel, Wetterextrema, Pflegenotstand, Femizid etc., werden dagegen vernachlässigt. Die zunehmende Verzerrung stellt S. Rippl an einem Beispiel dar (Fußnote 11):

„Für eine Frau ist die Wahrscheinlichkeit von ihrem männlichen Partner ermordet zu werden deutlich höher als von einer fremden migrantischen Person. Dennoch wird über Grenzschließungen und nicht über Männer oder Frauenhäuser diskutiert. Ohne Probleme gegeneinander auszuspielen, zeigt das Beispiel sehr gut, dass Mobilisierung und Instrumentalisierung von Themen die Wahrnehmung der Realität verzerren.“

Die Veränderung der Medienwelt ist insbesondere bei den Printmedien zu bemerken. Die Presse finanzierte sich früher weitgehend über Werbung und Kleinanzeigen. Mit Zunahme der Internetnutzung ging der Verkauf und die Verbreitung der Offline-Presseprodukte zurück und somit deren Attraktivität für Werbekunden. Die Einnahmen durch Werbeanzeigen sanken. Kleinanzeigen sind nahezu komplett ins Internet gewandert. Mit dem Rückgang der Einnahmen müssen Ausgaben reduziert werden. Vielfach heißt das: Personalkürzung und Einsparung bei Recherchen. Zum Teil wird dies durch Recherchenetzwerke aufgefangen. Dies kann zu inhaltlich ähnlichen Aussagen in den Berichten verschiedener Medien führen, was den Vorwurf der „Gleichschaltung“ provoziert.

Ein einfaches Marktgesetz gilt auch hier: Wer eine freie und unabhängige Presse fordert, die nicht als „gleichgeschaltet und Lügenpresse“ agiert, muss auch bereit sein, dafür zu zahlen.

Um Einnahmen für hochwertige Recherchen zu generieren, werden von Medien Paywalls genutzt: Damit ein Beitrag in voller Länge gelesen (gehört oder gesehen) werden kann, muss ein bestimmter Betrag entrichtet werden. Gegner der Paywalls verweisen auf die Informationsfreiheit im Internet. Nicht selten sind die heftigsten Kritiker der Bezahlmodelle die größten Verbreiter von Desinformation und Hetzer gegen die „Lügenpresse“.

Das Internet ist ein Sofort-Medium: Bei Ereignissen stellen User unverzüglich Informationen ins Internet (Videos, Bilder, Texte). Redaktionen müssen nachziehen. Recherchen und seriöse Informationen benötigen jedoch Zeit. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht und die Anforderung, schnell zu informieren, sind ein zweischneidiges Schwert. Skandale, bei denen dies nicht gelang, treten immer wieder auf.

Mediennutzung

Deutschland: Geiz ist geil

In einer Analyse (Der Online-Nachrichtenmarkt in Deutschland) wurden Gründe abgefragt, wieso keine kostenpflichtigen Nachrichtenangebote genutzt wurden, Mehrfachantworten waren möglich. 58 % gaben an, dass es genug kostenfreie Nachrichten- und Informationen im Internet gibt, 35 % sind prinzipiell nicht bereit im Internet Geld für Nachrichten- und Informationen auszugeben.

Auf die Frage, welche kostenlosen Nachrichten und Informationsseiten konkret am Vortag genutzt wurden, gaben 21,5 % Browserprogramme an (GMX, WEB, google etc.), 14,21 % hatten Nachrichten bei Social Media (Facebook, X, You Tube) konsumiert.

Kostenlose Inhalte von Zeitungen oder Nachrichtenmagazinen wurden von 35 % genutzt. Bei vielen Anbietern sind jedoch aufwändige Recherchen, fachlich fundierte Kommentare und Analysen (also kostenintensive Erzeugnisse) hinter einer Paywall. Öffentlich-rechtliche Nachrichtenangebote im Internet wurden von 50 % der Internet-User nicht oder seltener als 1x / Woche genutzt.

Die Autoren der Studie kommen zum Schluss, dass der Nutzungsanteil öffentlich-rechtlicher Rundfunkangebote mit 17 % moderat gegenüber den kommerziellen Pressemedien und Anbietern ohne Pressebezug ist. Im Zeitverlauf haben Anbieter ohne Pressebezug (Tech-Riesen, Social Media u. ä .) deutlich an Bedeutung gewonnen.

Mit diesem Trend sinkt die Qualität der Informationen und Nachrichten. Die Gefahr, manipulativen Nachrichten aufzusitzen und in Filterblasen zu geraten, steigt.

Der Konsum von Textinformationen sinkt, was nicht nur zum Rückgang von Printmedien führt, sondern auch zum Rückgang von Textnachrichten im Internet zugunsten von Audio- und Video-Formaten.

Berlusconis Medienmacht

In Italien hat die öffentlich-rechtliche Radiotelevisione Italiana (Rai) einen Marktanteil von 36 %, ist aber dicht gefolgt von MFE (MediaForEurope) 31 %. Finanziert wird die Rai durch 90 € Rundfunkgebühren je Haushalt.

Die MFE wurde 1978 von Berlusconi gegründet. Sie hält über eine Tochtergesellschaft rund 50 % des größten spanischen Fernsehsenders Telecinco und in Deutschland 25 % an ProSiebenSat.1 Media. Berlusconi war trotz zahlreicher Skandale 1994/95, 2001-2006 und 2008-2011 Ministerpräsident Italiens. 2022 stand er erneut zur Wahl, verlor jedoch gegen Meloni.

Italien gehört zum mediterranen Medientyp, bei dem audiovisuelle Medien bevorzugt werden. Dass Berlusconis trotz aller Skandale langjährig als Ministerpräsident tätig war, muss daher auch im Zusammenhang mit seinem starken Einfluss auf die Medien gesehen werden.

Fazit: Obwohl die Ria teilweise Tendenzen zum echten Staatsrundfunk aufwies, wurde sie in dieser Funktion vom privaten MFE zeitweise überholt.

Medien und Meinungsbeeinflussung in den USA

In den USA gibt es keinen nennenswerten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es existieren zwar einige öffentlich-rechtliche Rundfunksender, die jedoch kaum eine Rolle spielen und eher im Bildungsbereich relevant sind. Den Republikanern gelten diese Sender als „links“ und überflüssig.

Die vorhandenen Rundfunksender stehen traditionell hinter einem der beiden politischen Lager: Republikaner oder Demokraten. Fox News machte mit einer großen Reichweite Wahlkampf für Trump, ebenso wie zahlreiche rechte bis extremrechte Radiosender (Berichte aus 2015, aus 2020 1 und 2020 2). Dieser Trend der eindeutigen politischen Zuordnung ist auch bei den sozialen Medien zu erkennen, wie sich bei Elon Musk und der Plattform X zeigt. Trump hat zusätzlich eine eigene Plattform Truth Social.

Qualitätsprint-Medien, wie New York Times und Washington Post existieren zwar, weitere Qualitätsmedien, die die Landesfläche abdecken, gibt es nicht. Die Washington Post hat zudem jüngst veränderte interne Veröffentlichungsregeln herausgegeben (Selbstzensur). So informierte Bezos seine Mitarbeiter darüber, dass jeden Tag zwei Themen enthalten sein müssen, um diese zu unterstützen und zu verteidigen: persönliche Freiheit und freie Märkte. Er schreibt weiter  „…. Standpunkte, die diesen Pfeilern entgegenstehen, werden von anderen veröffentlicht werden.“ Diese Direktive reiht sich an weitere redaktionelle Eingriffe und Richtungswechsel der Washington Post seit deren Kauf durch Jeff Bezos 2013. (s. SZ „Das langsame Schwinden einer kritischen Gegenstimme“, 27.02.2025).

Seitens Trump wurde die Associated Press (AP) von Pressekonferenzen im Weißen Haus ausgeschlossen, da diese sich weigerte, die Umbenennung des Golf von Mexico in Golf von Amerika mitzutragen (s. zum Beispiel SZ „Weißes Haus lässt AP-Reporter nicht hinein“, 22.02.2025). Die AP ist die weltweit größte Nachrichten- und Presseagentur.

Seit Trumps Wiederantritt finden weitere Einschränkungen der Pressefreiheit statt, Beispiele:
Trumps Angriff auf die Pressefreiheit, RSF, 11.02.2025
Ein Monat Trump: US-Medien unter Beschuss, RSF, 20.02.2025

M. Karmasin weist in einem Interview mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) darauf hin, dass der radikale Flügel der Republikaner dank der Sozialen Medien ihre Anhänger wieder mobilisieren konnte. Zitat:

„Die sozialen Medien haben diese Radikalisierung und Mobilisierung beschleunigt, was zu einer weiteren Polarisierung der politischen Landschaft geführt hat. Das hat letztlich auch Auswirkungen auf die Wählerschaft.“

Fazit: In den USA gibt es keinen relevanten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Privater Rundfunk berichtet oft weder neutral noch seriös oder nach journalistischen Anforderungen. Qualitätspresse existiert zwar noch, ist aber stark gefährdet. Die Pressefreiheit wird zunehmend eingeschränkt. Die manipulative Ausrichtung privater Medien ist zum Teil extrem stark (und in dieser Formt derzeit in Deutschland noch nicht vorstellbar).

Buch in Ketten
Bücherverbrennungen und indizierte Bücher sind eine Form der Zensur und der Einschränkung der Meinungsfreiheit. (Bildquelle: pixabay)

In den USA gibt zudem eine umfangreiche und länger werdende Liste verbotener Bücher in Schulbibliotheken und / oder öffentlichen Bibliotheken. Häufig handelt es sich dabei um Bücher, die sich um LGBTQ-Themen, People of Color oder Sexualität drehen. Die verbotenen Bücher werden als obszön, subversiv, satanisch – also insgesamt schädlich eingestuft. So schreibt die taz (Politische Fernleihe, 24.10.2022):

„Es gibt keine einheitliche Liste von Büchern, die aus den Bibliotheken der USA verbannt werden. Der Bogen der gebannten Bücher reicht von Klassikern wie J. D. Salinger und Toni Morrison über Alice Walker, Maya Angelou und J. K. Rowlings „Harry Potter“ bis hin zur den Holocaust thematisierenden Graphic Novel „Maus“ und Anne Franks Tagebuch. Jugendbücher über Themen wie Homosexualität, Geschlechtsidentität oder Rassismus sind besonders von den Verboten betroffen.“

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Naturwissenschaft

Fazit

Eine Zensur findet nicht statt.

In Deutschland gibt es kein „Staatsfernsehen“. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterliegen in Auswahl und Darstellung der Themen keiner staatlichen Kontrolle. Falsche oder (gefühlt) unzureichende oder fehlende Informationen sind durch die Redaktion zu verantworten.

In der Presse gibt es unterschiedliche Qualitätsniveaus in der Berichterstellung. Es gibt zwar Übertreibungen, Verdrehungen, Lügen etc. Dennoch kann die Presse nicht pauschal als „Lügepresse“ bezeichnet werden- dazu ist das Angebot an Presseerzeugnissen zu breit. Qualitätsmedien bieten seriöse Berichterstattung und qualitativ hochwertige Recherchen. Allerdings erschweren zahlreiche Faktoren den Medienhäusern konkurrenzfähig gegenüber „dem Internet“ zu bleiben.

Wer qualitativ hochwertige Informationen erwartet, muss bereit sein, entweder selbst aufwändig zu recherchieren oder für diese Informationen zu zahlen.

Ein kurzer Blick auf andere Länder zeigt, dass privatwirtschaftliche Medien Gefahr laufen, „gekapert“ zu werden und einseitige und / oder falsche Informationen zu verbreiten. Ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Medienpool kann Manipulationen und gesteuerter Meinungsbildung teilweise entgegen wirken. Meinungsfreiheit wird in Ländern unterschiedlich definiert.

Ebenso wie Journalisten sollten Bürger sich zu einem wichtigen Sachverhalten immer über mehrere unabhängige Medien informieren und die Quellen prüfen. Die Förderung der Medienkompetenz stellt daher eines der dringendsten Bildungsziele dar.

Jackob et al schreiben in ihrer Studie daher:

„Bürgerinnen und Bürger systematisch und über die gesamte Bildungssozialisation hinweg dabei zu unterstützen, sich das geistige Rüstzeug anzueignen, um mündig und souverän mit Medien umzugehen, ist eine zentrale Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Als Wählerinnen und Wähler [….] treffen Menschen unentwegt Entscheidungen für sich, ihre Umwelt und die Gesellschaft, in der sie leben. Idealerweise sollten sie sich ein solides Urteil darüber bilden können, ob die Informationen, auf deren Basis sie handeln, tragfähig und ob die Quellen, denen diese Informationen entstammen, vertrauenswürdig sind. Und sie sollten auch beurteilen können, welche Medien sich der Beschreibung von Wirklichkeit und dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und welche nicht. Medienbildung kann auf diese Weise direkt und indirekt eine Immunisierung gegen demokratiefeindliche Bestrebungen bewirken – sodass ein Schutzmechanismus für die Gesellschaft, für Bürgerinnen und Bürger und für den Journalismus selbst entsteht, der sich auf seine zentralen Normen und Aufgaben besinnen kann (vgl. Jackob 2019: 294).“

Weiter zum Teil 2: Meinungsmache: Fiese Tricks im Internet


Auszug verwendeter und weiterführender Literatur

M9 / 2024 Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen

MP14 / 2024: Rückschlag für den Klimaschutz

MP3 / 2025: Der Online Nachrichtenmarkt in Deutschland

Mediale Länderporträts

Basisdaten Programmleistungen

Reporter ohne Grenzen, RSF

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Naturwissenschaft

naseweisbz.net

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..