zum besseren Verständnis stark vereinfacht
Antech (vormals Synlab) bietet ein neues Diagnosekriterium für SDU an: rT3 (reverses T3). Der Parameter scheint gut geeignet, eine SDU beim Hund diagnostizieren und gegenüber einer NTI abgrenzen zu können. Was kann man bisher über den Parameter sagen? Welche Chancen und Einschränkungen besitzt er?
rT3 – Was ist das?
Schilddrüsenhormone werden in der Schilddrüse gebildet und / oder sind spezielle Abbauprodukte dieser Hormone. Zu den Schilddrüsenhormonen zählen vor allem T4 und T3 als aktive Hormone. Weniger bekannt und relevant sind rT3 und T2.
Die einzelnen Schilddrüsenhormone haben in verschiedener Anzahl und an verschiedenen Stellen im Molekül Jodatome eingebaut. T4 hat vier, T3 drei und T2 zwei Jodatome. Beim Reversen T3, kurz rT3, ist das Jod an einer anderen Stelle eingebaut, als bei T3. Bildlich gesprochen, ist es auf der anderen Molekülseite poistioniert. Durch diesen anderen Molekülaufbau ist die Wirkung im Körper unterschiedlich: Während T3 ein hochwirksames Hormon ist, besitzt rT3 keine Hormonwirkung.
Sowohl T3 als auch rT3 werden nur zu einem geringen Teil in der Schilddrüse (SD) produziert und von dieser abgegeben. Bei Bedarf kann die SD ihre rT3-Abgabe anpassen.
Die größten Mengen an T3 und rT3 werden im Körper aus T4 gebildet. Während T4 den allgemeinen „Hormonpool“ darstellt, ist T3 das tatsächlich wirksame Hormon und rT3 quasi ein Pufferhormon, welches aus überschüssigem oder „unerwünschtem“ T4 gebildet wird. Die verschiedenen Umsetzungswege ermöglichen es dem Körper, flexibel auf den Hormonbedarf zu reagieren: Je nach momentaner Anforderung und vorhandener T4-Menge werden die Anteile an Wirkstoff (T3) oder Nicht-Wirkstoff (rT3) angepasst. Die verschiedenen Abbau- bzw. Umsetzungswege werden durch jeweils spezielle Dejodinasen geregelt.

Wie die anderen SD-Hormone auch, liegt rT3 entweder an Proteine gebunden (TrT3 oder einfach rT3) oder in freier Form vor (frT3) vor. Im Verhältnis zum gebundenen rT3 ist die Menge von freiem rT3 sehr gering.
Ebenso wie bei anderen SD-Hormonen gibt es deutliche Unterschiede zum Humanbereich. Die rT3-Werte beim Hund (egal ob gebunden oder nicht) sind in Relation sehr viel höher als beim Menschen. Auch die Reaktionen auf Körper-beeinflussende Faktoren (wie Fasten / Hunger, Operationen / Betäubung) unterscheiden sich zu denen beim Menschen.
rT3 in der Diagnostik
Da rT3 wie T3 nur zu einem geringen Anteil in der Schilddrüse gebildet wird, gelten beide Hormone als ungeeignetes Diagnosekriterium um die Funktion der Schilddrüse zu beurteilen.
Synlab / Antech geht in der Diagnose mit rT3 einen anderen Weg.
Im Normalfall ist stets eine bestimmte Menge rT3 im Blut enthalten. Die Hypothese ist, dass sich die rT3-Werte im Blut bei einer Schilddrüsenunterfunktion (SDU) von jenen bei einer gesunden SD (Normwerte) und jenen bei einer NTI unterscheiden. Es wird vermutet, dass der Körper bei einer SDU das wenige vorhandene T4 bevorzugt in T3 umwandelt und nicht in rT3. Der rT3-Wert sinkt somit.
Diese Hypothese überprüfte Synlab / Antech in einer Studie. Die Veröffentlichung der Studie in Fachzeitschriften ist nach Auskunft der Studien-Autoren für Ende des Jahres vorgesehen. Dieser Artikel wird dann aktualisiert oder ggf. durch einen weiteren ergänzt.
Die Studie – erste Informationen und Laborempfehlungen
Auf der Home Page von Synlab / Antech ist ein Informationsblatt zur rT3 Diagnostik veröffentlicht.
Basis der Studie ist eine neue Messmethode für rT3 (HPLC-MS/MS), deren Referenzwert anhand von 47 gesunden Hunden festgelegt wurde: 109 – 435 pg/ml.
Anschließend wurde der rT3-Wert verglichen zwischen
- 18 Hunden mit bestätigter SDU, Diagnosefaktoren: niedriges T4, hohes TSH und passende Symptome,
- 15 Hunden mit NTI (schwere Grunderkrankung, keine näheren Angaben) mit niedrigem T4 aber TSH im Referenzbereich.
In der Studie unterschieden sich die rT3-Werte von Hunden mit NTI und gesunden Hunde kaum. Bei einer NTI ist teilweise weniger T3 und T4 im Blut vorhanden. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass die SD weniger T4 und T3 bildet und nur teilweise zusätzlich vermehrt T4 in rT3 umgewandelt wird.
Sehr gut abgesetzt zu diesen Werten waren die Ergebnisse der Hunde mit SDU. Es gab keine Überschneidung zwischen Hunden mit SDU und gesunden Hunden und nur eine geringe statistische Überschneidung zwischen Hunden mit SDU und NTI.

Die meisten Hunde mit SDU hatten sehr niedrige rT3-Werte (< 50 pg/ml, häufig sogar unter 5 pg/ml). Kein Hund mit SDU hatte einen rT3 innerhalb des Referenzbereichs. Kein Hund mit NTI und kein gesunder Hund hatten einen rT3-Wert (Messwert) unter 109 pg/ml (Untergrenze Referenzbereich). Dadurch ergibt sich bei den untersuchten Hunden eine klare Trennung zwischen einerseits gesund/NTI und andererseits SDU.
Hunde, die substituiert wurden, wurden in der Studie nicht untersucht. Vorliegende Werte von Hunden unter Substitution lagen jedoch im oder über dem Referenzbereich.
Laborempfehlung
Das Labor empfiehlt die Bestimmung des rT3 zur besseren Differenzierung zwischen SDU und NTI. Es verweist jedoch darauf, dass bei der Diagnose zusätzlich weitere Laborparameter und klinische Anzeichen zu berücksichtigen sind.
Einschränkungen
Seitens des Labor werden folgende Einschränkungen zur Untersuchung und Diagnose aufgeführt:
- Aufgrund fehlender Erfahrungen ist die alleinige Bestimmung des rT3 zur Diagnose einer SDU derzeit nicht sinnvoll.
- Die Studie basiert auf nur einer geringen Anzahl von Hunden.
- Es liegen keine Erfahrungen vor, in welchen Bereichen sich die rT3-Werte von Windhunden befinden.
- Es wurden nur Hunde mit eindeutiger SDU als Vergleichshunde in die Studie aufgenommen. Hunde mit beginnender SDU haben evtl. (noch) höhere rT3-Werte.
Beginnende SDU
Der letzte Punkt ist sehr wichtig und kann am Besten mit Hilfe des 4-Phasen Modells einer SDU verstanden werden.
Eine SDU entwickelt sich langsam über 4 Phasen in deren Verlauf sukzessive verschiedene Veränderungen erfolgen:
- Absinken T4,
- Anstieg und ggf. wieder Abfall TSH,
- Anstieg und Abfall Antikörper gegen Thyreoglobulin und ggf. Hormone,
- vermutlich kompensatorischer Anstieg und dann Abfall T3,
- Abfall rT3.
Bei einer klassischen SDU befindet sich diese im Stadium 3 oder 4. Die SDU lässt sich relativ eindeutig diagnostizieren, da eindeutige klinische Symptome, niedrige T4-Werten und hohe TSH-Werte vorliegen. Nur in sehr wenigen Fällen liegt bei dieser Werte-/Symptom-Kombination eine NTI vor. Für die Studie wurde der rT3-Wert von Hunden mit einer klassischen SDU untersucht.
Bei einer beginnenden SDU („subklinische“ SDU, Phase 2) sind die Werte-Veränderungen und Symptome nicht eindeutig. In diesem Stadium ist vermutlich der rT3-Werte noch nicht gravierend gesunken und liegt daher im Referenzbereich. Hunde im sehr frühen Stadium der SDU (Phase 1, subklinische SDU) haben keine Symptome und auch keine eindeutigen Veränderungen der Hormonwerte. Ein Fortschreiten der Erkrankung aus Phase 1 oder 2 erfolgt nicht immer (teilweise wird angenommen, dass sogar der größte Anteil betroffener Hunde regeneriert).
Die eindeutige Abgrenzung zwischen SDU und gesunden Hunden / NTI , wie sie in der Studie vorliegen, bezieht sich daher auch nur auf diese Konstellation (klassische SDU, Phase 3 oder 4). Die Studie ermöglicht keine Aussage darüber, ob der rT3-Wert auch bei Hunden mit beginnender SDU einen Diagnosevorteil bringt. Bei einer beginnenden SDU ist der rT3 derzeit kein geprüftes Diagnosehilfsmittel. Vorschnelle Verallgemeinerungen müssen vermieden werden.
Jodmangel
Die Jodversorgung hat vermutlich einen wichtigen Einfluss auf rT3. Hierzu gibt es keine Studien, so dass derzeit lediglich Hypothesen möglich sind:
- Bei Jodmangel reduziert die SD zunächst die Bildung von T4 zu Gunsten von T3. Ob auch vermehrt rT3 ausgeschüttet wird, ist nicht bekannt. Da die SD die Bildung von T3 und rT3 regeln kann, ist zu vermuten, dass die Bildung von rT3 entweder reduziert oder zumindest nicht erhöht wird. Da T4 im Blut sinkt, sinkt auch rT3 als ein T4-Abbauprodukt, wohingegen T3 konstant gehalten wird. Eine Unterscheidung zwischen SDU aufgrund einer Zerstörung der SD und einer SDU aufgrund von Jodmangel, wäre somit nicht möglich.
- Bei Jodüberversorgung könnte dagegen vermehrt rT3 in der SD gebildet und abgegeben werden.
Derzeit besteht daher der Verdacht, dass eine Jodunterversorgung nicht von einer krankhaften SDU unterschieden werden kann.
Forschungsbedarf rT3
Einflüsse von Kastration, Impfungen, Medikamentierung, Substitution etc. auf den Referenzbereich sind derzeit nicht bekannt und müssen ermittelt werden. Neben diesen Einflüssen sind weitere bereits bekannte Einflüsse auf den rT3-Wert (etwa Karenz/Hunger) zu überprüfen. Der Referenzbereich von rT3 muss zudem systematisch an Hunden verschiedener Rassen, Geschlechts und Alters (insbesondere „Pubertät“, Junghundephase) getestet werden.
Über die rT3-Werte in den Phasen 1 und 2 einer SDU liegen keinerlei Untersuchungen vor. Die Diagnose „SDU“ in der Vergleichsgruppe sollte idealerweise per Ultraschalluntersuchungen oder TSH-Stimulationstest bestätigt werden. Im Idealfall sind dann auch Aussagen über Hunde im Übergang zwischen Phase 2 und 3 möglich.
Die beiden Untersuchungsgruppen (SDU und gesund/NTI) unterschieden sich im TSH-Wert. Daher sollte der rT3-Wert auch in Abhängigkeit vom TSH-Wert überprüft werden. Der TSH-Wert kann bei einer SDU im Normalbereich liegen oder z. B. nach einer NTI stark erhöht sein.
Die Veränderungen von rT3 bei Jodüberversorgung, aber insbesondere bei Jodmangel müssen untersucht werden.
Fazit
Der rT3-Wert hat Vorteile in den Fällen, in denen eine klassische SDU nicht eindeutig identifiziert werden kann (etwa weil TSH im Normalbereich liegt). Ob eine Abgrenzung zwischen krankhafter SDU und Jodmangel möglich ist, bleibt abzuwarten. In kritischen Fällen sollte daher stets (wie üblich) auch die Fütterung überprüft werden.
Ein großer Teil der derzeitigen SD-Parameter-Analysen resultiert aus „typischen Verhaltensänderungen“, diffusen Symptomen und dem Verdacht des Halters, dass eine SDU vorliegt. Vor einer Überinterpretation des Parameters durch Laien – wie bereits bei anderen Parametern erfolgt – muss dringend gewarnt werden.
Im Beitrag „SDU: Herausforderung Diagnose“ wird beschrieben, dass sich die Summe der laborinternen Erfahrungen zu einem Parameter in den Diagnoseempfehlung widerspiegeln. Diese Erfahrungen fehlen derzeit zu rT3 nahezu komplett. Es gibt zwar verschiedene Untersuchungen zu rT3, aber alle haben jeweils nur eine geringe Anzahl an Teilnehmern.
Der wirkliche Nutzen dieses Parameters wird sich erst in Zukunft zeigen. Dazu sind zahlreiche Studien erforderlich , aber auch die Bereitschaft der Halter, rT3 untersuchen zu lassen, auch wenn der individuelle Nutzen des Parameters evtl. nicht sehr groß ist. In einer rückschauenden Auswertung ließe sich aber evtl. eine Korrelation zwischen rT3 und den verdächtigen Symptomen / Werten ermitteln. Der einzelne Halter nimmt an der Forschung unmittelbar teil. Empfehlenswert ist der Parameter aus diesen Gründen auch für jeden, der ihn sich leisten kann und möchte.
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