Was bedeuten positive Schilddrüsen-Antikörper bei Hunden? Ist dies ein Zeichen, dass sich eine Schilddrüsenunterfunktion entwickelt? Ist eine Substitution erforderlich?
Schilddrüsen-Antikörper
Im Rahmen der Diagnose einer SDU (Schilddrüsenunterfunktion) können verschiedene Antikörperwerte bestimmt werden:
- TAK: Thyreoglobulin-Antikörper. Thyreoglobulin ist ein Protein in der Schilddrüse und dient dort quasi als Gerüst zum Aufbau der Schilddrüsen-Hormone. Bei einer Entzündung der Schilddrüse gelangt Thyreoglobulin vermehrt ins Blut und kann zur Bildung von Autoantikörpern führen.
- T4- / T3-AK: Antikörper gegen die Schilddrüsen-Hormone T4 und T3. Diese Antikörper gehören in die Gruppe der TAK. Sie richten sich gegen die speziellen Bildungs- und Bindungsstellen der Schilddrüsenhormone am Thyreoglobulin und reagieren auf die Schilddrüsenhormone. Sie sind seltener als TAK; T4-AK sind seltener als T3-AK. Wenn sie in großen Mengen vorhanden sind, können sie die Messergebnisse der Hormone beeinflussen (Wahrscheinlichkeit < 5 %).
Entwicklung einer SDU
Um die Bedeutung der Antikörper richtig einordnen zu können, muss man die Entwicklung einer SDU betrachten. Diese verläuft langsam und über mehrere Stadien, in denen sich die Messwerte der Antikörper sowie die Hormonwerte verändern. Die Übergänge zwischen den einzelnen Stadien sind fließend.
- Stadium 1: subklinisch:
Antikörper erhöht, Hormonwerte im Referenzbereich, keine Symptome - Stadium 2: subklinisch:
Antikörper maximal erhöht, T4 normal, im unteren Referenzbereich oder darunter, TSH erhöht, keine oder unspezifische Symptome - Stadium 3: klinisch:
Schilddrüsengewebe nimmt ab, Funktion der Schilddrüse reduziert, kaum / wenig Antikörper, Hormonwerte gesunken, TSH erhöht, eindeutige klinische Symptome - Stadium 4: klinisch:
Schilddrüsengewebe stark reduziert, keine / kaum noch Funktion der Schilddrüse, keine Antikörper, Hormonwerte stark gesunken, TSH erhöht, starke klinische Symptome
Im Stadium 1 deutet somit nichts, außer erhöhten Antikörpern, auf eine SDU hin.
Im Stadium 2 können unspezifische Symptome auftreten. Das heißt, diese Symptome können auf eine SDU hindeuten – aber auch andere Ursachen haben. Die Hormonwerte können verändert sein: T4 sinkt langsam ab, während T3 im Level gehalten wird. Ein Absinken von T4 kann allerdings auch zahlreiche Ursachen unabhängig von einer SDU haben. Die Diagnose in diesem Stadium ist somit extrem schwierig und meist mit Unsicherheiten behaftet.
TSH hat nur dann eine relativ hohe Aussagekraft, wenn es erhöht ist. Erhöht bedeutet über dem Referenzwert (und nicht, wie im Internet teilweise zu lesen, über einem beliebigen Wert innerhalb des Referenzbereichs). Eine Erhöhung ist nicht immer bei einer SDU messbar.
Was heißt subklinisch?
Subklinisch bedeutet im medizinischen Sprachgebrauch, dass keine Symptome vorhanden sind. In Studien wird der Begriff allerdings unterschiedlich verwendet.
Streng genommen fällt lediglich das Stadium 1 unter den Begriff „subklinisch“. Insbesondere in amerikanischen Studien (s. u.: Graham, Egbert) wird unter subklinischer Schilddrüsenunterfunktion nur das Stadium 1 verstanden.
In Deutschland wird unter „subklinisch“ häufig vor allem die Phase 2 einer SDU verstanden. So bedeutet in der Eurasier-Studie von Schlipf et al. (SDU bei der Hunderasse Eurasier) „subklinisch“, dass der T4 zwar noch im Referenzbereich liegt, TSH jedoch angestiegen ist (über Referenz) und TAK positiv ist.
Ein Vergleich verschiedener Studien ist daher nicht immer möglich.
Studien zur Entwicklung einer SDU
Bisheriger Studien
Die Studien von Graham et al. bei Hunde um das Jahr 2000 zählen zu den ältesten Studien bezüglich Schilddrüsen-Antikörpern. Unter anderem wurden Hunde mit positiven Antikörpern aber normalen Hormonwerten nach einem Jahr erneut untersucht.
- Ca. 20 % der Hunde entwickelten eine SDU (fT4 erniedrigt und / oder TSH erhöht).
- Ca. 15 % der Hunde wiesen nach einem Jahr keine Antikörper mehr auf (und auch keine auffälligen Hormonwerte).
- Die Mehrzahl (nämlich rund 57 %) blieben bei unveränderten Werten im subklinischen Stadium oder hatten indifferente TAK-Werte mit unveränderten Hormonwerten (ca. 8 %).
Graham beantwortet sinngemäß die Frage, ob das Vorliegen von positiven TAK eine sichere Vorhersage für die Entwicklung einer funktionellen und behandlungsbedürftigen SDU ist, wie folgt (sehr frei übersetzt):
„Schon die ersten Untersuchungen bei Hunden und Menschen zeigten, dass eine Schilddrüsenentzündung nicht immer fortschreitet. Zudem scheint bei Hunden eine geringfügige Zerstörung der Schilddrüse nicht zu ihrer Funktionseinschränkung zu führen. Daher kann es viele Hunde mit einer Schilddrüsenentzündung geben, ohne dass diese auffällig werden.“
„Even the earliest studies in Beagles and human beings indicate that lymphocytic thyroiditis does not progress in some individuals. Additionally, the presence of thyroid pathologic changes in dogs does not necessarily mean the presence of thyroid functional abnormalities, suggesting that at any one time, many animals are in the subclinical thyroiditis phase of the disease.“ Graham: Lymphocytic thyroiditis; 2001
Positive Antikörper bedeuten also weder, dass sich eine SDU entwickelt, noch dass eine Substitution erforderlich ist. Vielmehr kann eine Entzündung mit positiven Antikörpern zeitweise auftreten und ohne weitere Nachwirkungen wieder abklingen.
Ähnliche Ergebnisse erhielt man bei Untersuchungen an Eurasiern: Auch hier entwickelte nur ein geringer Anteil der Hunden mit Antikörpern eine SDU.
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Neue Studie: Langfristiger Verlauf
Eine SDU entwickelt sich langsam. Daher stellt sich die Frage, ob die Rate der Hunde, die mit dem Stadium 1 eine SDU entwickeln, langfristig höher ist. Das untersuchten RJ Egbert und ihr Team an der Michigan State Universität.
Egbert et al. wählten 120 Hunde der Orthopedic Foundation aus, für die Schilddrüsenprofile vorlagen. Die Halter wurden gebeten, erneut Untersuchungen durchführen zu lassen.
Bezogen auf alle 120 getesteten Hunde
- waren ca. 50 % bei den Wiederholungsmessungen ohne Antikörper (Kategorie „normal“: 14 %) oder unverändert in der Kategorie „Subklinisch“ (positive Antikörper, normale Hormonwerte: 35 %);
- rund 18 % hatten indifferente Antikörperwerte (knapp über oder unter dem Grenzwert);
- bei rund 33 % war im Laufe der Zeit oder aktuell durch die Wiederholungsmessung eine SDU festgestellt worden.
Das heißt, bei rund 2/3 der Hunde entwickelte sich keine eindeutige SDU. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei Vorliegen von Antikörpern eine SDU entwickelt deutlich höher als ohne Vorliegen von Antikörpern.
Dies deckt sich annähernd mit der Untersuchung bei den Eurasiern, wenn man in der Untersuchung nur die zuvor TAK-positiven Hunde in die Auswertung einbezieht. Ein Vergleich der Studien ist allerdings aufgrund der unterschiedlichen Definitionen und Einstufungen kaum möglich. Insbesondere die Zuordnung zu den Kategorien „normal“ und „indifferent“ birgt sehr starke Unsicherheiten. Lediglich die Zuordnung zu der Kategorie SDU ist relativ sicher.

Das Hauptinteresse der Untersuchung von Egbert und ihrem Team galt aber der Frage, ob sich im Laufe der Zeit die von Graham für einen Zeitraum von einem Jahr ermittelten Raten verändern. Hierzu wurden die Abstände zwischen der Erst- und Zweituntersuchung in 3 Zeiträume unterteilt: 1-2 Jahre, 3-5 Jahre, > 6 Jahre.
Durchschnittlich fand die wiederholte Untersuchung nach 4 Jahren statt (Spanne: 1 – 9 Jahre), das durchschnittliche Alter der Hunde war ebenfalls 4 Jahre (Spanne 2- 13 Jahre).
Über die Jahre nahm zwar der Anteil der Hunde, die im subklinischen Stadium blieben ab und die Anzahl der Hunde mit SDU zu. Aber auch der Anteil der Hunde, die zu unauffälligen SD-Werten (Kategorie „normal“) zurückkehrten, nahm zu.

Wie die Untersuchung zeigt, werden somit auch bei längeren Zeiträumen die grundsätzlichen Aussagen von Graham bestätigt: Das Vorliegen von Antikörpern bei normalen Hormonwerten bedeutet nicht
- das bereits eine behandlungsbedürftige SDU vorliegt oder
- das sich eine behandlungsbedürftige SDU entwickelt.
Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine behandlungsbedürftige SDU entwickelt, erhöht. Es sollte daher eine regelmäßige Kontrolle der Hormon- und Antikörperwerte erfolgen.
Aussagen im Internet
Im Internet gibt es von vermeintlichen Experten zahlreiche Falschinformationen zu Antikörpern, die dazu führen können, das Krankheitsrisiko des Hundes überzubewerten. So wird häufig behauptet, dass positive Antikörper alleine, aber auch in Verbindung mit grenzwertigen Hormonwerten und diffusen Symptomen, eine SDU belegen. Unter positiven Antikörpern werden dabei auch Werte verstanden, die unterhalb der Referenzwerte für Antikörper liegen.-Diese Aussagen sind falsch!!
Richtig ist:
- Antikörperwerte unterhalb des Referenzbereichs zeigen nicht das Vorliegen von „ein paar“ Antikörpern an. Vielmehr liegen keine Antikörper vor.
- Positive Antikörper ohne Hormonveränderungen stellen keine behandlungsbedürftige SDU dar. Sie zeigen zwar ein Entzündungs-Geschehen in der SD an, aber der weitere Verlauf ist unklar. Positive Antikörper können ggf. über Jahre stabil bleiben und dann völlig verschwinden. Relevant sind hier ggf. auch maskierte / unmaskierte Antikörper (Autoantikörper bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion).
- Grenzwertige Hormonwerte können zahlreiche Ursachen haben. Eine SDU im Anfangsstadium hat keine eindeutigen Symptome. Positive Antikörper machen es zwar wahrscheinlicher, dass eine SDU im Stadium 2 vorliegt, dennoch müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden.
- Eine beginnende SDU kann somit nur durch eine ausführliche Anamnese, gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren Untersuchungen, diagnostiziert werden. Eine Diagnose im Stadium 2 nur anhand der Schilddrüsenwerte und diffusen Symptomen ist in der Regel nicht möglich.
Eine Diagnose im Internet durch vorgebliche Experten ist unseriös. . Sie kann dazu führen, dass die Halter erforderlichen Untersuchungen nicht zustimmen und somit die Diagnostik behindern.
Weitere auf Studien gestützte Informationen zu Antikörpern (mit Quellen-Angaben):
Autoantikörper bei Hunden mit Schilddrüsenunterfunktion
Häufige Fragen (FAQ) zur Substitution bei SDU
SDU bei der Hunderasse Eurasier
Literatur (Auswahl)
Egbert RJ et al.: Changes in thyroid hormone concentrations over time in dogs with autoimmune thyroiditis. AJVR 2024
Schlipf M et al: Laboratory indicators of hypothyroidism and TgAA-positivity in the Eurasian dog breed. 2023
Graham PA, Nachreiner RF, Refsal KR, Provencher-Bolliger AL. Lymphocytic thyroiditis. Vet Clin North Am Small Anim Pract.; 31(5):915–933, vi-vii; 2001
Graham P et al.: A 12-month prospective study of 234 thyroglobulin antibody positive dogs which had no laboratory evidence of thyroid dysfunction. J Vet Intern Med. 15:298; 2001
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