Bei Hunden nimmt die Zahl der zusätzlich zu T4 mit T3 substituierten schilddrüsenkranken Tiere zu. Was sagen niedrige T3-Werte aus und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es zur T3-Substitution?
Zum besseren Verständnis stark vereinfacht.
Überblick T3-Substitution
Bei schilddrüsenkranken Hunden findet zunehmend häufiger auch eine T3-Substitution statt (Trijodthyronin-Substitution, Präparat in der Regel Thybon). Meist wird eine T4-/T3-Kombinationstherapie durchgeführt, selten wird nur mit T3 substituiert, etwa zu Beginn einer Behandlung. Nicht zuletzt wird dieser Trend durch einen regen Austausch in sozialen Medien zur Schilddrüsenunterfunktion (SDU) bei Hunden gefördert. Hier werden als häufigste Argumente, dass eine T3-Substitution erforderlich ist, angeführt:
- Der T3 zieht bei der Substitution nicht mit, der T3-Wert ist zu niedrig – der Hund hat eine Umwandlungsstörung.
- T3 ist ein Verhaltensparameter. Wenn das Verhalten sich durch Substitution nicht bessert, dann liegt eine Umwandlungsstörung vor.
- Wenn die körperlichen Symptome sich nicht bessern, liegt eine Umwandlungsstörung vor.
Sind diese Argumente stichhaltig? Um das zu beurteilen, muss man den wissenschaftlichen Stand bezüglich T3-Mangel und T3-Substitution, insbesondere bei Hunden, kennen.
T3 und Schilddrüse: Kurze Einführung
T3 ist das eigentlich wirksame Hormon im Schilddrüsenkreislauf. Es wird jedoch nur zu einem geringen Teil in der Schilddrüse selbst gebildet und von ihr abgegeben. Vielmehr erfolgt die Versorgung der Gewebe hauptsächlich durch eine bedarfsgerechte und fein dosierte Umwandlung von T4 in T3 in den Zellen (Zielgeweben). Für die Umwandlung sind Dejodasen (D1, D2, D3) erforderlich (s. Selen: Ein Spurenelement mit Fragezeichen).

Die Hormonproduktion in der Schilddrüse wird im Wesentlichen über einen Feedback-Mechanismus der freien Hormone T4 und T3 reguliert. Ein Mangel an Hormonen (vor allem von fT3) führt zu einem Anstieg von TSH, welches die Freisetzung der Schilddrüsenhormone initiiert.
Der T3-Wert wird vom Körper bei einer SDU solange wie möglich stabil gehalten.
Mögliche Ursachen niedriger T3-Werte
Ein zu niedriger T3-Wert (vor oder bei der T4-Substitution) kann verschiedene Ursachen haben.
Umwandlungsstörung
T3 wird zielgenau in den jeweiligen Körperzellen aus dem sogenannten Prohormon T4 je nach Bedarf gebildet. Bei einer echten Umwandlungsstörung ist eine Umwandlung von T4 in T3 in physiologisch ausreichenden Mengen nicht möglich.
Scott-Moncrieff [1] verweist darauf, dass Umwandlungsstörungen im lebenden Organismus bisher bei keiner Spezies bekannt sind: Betroffene Individuen würden bereits im Mutterleib oder kurz nach der Geburt aufgrund des T3-Mangels sterben.
Beim Menschen ist ein Gendefekt bekannt, der zu einer gestörten D2-Produktion führt. Wird bei diesen Personen die Schilddrüse entfernt, kann es zu einem merklichen T3-Defizit kommen [2]. Bei vorhandener Schilddrüse scheint die T3-Produktion der Schilddrüse in Verbindung mit der durch D2-Reduktion verminderten Umwandlung von T4 in T3 den T3-Bedarf zu decken.
Andere Ursachen
Mit Umwandlungsstörung wird daher vielfach alles bezeichnet, was zu reduzierten T3-Werten führt und im Detail in der Anamnese entweder nicht registriert oder der Einfachheit wegen als „Umwandlungsstörung“ bezeichnet wird.
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NTI – Schwere Erkrankungen
Erkrankungen, die negative Auswirkungen auf den Schilddrüsenkreislauf haben, werden als NTI (Non-Thyroidal-Illness) bezeichnet.
Bei schweren Erkrankungen (etwa Babesiose, Erkrankungen von Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse) wird der Stoffwechsel durch Reduzierung von T3 heruntergefahren, indem
- T4 nicht in das aktive T3, sondern in das inaktive rT3 umgewandelt wird (beteiligt: D3, Low-T3-Syndrom),
- die Produktion von T4 reduziert wird,
- Transportproteine (binden und transportieren die Hormone im Blut) oder deren Bindungskapazität vermindert werden. Dies führt zu einem schnelleren Abbau vorhandener Schilddrüsenhormone.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Schwere der Erkrankung (der Überlebenswahrscheinlichkeit) und dem Abfallen des T3-Werts. Niedrige T3-Werte bei mehr oder weniger normalen T4-Werten sind daher ein Indiz für eine vorliegende NTI. Problematisch bei Hunden ist, dass bereits die Einschätzung des „normalen“ T4-Werts sehr schwierig ist. Da im Rahmen einer NTI auch der T4 gesenkt werden kann, sollte eine mögliche NTI im Zuge der SDU-Anamnese nie unberücksichtigt bleiben.
Eine Hormon-Substitution (T3 oder T4) bei einer NTI birgt das Risiko, die Erkrankung weiter zu forcieren. Dies gilt insbesondere für das unmittelbarer wirkende T3. Nur in wenigen Ausnahmefällen (etwa bei erfolgreicher Behandlung der NTI) kann evtl. eine zeitweise Substitution sinnvoll sein.
Im weitesten Sinne zählen zu NTIs auch Haltungsbedingungen, die nicht den Bedürfnissen des Hundes entsprechen (und negativ empfunden werden) oder Anpassungen des Hundes an Haltungsbedingungen (ohne dass diese vom Hund negativ empfunden werden).
Die T3-Reaktion von Hunden auf Haltungsbedingungen lässt sich aus Studien nur erahnen. In einer Studie (die rassespezifische Unterschiede von Neurotransmittern untersucht [3]) haben z. B. von 38 Sardischen Schäferhunden 24 zu niedrige T3-Werte. Gleichzeitig findet sich der Hinweis, dass 28 der Hunde als Kettenhunde auf Bauernhöfen leben.

Bei manchen Hunden bleiben die T3-Werte unter Substitution relativ lange auf niedrigem Niveau und ziehen erst Monate später an. Das könnte darauf hindeuten, dass Trainingsmaßnahmen nur mit der Zeit wirksam werden und zu einer allgemeinen Stressreduktion und Entspannung führen.
Veränderungen durch SDU und Substitution
Aus dem Humanbereich ist eine TSH-Resistenz bekannt, die zu niedrigen T3- (und T4-) Werten führen kann. Die Rezeptoren der Schilddrüse reagieren in diesem Fall nicht mehr auf die Stimulation durch TSH. Eine TSH-Resistenz kann sich auch bei einer lange bestehenden SDU entwickeln (quasi durch Erschöpfung der Rezeptoren). Hier gilt sinngemäß das Gleiche.
Eine Theorie aus dem Humanbereich verknüpft niedrige T3-Werte direkt mit einer T4-Substitution: Durch T4-Substitution würde demzufolge das direkte Feedback zur Schilddrüse gestört, sodass letztendlich zu wenig Schilddrüsenhormone gebildet würden (die durch die T4-Substitution ersetzt werden). Zusätzlich würden jedoch der Schilddrüsenregelkreis insgesamt und somit auch gekoppelte Regulationsmechanismen gestört, was dazu führen würde, dass T3 nicht mehr im Normalbereich gehalten werde.
Ob diese Theorie zutrifft und auf Hunde übertragbar ist, ist nicht bekannt. Hunde weichen bzgl. des Schilddrüsenregelkreises in einigen Details vom Menschen ab. Zum Beispiel sind Hunde toleranter gegenüber Hormonüberversorgung und die Hormone haben deutlich kürzere Halbwertszeiten. Beides könnte bewirken, dass Hunde bei Substitution und gegenüber Störungen des Feedbackmechanismus physiologisch anders reagieren.
Bei Ratten, denen die Schilddrüse entfernt wurde, wurde festgestellt, dass erhöhte T4-Werte die Halbwertszeit von D2 (Enzym zur Umwandlung von T4 in T3) sehr stark reduzieren. Dies könnte bedeuten, dass bei einer zu hohen Substitution zu wenig D2 vorhanden ist und somit zu wenig T3 gebildet wird (was physiologisch sinnvoll ist). Auch in diesem Fall ist unklar, ob die Ergebnisse sich auf (schilddrüsenkranke) Hunde übertragen lassen. Die D2-Reduktion (und Verminderung der T3-Bildung) könnte jedoch ein wesentlicher Mechanismus bezüglich der Toleranz von Hunde gegenüber einem Hormonüberschuss sein. Durch Senkung von T3 im Blut könnte eine hohe T4-Toleranz erreicht werden.
Oder anders: Aufgrund der hohen Hormontoleranz bei Hunden kann bei einer Substitution ein ständig (leicht) erhöhter T4-Level entstehen, ohne dass erkennbare negative Auswirkungen auftreten. Möglicherweise wird dieser mehr oder weniger starken T4-Überdosierung durch niedrige (oder nicht ansteigende) T3-Werte entgegengewirkt.
Normales T3-Niveau
Bei einer SDU hält der Körper T3 solange wie möglich auf dem optimalen Niveau bzw. hebt die Blutkonzentration sogar kompensatorisch an. Daraus ergibt sich:
- Ein fehlender Anstieg der T3-Werte bei Substitution bleibt aus, wenn sich der T3-Wert vor und bei der Substitution auf dem individuell optimalen Niveau befindet.
- Ein Anstieg bei Substitution erfolgt nur, wenn die SDU so weit fortgeschritten war, dass der T3-Wert vor der Substitution nicht mehr im normalen Level gehalten werden konnte. In diesem Fall sind die T4-Werte bei der Diagnose allerdings meist nicht mehr im Referenzbereich.
- Ein Absinken des T3-Wertes im Laufe der Substitution erfolgt, wenn der T3-Wert vor der Substitution kompensatorisch angestiegen ist – also bei einer SDU im mittleren Stadium
(Details s. Schilddrüsenunterfunktion und T3 beim Hund).
Der T3-Wert ist ähnlich (aber weniger stark) wie der T4-Wert von zahlreichen individuellen Einflüssen abhängig. So sinkt der T3-Wert (sowie der T4-Wert) bei älteren Hunden ab. Bei trainierten Schlittenhunden sind die Hormonwerte niedriger und nehmen bei Langstreckenrennen weiter ab.
In der Untersuchung von Wahrendorf [4] hatten unterschiedliche FCI-Rassen zum Teil unterschiedliche T3-Werte. Eine statistische Auswertung erfolgte im Rahmen der Studie nicht. Die Unterschiede könnte auf rassespezifische Optimalwerte hindeuten. Weitere mögliche Unterschiede ergaben sich hinsichtlich des Geschlechtes, wobei es hierzu über verschiedene Studie widersprüchliche Aussagen gibt.
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Hormon-AK (TH-AK)
In sozialen Medien wird häufig die Meinung vertreten, dass vorhandene Hormon-Antikörper (TH-AK) die freien Hormone abfangen. Bei vorhandenen T3-AK würden somit die Werte der freien und gebundenen T3-Hormone sinken. Hierbei werden auch Hormon-AK als kritisch angesehen, die unter 10 % (T3) bzw. 20 % (T4) (also „innerhalb des Referenzbereichs“) liegen.
In der wissenschaftlichen Literatur geht man davon aus, dass Hormon-AK im Organismus keinen wesentlichen Einfluss auf die Bluthormon-Konzentrationen haben – auch nicht während einer Substitution. Nach Sättigung der AKs im Blut stehen die übrigen Hormone dem Körper zur Verfügung. Zudem müssten Hormon-AK in großen Mengen vorliegen, um merklichen Einfluss auf den Hormonspiegel zu haben.
(Grundsätzliche Hinweise zu TH-AK siehe: Häufige Fragen (FAQ) Schilddrüsen-Antikörper).
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass hohe Hormon-AK-Konzentrationen die Messwerte der Schilddrüsenhormone beeinflussen können. Je nach Messmethode können die gemessenen Hormonwerte also fälschlicherweise zu niedrig oder zu hoch sein.
Weitere beeinflussende Faktoren
Der T3-Spiegel wird durch verschiedene Substanzen reduziert. Hierzu zählen diverse Medikamente sowie PCB und andere Umweltgifte. Umweltgifte können z. B. in Hundenäpfen, Hundespielzeug, Hausstaub, frisch gespritzten Feldfrüchten etc. enthalten sein.
Ein Mangel an Spurenelementen, wie etwa Selen, kann zu niedrigen T3-Werten führen (s. Selen: Ein Spurenelement mit Fragezeichen). Bei einem Jodmangel wird in der Schilddrüse zunächst bevorzugt T3 gebildet (und abgegeben) und erst nach Leeren des Jodpools auch die T3-Produktion eingestellt.
Unterernährung sowie eine energiearme Ernährung, zum Beispiel während einer Diät zur Gewichtsreduzierung, kann ebenfalls zu niedrigen T3-Werten führen. Übergewichtige Hunde mit höheren T3-Werten brauchen paradoxerweise länger, um wieder auf ein Idealgewicht zu kommen (mit dann niedrigeren T3-Werten). SDU-kranke Hunde leiden häufig an Übergewicht. Wird im Rahmen der Substitution zusätzlich eine Diät durchgeführt, fällt der T3-Wert ab. Möglicherweise findet auch eine T3-Senkung alleine aufgrund des bei einer Substitution üblichen Gewichtsverlustes statt.

Fallstricke der T3-Substitution
T3-Substitution im Humanbereich
Im Humanbereich finden sich von der Meinung, dass T3 nie substituiert werden muss (inkl. der Aussage, dass T3-Substitution eine Modeerscheinung ist) bis zur Meinung, dass T3 immer mit substituiert werden sollte, alle möglichen Meinungen.
T3 wirkt unmittelbarer als T4, die exakte Dosierung kann sehr schwierig sein. In einem Artikel aus 2019 (Humanbereich) wird darauf hingewiesen, dass durch eine T3-Substitution ein unnatürlich hoher Peak an T3 entsteht. Der Peak kann bis zu 40 % über dem Normalwert liegen. Eine über den Tag verteilte Stückelung der Dosis reduziert den Peak, dennoch liegt er über dem physiologischen Optimum. (Zusätzlich) mit T3 substituierte Patienten hatten niedrigere TSH-Werte. Studien belegen, dass unterdrückte (sehr niedrige) TSH-Werte zu einer höheren Sterblichkeit führen. Zwar konnte in einer weiteren Studie keine erhöhte Sterblichkeit bei einer T3-T4-Therapie festgestellt werden, jedoch eine erhöhte Anzahl von Verordnungen für Antipsychotika.
In einer dänischen Meta-Studie [5] aus dem Humanbereich ist sinngemäß zu lesen, dass eine T4-/T3-Kombinationstherapie lediglich bei einer kleinen Patientengruppe (ca. 5 bis 10 %) eine klinisch positive Wirkung hat und ohne Risiko angewendet werden kann (sofern eine Überdosierung vermieden wird). Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht möglich ist, zu definieren, welche Patienten von einer Kombinationstherapie profitieren.
Sicherheitsstudien zur Kombinationstherapie liegen nicht vor. Die American Thyroid Association spricht sich daher gegen die routinemäßige Verordnung einer Kombinationstherapie aus.
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T3-Substituion bei Hunden
Die T3-Therapie ist bei Menschen besser untersucht, als bei Hunden. Global gesehen scheint die T3-Substitution bei Hunden nicht von Bedeutung und Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen zu sein.
Für Hunde gibt es keine relevanten Studien zur T3-Substitution.
Wenn bei Menschen trotz vorhandener Studien eine Kombinationstherapie in der Regel kritisch gesehen wird, gilt dies umso mehr für Hunde. Oder deutlicher: Das Erfordernis einer T3-Substitution bei Hunden basiert auf Erfahrungswerten und ist somit wissenschaftlich gesehen experimenteller Natur.
Die T3-Substitution bei Hunden wird „routinemäßig“ nur von wenigen Verhaltenstherapeuten durchgeführt. Viele Tierärzte (und Wissenschaftler) lehnen die T3-Substitution aufgrund der fehlenden Studienlage grundsätzlich ab oder befürworten sie nur in Ausnahmefällen.
Erfahrungen bei der T3-Substitution haben gezeigt, dass manche Hunde mit einer zusätzlichen T3-Substitution Verbesserungen (Verhalten, z. T auch körperlich) und / oder einen (halbwegs) stabilen Status erreichen. Dabei ist allerdings unbekannt, was zu den niedrigen T3-Werten führte, ob eine T3-Substitution die einzig mögliche Therapie ist und ob diese dauerhaft erfolgen muss. Bei einigen Hunden konnte nach einer gewissen Zeit die T3-Gabe ausgeschlichen werden. Das könnte darauf hindeuten, dass das T3-Ungleichgewicht andere Ursachen als die Schilddrüse hatte: etwa Haltungsbedingungen im weitesten Sinne (Untrainierbarkeit, mangelhaftes Training, Über- oder Unterforderung…) oder eine NTI, die zusätzlich behandelt wurde. Viele Halter sind nach Erreichen eines (halbwegs) stabilen Zustands allerdings (verständlicherweise) zu keinen Experimenten bereit und scheuen sich davor, T3 ausschleichen zu wollen. Die Datenlage zum erfolgreichen Ausschleichen ist daher rar.
Diagnosekriterium T3-Werte
Schilddrüsen-Hormonwerte alleine sind sehr unzuverlässige Diagnoseparameter. Das gilt besonders für T3, da der größte Teil des benötigten T3 direkt vor Ort in den Zielorganen aus T4 gebildet wird. Die Blutwerte von T3 ermöglichen daher weder Aussagen darüber, wie viel T3 den Organen tatsächlich zur Verfügung steht, noch über die Funktionsfähigkeit der Schilddrüse. Lediglich bei Hunden mit rassetypisch niedrigen T4-Werten wird der T3-Wert als zusätzliches Diagnosekriterium empfohlen.
Wahrendorf [4] weist in ihrer Doktorarbeit darauf hin, dass die T4-Referenzwerte überprüft und für verschiedene Rassen, Altersklassen etc. differenziert ermittelt werden müssten. Dies gilt auch für die T3-Werte. Von den 103 untersuchten (SD-gesunden, nicht verhaltensauffälligen) Hunden hatten 98 einen fT3-Wert unterhalb des Referenzbereichs.
Grundsätzlich sind die Schilddrüsen-Hormonwerte individuell zu interpretieren. Bei der Diagnose einer subklinischen SDU können unter Berücksichtigung individueller Symptome allerdings auch T4-Werten im Referenzbereich auf eine SDU hindeuten. Im Umkehrschluss heißt das, dass alleine niedrige T4- und / oder T3-Werte kein Kriterium für eine Substitution von T4 und / oder T3 darstellen, sondern immer im Kontext mit anderen Blutwerten und den Symptomen zu sehen sind. Das setzt eine gründliche Anamnese voraus.
Diagnosekriterium Verhalten
Eine „Umwandlungsstörung“ wird häufig dann angenommen, wenn sich trotz ausreichender T4-Substitution keine wesentlichen Verhaltensverbesserungen zeigen.
Hierzu ist allerdings zu berücksichtigen, dass speziell im Gehirn das benötigte T3 zum allergrößten Teil aus dem im Blut enthaltenen T4 gebildet und nicht das im Blut enthaltene T3 verwendet wird. Die Blut-T3-Werte geben somit keine Auskunft darüber, welche Mengen T3 dem Gehirn (als Schaltzentrale des Verhaltens) zur Verfügung stehen.
Verhalten wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Neben T3 (und T4) wirken viele weitere innere (z. B. Neurotransmitter, Schmerzen) und äußere Faktoren (z. B. Umgebung, Umgang, Erlerntes) auf das Verhalten ein. Verhaltensbeeinflussungen können somit an vielen Punkten ansetzen. Die Auswahl der Methode ist vom Einzelfall abhängig. Um diese optimal wählen zu können, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Verhaltenstherapeut, Hundetrainer und Hundehalter erforderlich. Beschränkt man sich bei der Maßnahmenauswahl auf die T3-Substitution, könnten erfolgreichere oder erforderliche Maßnahmen aus dem Blick geraten.
Es gibt Verhalten, das sich durch Substitution wie von selbst verbessert und solches, das sich nicht verändert, aber trainierbar wird. Verhaltenstraining bei einem Verhalten, welches über Jahre „erlernt“ wurde, ist schwierig und langwierig. Durchschlagende und anhaltende Erfolge innerhalb von wenigen Wochen zu erwarten, ist nicht realistisch. Das kann aber auch dazu führen, dass der Hund nach wie vor im Dauerstress ist, etwa durch permanente Überforderung durch die Umwelt.
T3-Mangel wird teilweise insbesondere in Zusammenhang mit ängstlichem Verhalten gebracht. Hierbei ist allerdings unklar, ob Ängste die Folge niedriger T3-Werte sind oder niedrige T3-Werte die Folge anhaltender Ängste (NTI im weitesten Sinne). Ängstliches Verhalten kann auch ein ererbtes und / oder frühzeitig erlerntes Verhalten sein (Beeinflussung durch Reaktionen der Mutterhündin, auch während der Trächtigkeit; Reaktion auf Verhalten des Halters).
Gegen-Training bei ängstlichem Verhalten ist schwierig und umfasst viele Ebenen. Nicht zielführendes Training kann der betroffene Hundehalter i. d. R. nicht selbst erkennen. Bei ängstlichem Verhalten ist daher professionelle Anleitung häufig unverzichtbar.
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Subjektive Wahrnehmung
Grundsätzlich sind Verhaltenstherapeuten auf detaillierte, vollständige und möglichst objektive Angaben der Hundehalter angewiesen. Nur dann lassen sich die Ursachen von Verhaltensproblemen ermitteln und die richtigen Maßnahmen treffen.
Die Aussagen der Halter werden durch ihre Wahrnehmung und die Einordnung in ihr „System“ beeinflusst. Beschreibungen können durch Unwissenheit oder mangelnde Beobachtungsgabe beeinflusst sein. Die Schilderungen sind daher selten objektive Darstellungen (auch wenn die Halter sich darum bemühen). Die Bezugspersonen über- oder unterschätzt Veränderungen. Nicht selten werden besonders die Verhaltensweisen, die als persönlich oder familiär belastend empfunden werden, als Maßstab genommen. Finden in diesen Punkten (aus welchem Grund auch immer) keine merklichen Verbesserungen statt, werden teilweise selbst deutliche Verbesserungen in anderen Bereichen nicht bemerkt (und nicht kommuniziert). Der Halter beschreibt das Verhalten des Hundes also fälschlicherweise als „unverändert“.

Auch Bilder und Filmsequenzen, die an Verhaltenstherapeuten gesendet werden, können bewusst (z. B. um bestimmte Aspekte zu betonen) oder unbewusst das dargestellte Bild für den Verhaltenstherapeuten verzerren.
Verhaltenstherapeuten sind sich i. d. R. dieser Probleme bewusst. Dennoch sollte man sich als Hundehalter stets selbstkritisch fragen, ob die dem Verhaltenstherapeuten dargestellten Aspekte wirklich objektiv sind. Sinnvoll ist es, wenn der Verhaltenstherapeut Kontakt mit dem Haustierarzt, dem Trainer oder sonstigen Dritten aufnimmt, die Hund und Halter kennen, und so eine unabhängige Beurteilung erhält.
Beeinflusste Wahrnehmung
Viele Hundehalter mit SDU-kranken Hunden tauschen sich im Internet in speziellen Gruppen aus und erhalten Hinweise und Ratschläge. Dieser Austausch hat einige Vorteile (Erfahrungsaustausch „Wie ist es bei euch gelaufen?“), birgt aber auch Risiken. Verhaltensweisen / klinische Zeichen werden im Internet als typisch für das Erfordernis einer T3-Substitution eingestuft. Durch die Vernetzung der betroffenen Hundehalter in sozialen Medien findet somit eine Wahrnehmungsverzerrung statt und erschwert eine objektive Kommunikation mit dem Verhaltenstherapeuten.

Speziell sind folgende Punkte zu berücksichtigen:
- Der betroffene Hundehalter führt in den Gruppen selten alle relevanten Informationen auf (weil es zu langatmig wird, weil er sie nicht öffentlich darstellen möchte etc.). Beim Austausch in Foren / Gruppen stehen den „Beratern“ – den anderen Usern – somit nur eingeschränkte (und nicht objektive) Informationen zur Verfügung. Eine fundierte Aussage und Beurteilung ist daher nicht möglich. Häufig tendieren die Rückfragen (sofern vorhanden) bereits in eine eindeutige Richtung.
- Nicht selten erfolgt die Beurteilung alleine auf Basis der SD-Blutwerte und bestenfalls noch unter Berücksichtigung des geschilderten Verhaltens. Die Diagnose einer subklinischen SDU ist eine Ausschlussdiagnose. Das heißt, es müssen alle anderen Krankheiten ausgeschlossen sein. Und sie ist eine Verdachtsdiagnose, das heißt: Nach Ausschluss aller Krankheiten vermutet man eine SDU. Auf dieses oft vage Konstrukt setzen die „Berater“ die „gesicherte Diagnosen“, dass eine T3-Substitution erforderlich ist.
- Nur wenige „Berater“ befinden sich auf aktuellem wissenschaftlichem Stand. Viele Aussagen sind Meinungen, die im Internet „kursieren“, ohne dass sie einer Prüfung standhalten, werden jedoch mit absoluter Gewissheit vorgebracht. Manche der Meinungen basieren nur auf persönlichen Erfahrungen und sind nicht zu verallgemeinern. Manche User berufen sich zwar auf Expertenaussagen, geben jedoch deren Aussagen nicht vollständig wieder oder berücksichtigen nur ausgewählte Experten und nicht den Stand der Wissenschaft.
- Menschen neigen dazu, einfache Lösungen oder solche, die andere „Schuldige“ benennen (z. B. die SDU, die Umwandlungsstörung, die unfähigen Tierärzte) zu bevorzugen und entsprechende Beiträge zu liken.
- Häufig vertretene Meinungen und / oder häufig gelikte Beiträge setzen sich zwar im Gedächtnis fest, müssen jedoch weder wahr und richtig noch sinnvoll und zielführend sein.
- Der betroffene Hundehalter wird durch einseitige und permanent Aussagen – auch die falschen – beeinflusst und verliert somit die Objektivität im Bericht an den Verhaltenstherapeuten. Wichtig hierbei ist, dass auch das, was als „Falsch“ erkannt wird, sich bei permanenter Wiederholung im Gehirn als Option und irgendwann als Wahr / Realität festsetzt.
Tipps für Hundehalter, die sich im Internet zum Thema informieren:
- Quellen hinterfragen und diese Quellen lesen. Wenn als Quelle „Aussage von XYZ“ steht, versuchen XYZ zu kontaktieren. Ansonsten: Diese Kommentare ignorieren.
- Nicht alle „Top“-User als Spezialisten ansehen. Hier liegen plattformspezifische Algorithmen zugrunde, die nicht mit dem Inhalt, sondern mit der Anzahl der Beiträge verknüpft sind.
- Nicht alle Admins / Mods als Spezialisten ansehen. In den Gruppen werden hierzu häufig Mitglieder benannt, die Zeit haben und / oder schlichtend agieren. Selbst wenn „Fachkompetenz“ als Kriterium gewählt wurde, heißt das nicht, dass Fachkompetenz vorhanden ist (teilweise bewegt diese sich nur in den seitens der Administratoren „tolerierten“ Fachkompetenz).
- Prüfung, worauf die Aussagen abheben: Blutwerte (Auf welche? Welche bleiben unberücksichtigt?), Verhalten (Welches, was wird nachgefragt?). Basieren die „Diagnosen“ nur auf SD-Werten und einigen Verhaltensaspekten? Erfolgen die „Diagnosen“ immer wieder nach Schema F? Vorsicht! Hier sind vermutlich keine Spezialisten am Werk.
- Selbstprüfung: Wieso glaube ich diesem User (dieser Gruppe) mehr als meinem Tierarzt? Hat mich der selbstsichere Auftritt beeindruckt? Die vielen Likes? Die stete Wiederholung der Aussagen? Das Gruppengefühl? (s. oben: Quellenprüfung)
- Selbstkritisch sein: Treffen die Aussagen wirklich auf meine Situation zu? Möchte ich nur, dass sie zutreffen? Übersehe ich etwas? Habe ich etwas nicht mitgeteilt, was relevant sein könnte (möchte ich es öffentlich mitteilen)?
- Vermeidung: Haben Sie in einer Gruppe Mängeln bei Quellenangaben, eine einseitige Beratung, unzureichender Fall-„Analyse“ etc. festgestellt, meiden Sie diese Gruppe, um möglichst objektiv zu bleiben.
s. auch Gestatten: Dr. Internet – Diagnose der Schilddrüsenunterfunktion im gemeinsamen Dialog
Zusammenfassung
Häufige Gründe für eine T3-Substitution mit oder ohne T4-Substitution sind:
- Symptome bleiben bestehen,
- der T3-Wert ist niedrig,
- der T3-Wert steigt nicht an.
Keiner dieser Fälle muss bedeuten, dass eine „Umwandlungsstörung“ (im weitesten Sinne) vorliegt und eine T3-Substitution erforderlich ist.
Vor einer T3-Substitution sind folgende Schritte im Rahmen einer erneuten sorgfältigen Anamnese erforderlich:
- Überprüfen der Diagnose Schilddrüsenunterfunktion,
- Überprüfen, ob NTIs (auch im weitesten Sinne) vorliegen,
- Überprüfen aller Begleitumstände (Fütterung / Nährstoffzufuhr, Haltungsbedingungen, Training, Umgebungsbedingungen….),
- Dosierung prüfen: Dosishöhe, Abstand Substitution zur Fütterung, Häufigkeit der Gabe, Regelmäßigkeit der Gabe, Umstellen auf anderes Präparat möglich etc.).
Wird eine T3-Substitution für nötig befunden, sollte diese analog der T4-Probesubstitution erfolgen und bedacht werden, dass eine Substitution ggf. nur zeitweise erforderlich ist.
Weitere Details Zimmermann B: Dr. Jekyll & Mr. Hund. Ausgeglichene Schilddrüse – ausgeglichener Hund, 1. Auflage. Thieme Verlag: Stuttgart – New York; 2018
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Literatur (Auswahl)
[1] Scott-Moncrieff JC: Hypothyroidism. In Feldman EC, Nelson RW, Reusch C, Scott-Moncrieff JC Hrsg: Canine and Feline Endocrinology. 4th Edition. Oxford: Elsevier Ltd; 2014.
[2] Chan N et al.: New-Onset Heart Failure in the Setting of T4-Conversion Disorder. Cureus 14(5): e25024. DOI10.7759/cureus.25024, May 15, 2022
[3] Cocco E et al.: A Preliminary Study on the Interplay between the Serum Levels of Neurotransmitters and Thyroid Hormones for the Evaluation of the Behavioral Phenotype of Dogs. Animals 2023, 13, 411
[4] Wahrendorf S. Schilddrüsenparameter und Cholesterol-Werte bei verhaltensunauffälligen Hunden. Diss. med. vet., Ludwig-Maximilians-Universität München; 2011
[5] Nygaard B et al.: Kombinationsbehandling med thyroxin og trijodthyronin til patienter med hypotyreose. Ugeskr Læger 180 (2018): V04170328
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