Qualzucht und Inzucht: Niedlich, extravagant – und ignorant

Qualitätszucht durch Änderungen in Zucht-Ordnungen

In der (Nutz- und) Heimtierzucht werden von Züchtern, Zuchtverbändern und Haltern Zuchtergebnisse toleriert, die als Qualzuchten bezeichnet werden müssen. Die Nachfrage nach entsprechenden Hunderassen (und anderen Tierarten) ist ungebrochen hoch.

Beispiele von Qualzuchten

Unter Qualzucht werden Tierzuchten verstanden, die aufgrund angezüchteter Eigenschaften dazu führen (oder sehr wahrscheinlich dazu führen können), dass die Tiere unter Schmerzen, Schäden oder Verhaltensstörungen leiden.

Bulldogge: Vorbiss, entzündete Augen, faltiges Gesicht, kurzschnäuzig
Bulldogge: Vorbiss, entzündete Augen, faltiges Gesicht, kurzschnäuzig (Quelle pixabay)

Qualzuchten finden sich nicht nur bei Hunden, sondern bei allen Tierarten, die vom Menschen gezüchtet werden. Aufgrund der mit den Eigenschaften einhergehenden negativen Auswirkungen, wie Einschränkungen der Fitness und des natürlichen Verhaltens, treten solche Effekte in freier Natur auf Dauer nicht auf. Die Bezeichnung „natürlich“ in manchen Rassestandards ist daher nichtzutreffend.

In der nachfolgenden Tabelle sind nur einige der Qualzuchten bei Heimtieren (insbesondere Hunden) zusammengestellt. Die Aufstellung erfasst weniger als die Spitze des Eisberges.

Tierart / RasseZuchtelementFolgen (Beispiele)
Mops, Bulldoggen, Pekingese, Boxer, Chihuahua, Shi-Tzu, Yorkshire Terrier, Cavalier King Charles Spaniel; PerserkatzeBrachycephalie – KurzschnäuzigkeitLebensbedrohlich empfundene Atemnot aufgrund zu kleiner Nasenlöcher, zu langer Gaumensegel, Erstickungsanfälle im Schlaf, unzureichende Thermoregulation, Verätzungen der Speiseröhre und Erbrechen durch erhöhte Atemanstrengungen; Überbiss, Probleme bei der Nahrungsaufnahme; frühes Zuwachsen der Schädelfugen führt zu zahlreichen Deformationen: Verformungen von Augen, Gehirn, Gebiss, Mittelohr, herausdrücken des Gehirns aus Fontanellen oder in den Nasenraum; Im Verhältnis zum Kopf zu große Zunge; weiche Knorpel in Kehlkopf und Luftröhre, Hypotrachea (zu kleine Luftröhre)
Chihuahua, MopsGroßköpfigkeit, Rundköpfigkeit, große AugenWasserkopf, kein natürlicher Geburtsvorgang, verspätetes Zuwachsen der Fontanellen mit hoher Verletzungsgefahr des Gehirns; zu kleine und flache Augenhöhlen: Verletzungsgefahr der Augen, Herausfallen der Augen aus der Augenhöhle; oft in Verbindung mit Brachycephalie
DackelChondrodysplasie: krumme, kurze BeineSchäden an der Wirbelsäule: Bandscheibenvorfall
Deutscher SchäferhundAbfallende Hinterhandu. a. Hüftgelenkdysplasie (HD)
Mops, Bulldoggen; Manx-KatzeKurzer oder fehlender Schwanz, extremer Ringelschwanzeinhergehend mit Wirbelsäulenschäden; eingeschränkte Kommunikation, eingeschränkte Balancemöglichkeiten beim Laufen und Springen
Shar Pei, Mops, BulldoggenFaltenbildungEntzündungen im Faltenbereich, Überdeckung der Augen, Augenentzündungen durch Reiben der Haut auf den Augen
TaubenBrachygnathie: KurzschnäbeligkeitSchwierigkeiten beim Schlüpfen; Fütterung des Nachwuchses nicht mehr möglich
Hühner, Tauben, EntenFederhaubenGehirnschäden, Einschränkungen des Blickwinkels, Schäden an der Schädeldecke
Positurkanarienvögelextrem aufrechte KörperhaltungProblem auf Sitzstangen zu sitzen, Fußballenschäden, Beeinträchtigung des natürlichen Verhaltens
Tabelle 1: Beispiele von Qualzuchten

Rezessive Gendefekte

Neben den äußeren Merkmalen (mit den verbundenen inneren Schäden) kann man auch rezessive Gendefekte unter Qualzuchten einordnen.

Rezessive Gendefekte machen sich bei ihren Trägern nicht oder nur eingeschränkt bemerkbar, da das intakte Gen die Ausprägung des Defektes unterdrückt. Daher lassen Zuchtverbände die Zucht mit heterozygoten Tieren (Tiere, die lediglich Träger sind und noch ein „gesundes“ Gen haben) zu, sofern sie mit homozygoten gesunden Tieren (Tiere, die diesen Gendefekt nicht aufweisen) verpaart werden. Die Hälfte des Nachwuchses ist dann heterozygoter Träger des Gendefektes, die andere Hälfte ohne Gendefekt.

(Bei der Verpaarung zweier heterozygoter Tiere ist ebenfalls die Hälfte des Nachwuchses heterozygoter Träger, ¼ ist ohne Gendefekt und bei einem ¼ tritt der Gendefekt zutage).

Grafik: Erbgang für Kreuzungen zwischen hetereozygoten und homozygoten Tieren
Verschiedene Erbgänge

Durch die Verpaarung heterozygote Tiere ist es nicht möglich, den Gendefekt aus der Rasse zu entfernen. Erfolgt keine verantwortungsvolle Zucht, besteht daher die Gefahr, dass sich zwei heterozygote Tiere verpaaren. Dies kann z. B. bei Hobbyzuchten außerhalb geregelter Zuchtvereine oder bei freier Paarung (auch zwischen verschiedenen Rassen) erfolgen.

Je nachdem wie intensiv die Verpaarung heterozygoter mit homozygoter Tiere innerhalb der Rasse erfolgt, nimmt der Anteil der genetisch gesunden Tiere in der Gesamtpopulation ab. Langfristig kann es daher zunehmend schwieriger werden, geeignete Paarungspartner zu finden.

(Zur Verbreitung von Gendefekten siehe auch Schilddrüsenunterfunktion: Ist der Berger des Pyrénées eine Risikorasse? – speziell: Genetische Disposition).

In der Tabelle ist eine sehr kleine Auswahl an rezessiven Gendefekten zusammengestellt.

Rasse (Beispiele)GendefektFolgen
Bobtail, Collie, Dt. Dogge, Dunkerhunden, Sheltie, Teckel, Welsh CorgisMerle-FaktorZweck: Aufhellung des Fells oder Gefieders, blaue Augen Folgen bei homozygoten Tieren (Weißtiger): Taubheit, Blindheit, hohe Sterblichkeit bei Welpen. Ob heterozygote Tiere ebenfalls erhöhte Dispositionen aufweisen, ist unklar.
Bobtail, Cocker Spaniel, Engl.-Bulldog, Entlebucher Sennen-hund, Franz. Bulldogge, Mops, Rottweiler, TeckelRingelschwanz: Brachy- und Anurien sowie Verkrüppelung der SchwanzwirbelsäuleMissbildungen in der Wirbelsäule bis hin zu Spina bifida (Spaltung der Wirbelsäule)
Collie, Australian Shepherd, Wäller, Deutscher Schäferhund, Weißer SchäferhundMDR1-DefektEingeschränkte Funktion der Blut-Hirn-Schranke: Aufnahme von Medikamenten ins Gehirn mit tödlichen Folgen; Medikamentenempfindlichkeit auch bei heterozygoten Trägern bekannt
Tabelle 2: Erbkrankheiten mit rezessivem Erbgang
Merle: unterschiedliche Augenfarben
Merle: unterschiedliche Augenfarben (Quelle pixabay)

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Hunde

Inzucht

Durch Inzucht, also die Verpaarung engverwandter Tiere, steigt die Gefahr, dass sich Gendefekte in einer Population ausbreiten. Beim Nova Scotia Duck Tolling Retriever beträgt der Inzuchtkoeffizient bereits über 30 %.

Inzucht kann entstehen, wenn der Genpool (also die Anzahl der für die Zucht verwendeten Tiere) sehr klein ist oder klein gehalten wird.

Ein kleiner Genpool ist dann vorhanden, wenn eine Rasse aus sehr wenigen Tieren gezüchtet wird.

Der Kromfohrländer entstand z. B. durch die Paarung eines Rüden unbekannter Rasse und einer Foxterrier-Hündin. Im Laufe der Zucht bildeten sich wuchernde Verhornungen an den Pfoten (HFH = erbliche Fußballenhyperkeratose) heraus. Die Fußballen sind hart, trocken, reißen schnell ein und entzünden sich. Jeder Schritt ist schmerzhaft. Die HFH tritt bei Terriern auf und wurde über die Mutterhündin vermutlich in die Rasse eingebracht. Im Laufe der Zeit summierten sich die Genträger in der Kromfohrländer-Population und der Gendefekt trat immer mehr zutage.

Kromfohrländer
Kromfohrländer (Quelle pixabay)

Der Genpool wird künstlich kleingehalten, wenn das Sperma preisgekrönter männlicher Tiere (populat sires) bei zahlreichen weiblichen Tieren eingesetzt wird.

Sutter schreibt zu dieser Praxis [11]: „Der Ankörung eines Siegerrüden eröffnet die Abwärtsspirale der genetischen Heterogenität.“

Beim Golden Retriever wurde so die Ichthyose in den 1990-er Jahren fast auf 3/4 des Genpools verteilt. Die Ichthyose (Fischschuppenkrankheit) ist eine Verhornungsstörung der Haut.

In Folge eines engen Genpools setzen sich genetische Defekte in der Gesamtpopulation fest und verbreiten sich. Versucht man, den Gendefekt aus dem Genpool zu entfernen und nur mit gesunden Hunden zu züchten, ist zunächst der Genpool deutlich eingeschränkt und birgt wiederum die Gefahr, unerkannte Gendefekte zu vermehren. Beim Golden Retriever standen z. B. nur ¼ der Population zur Verfügung.

Die Anzahl der genetisch bedingten Erkrankungen (rezessive und dominante) bei Hunden steigt stetig.

Warum kaufen Menschen kranke Hunde?

In der Statistik zu den beliebtesten Hunderassen 2020 von Tasso finden sich unter den ersten 10 Plätzen:

  • Platz 2: Labrador Retriever (Colour Mutant Alopecia (CMA), HD, ED, Progressive Retinaatrophie (PRA), Epilepsie u. a.)
  • Platz 3: Deutscher Schäferhund (unter anderem HD-belastet)
  • Platz 4: Französische Bulldogge (Brachycephalie, Wirbelsäulenprobleme, u. a.)
  • Platz 5: Chihuahua (Brachycephalie, zu große Augen, keine natürliche Geburt möglich)
  • Platz 6: Australien Shepherd (Merle-Faktor, MDR1-Defekt)
  • Platz 10: Yorkshire Terrier (Brachycehalie)

In Berlin und Frankfurt / Main landete der Mops noch 2019 auf Platz 9, in Kiel gar auf Platz 7. In Mecklenburg-Vorpommern steht der Old English Bulldog 2020 auf Platz 8.

Die Liste der beliebtesten Rassen zeigt deutlich, dass die Probleme von Qualzucht und Erbkrankheiten scheinbar entweder nicht wahrgenommen oder ignoriert werden.

Über das Internet ist es jedem leicht möglich, sich ausgiebig über eine Rasse zu informieren. Hinsichtlich der Qualzuchten wird sowohl im als auch außerhalb des Internets ausgiebig aufgeklärt (siehe z. B. Initiative der Tierärztekammer Berlin).

Wieso sind dennoch diese Rassen trotz Qualzucht und / oder Gendefekten so populär?

Auf Facebook wurde eine Anfrage gestellt, in der ein „Knautschgesicht-Welpe (Engl. Bulldogge, Mops, Bordeaux-Dogge)“ gesucht wurde. Die häufigste Erklärung für den Kauf eines entsprechenden Welpen lautet daher auch: Kindchenschema: Großer Kopf, große Augen, kurze Nase erinnern an Säuglinge und sind Schlüsselreize, die in uns das Brutpflegeverhalten wecken.

Englische Bulldogge: faltiges Gesicht, kurzschnäuzig
Englische Bulldogge: faltiges Gesicht, kurzschnäuzig (Quelle pixabay)

Dies kann jedoch nur auf die Rassen zutreffen, die mit sehr kurzen Nasen und / oder großen Augen und großem Kopf gezüchtet werden. Für den Dackel (Bandscheibenvorfälle als Auswirkung von langem Rücken und kurzen, krummen Beinen), Deutschen Schäferhund (HD), Nackthunde und viele andere betroffene Rassen kann diese Erklärung nicht wirksam sein.

In einer Studie [9, Kurzfassung 3] wurde von vielen Haltern der Gesundheitszustand ihrer Hunde deutlich besser eingestuft, als der Zustand tatsächlich war, wohingegen der Zustand anderer Hunde dieser Rasse richtig oder schlechter eingestuft wurde. Zudem gaben die Halter an, dass sie sich jederzeit wieder einen Hund dieser Rasse zulegen würden. Die Studienleiter stuften dieses Verhalten als kognitive Dissonanz ein: Umbewertung von nicht erwünschten Tatsachen.

A. Gruber [4] stellt die Hypothese auf, dass zusätzlich oder vordergründig auch ein Münchenhausen-Stellvertreter-Syndrom vorliegen könnte. Ein kranker Hund benötigt intensive Pflege und Fürsorge. Diese Pflege schafft auch Bindung (Stichwort Oxytocin).

Ein anderer Grund ist vermutlich der Wunsch nach Extravaganz – also der Wunsch, etwas Außergewöhnliches zu besitzen.

Rechtliche Aspekte

Grundsatz Tierschutzgesetz

Das Tierschutzgesetz (TierSchG) schreibt fest, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf (§1 TierSchG). Wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt, wird mit Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren bestraft (§16 TierSchG).

Diese Paragrafen wurden jedoch bisher nicht auf Qualzüchtungen angewendet.

Können diese Augen lügen (Augenpaar eines Bassets): Entzündete Augen eines Bassets aufgrund angezüchteter Lidfehlstellungen
Können diese Augen lügen? Entzündete Augen eines Bassets aufgrund angezüchteter Lidfehlstellungen (Quelle pixabay, bearbeitet)

Zuchtverbot

Relevant ist hierfür der §11b TierSchG, nachdem es verboten ist, Wirbeltiere zu züchten, wenn zu erwarten ist, dass bei den Nachkommen

  • erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten,
  • bei den Nachkommen mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten,
  • die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.

In diesen Fällen kann durch die zuständige Behörde (Veterinäramt) eine Unfruchtbarmachung (i. d. R. Kastration) angeordnet werden. Ferner kann das Bundesministerium die Zucht dieser Rassen (oder einzelner Linien) verbieten.

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Hunde

Federhaubenenten-Urteil

Noch 2009 hob das BVerwG ein Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtes auf, welches ein Zuchtverbot für einen Züchter für Federhaubenenten getroffen hatte. Die Begründung war, dass die statistische Wahrscheinlichkeit für Schäden der Zucht (Gehirnschäden) nicht ausreichend hoch ist (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 – 7 C 4.09).

„…. wenn es nach dem Stand der Wissenschaft überwiegend wahrscheinlich ist, dass solche Schäden signifikant häufiger auftreten, als es zufällig zu erwarten wäre. Eine naheliegende Möglichkeit, dass es zu derartigen Schäden kommen wird, reicht dagegen – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – für ein Verbot nicht aus. …. wenn nur eine naheliegende Möglichkeit dafür besteht, dass dies eintreten wird. Vielmehr bedarf es hierfür eines höheren Maßes an Wahrscheinlichkeit.“

Oder wie es im Leitsatz kurz und knapp beschrieben ist:

„Bei der Zucht von Tieren muss damit gerechnet werden, dass bei den Nachkommen Schmerzen, Leiden, Schäden oder erblich bedingte Verhaltensstörungen im Sinne des § 11b TierSchG auftreten, wenn dies nach dem Stand der Wissenschaft überwiegend wahrscheinlich ist.“

Nacktkatzen-Urteil

Nach Änderung des TierSchG wurde vom Verwaltungsgericht Berlin die Zucht von Sphynx-Katzen (Nacktkatzen) verboten und damit im konkreten Fall die Kastration der betroffenen Tiere bestätigt. Im Gegensatz zum „Federhaubenenten-Urteil“ beschäftigte sich das VG Berlin auch intensiv mit den Auswirkungen der Zucht und verwies unter anderem auf das Gutachten des BMEL zu Qualzuchten [1]. Wesentlicher Faktor der Entscheidung war das Fehlen von Tasthaaren.

Nackthaarkatze ohne nennenswerte Tasthaare
Nacktkatze ohne nennenswerte Tasthaare (Quelle pixabay, bearbeitet)

Interessant in dem Verfahrensablauf ist eine tierärztliche Stellungnahme, die den Katzen mehr oder weniger vorhandene Tasthaare bescheinigt – entgegen der Aussagen der Veterinäramts-TÄ.

In der Urteilsbegründung wird nicht mehr (wie im Federhaubenenten-Urteil) darauf verwiesen, dass Schäden überwiegend wahrscheinlich sein müssen, sondern darauf, dass es ausreicht, „dass sich in entsprechenden Fachkreisen eine überwiegende Auffassung zu einer bestimmten Zucht herausbildet“ und somit eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ ausreicht.

Die Gerichts-Entscheidung wurde dadurch erleichtert, dass der Deutsche Edelkatzenzüchter-Verband e. V. (DEKZV) eine Zucht mit Katzen ohne Tasthaare ausschließt (im Gegensatz zum FIFe (Fédération International Féline)).

Die Niederlande sind hinsichtlich der Zucht von kurznasigen Hunden einen Schritt weiter: Hier ist die Zucht von kurznasigen Hunden und deren Mischlingen konsequent verboten. Als kurznasig wird jeder Hund bezeichnet, dessen Nase nicht mindestens ein Drittel der Kopflänge beträgt. Diese Anforderungen erfordern jedoch ein neues Zuchtkonzept.

Ausstellungsverbot

§12 TierSchG ermöglicht es, ein Ausstellungsverbot für Wirbeltiere zu erlassen, wenn „die Tiere erblich bedingte körperliche Defekte, Verhaltensstörungen oder Aggressionssteigerungen“ aufweisen.

Ein Ausstellungsverbot erfordert jedoch auch die fachkundige Kontrolle der Tiere in den Ausstellungen. Hierbei muss oft innerhalb kurzer Zeit und ohne besondere Hilfsmittel (z. B. Röntgengerät) eine Entscheidung getroffen werden. Naturgemäß können nicht alle Missbildungen erkannt werden (z. B. Brachycephalie).

Im 8. Tagungsband der ÖTT-Tagung (2017) referiert Dr. Tomaschek [7]: „Wann genau diese Erscheinungen als Schaden zu bewerten sind, bzw. wann diese Merkmale Schmerzen oder gar Leiden verursachen und damit zuchthygienisch relevant werden, ist in einem derzeit viel zu weiten Spektrum spekulativ.

Weiter heißt es dort: „…einschlägigen Erfahrungen zeigten, dass die Erfassung wesentlicher Krankheitsmerkmale, jedoch nicht des kompletten Spektrums qualzuchtrelevanter Erscheinungen im Rahmen einer Routinekontrolle mit begrenzten zeitlichen und apparativen Möglichkeiten durchführbar ist und dass hinsichtlich der Abgrenzung bestimmter Exterieurmerkmale noch großer fachlicher Diskussionsbedarf besteht.“

Der VDH sieht ein Ausstellungsverbot nicht als zielführend an [12]:

„Der VDH und die VDH-Mitgliedsvereine sind die Veranstalter von Rassehundeausstellungen. Die Meldezahlen von Möpsen und Französischen Bulldoggen sind rückläufig, im letzten Jahr sind auf unseren Internationalen und Nationalen Ausstellungen lediglich 402 Möpse und 718 Französische Bulldoggen ausgestellt worden, davon zahlreiche Tiere aus dem europäischen Ausland.

Ein Ausstellungsverbot würde vorrangig die Veranstaltungen des VDH betreffen, über die nur ein Bruchteil der Population dieser Rassen in Deutschland erreicht werden kann.“

Tiere als Sachgüter im Handel (BGB)

In Bezug auf den Handel (Verkauf) gelten Tiere als Sachgüter. Damit sind auch die entsprechenden Paragrafen des BGB (§434 ff) relevant. In diesen ist ein Umtausch oder Rückgaberecht bei mangelhafter Ware festgehalten (§437, §439). Dies könnte in Bezug auf die leistungseingeschränkten Qualzuchten bedeuten, dass eine Rückgabe des Tieres oder Kaufpreiserstattung gerichtlich durchsetzbar ist.

Deutscher Schäferhund mit abfallender Kuppe
Deutscher Schäferhund mit abfallender Kruppe (Quelle pixabay)

Die Umsetzung der BGB-Regelungen ist jedoch schwierig, da eine emotionale Bindung zwischen Hund und Halter besteht und der Hund diesbezüglich eben kein Sachgut ist. Es ist zweifelhaft, ob ein Hundehalter einen Hund, den er seit längerer Zeit besitzt, an den Züchter im Tausch gegen einen anderen, gesunden Hund zurückgeben würde. Auch im Interesse des Hundes ist ein Halterwechsel fragwürdig. Diesbezüglich wäre eine angepasste rechtliche Regelung / Rechtsprechung wünschenswert (z. B. Kostenübernahme aller durch die Qualzucht entstehenden Mehrkosten gem. §437 BGB Absatz 3: Schadenersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen). Die Zucht und der Verkauf solcher Welpen dürfte sich dann sehr schnell selbst regulieren.

In ihrem Referat verweist Fr. Fitzi-Rathgen [10] darauf, dass einige Halter brachycephaler Rassen angeben, dass sie diese Rasse gewählt hätten, weil man mit ihnen weniger spazieren gehen müsse. Dass diese Hunde aufgrund ihrer ständigen Atemnot und ggf. massiver Gelenkproblemen gar nicht in der Lage sind, lange Spaziergänge zu machen, scheint den Haltern zu entgehen. Die Folgen der Qualzucht sind dann kein Mangel, sondern gewünschte Eigenschaften.

Ein Verkäufer (i. d. R. also der Züchter) muss über bekannte „Mängel“ aufklären. Es ist nicht davon auszugehen, dass Verkäufer / Züchter in ausreichendem Umfang über alle Konsequenzen der Qualzuchten aufklären. Ein mit der Welpenübergabe abzugebendes Informationsblatt (z. B. erstellt vom Veterinäramt, BMEL (Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft), VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen e. V.) könnte sicherstellen, dass die Käufer ausreichend informiert werden.

Allerdings ist auch unabhängig von der Aufklärung durch den Verkäufer der §442 BGB relevant: „ist dem Käufer ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann der Käufer Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.“ Der Käufer ist also verpflichtet, sich zumindest grob zu informieren.

Kauf-Angebote im Internet

Nacktmeerschweinchen (Skinny Pigs) gelten als Qualzucht. Bei einer Suche im Internet auf Quoka wurden innerhalb 24 Stunden 5 Anzeigen zum Verkauf von Nacktmeerschweinchen aufgegeben.

Der §11 des TierSchG fordert zwar eine Erlaubnis für das „Zurschaustellen von Tieren an wechselnden Orten“ und erwähnt diesbezüglich explizite auch „Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte“. Internetbörsen werden jedoch scheinbar nicht damit erfasst bzw. fehlt es an einer entsprechenden Kontrolle.

In einer Stellungnahme gibt der Bundestag zu einer entsprechenden Anfrage folgende Antwort (Drucksache 19/25414, Pkt. 13):

„Auf Onlineplattformen werden Tiere dabei anders als Waren in der Regel nur angeboten, der Kauf erfolgt vor Ort. Insofern ist der Begriff Tier“handel“ im Internet irreführend. …. Die Überwachung der Einhaltung des Tierschutz- und des Tiergesundheitsrecht erfolgt in Deutschland durch die nach Landesrecht hierfür zuständigen Behörden. Da den Behörden die Kenntnisse für die Überwachung des Internets teilweise fehlen, hat das BMEL entsprechende Hinweise übermittelt.“

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Hunde

Rassewahn und Zucht

Nasenöffnung von einem Mops und einem Spaniel im Vergleich. Die verformte Nase des Mopses erschwert das Atmen.
Nasenöffnung von einem Mops und einem Spaniel im Vergleich. Die verformte Nase des Mopses erschwert das Atmen. (mit freundlicher Genehmigung, Name bekannt)

Rassen sind eine vom Menschen geschaffene Einteilung innerhalb einer Art. Für Hunde gibt es Rassestandards, die durch die entsprechenden Verbände (z. B. VDH oder FCI (Fédération Cynologique Internationale)) definiert werden.

In der Regel sind die Beschreibungen des äußeren Erscheinungsbildes ungleich länger, als die von Verhalten und Wesen. Das kurze Abhandeln des Wesens steht im Widerspruch zu den Auswahlkriterien, die eine Rasse jahrhundertelang geformt haben: Für die meisten Rassen standen die Fähigkeit zur Leistung (also die „Arbeit“ (Hüten, Jagen etc.)) und Gesundheit im Vordergrund. Äußerliche Merkmale waren sekundär. Erst Ende des 19-ten Jahrhunderts, mit aufkommen von Hundeausstellungen, gewann die Optik Oberhand über Leistung und Gesundheit.

G. Oechtering referiert auf der 10-ten Tagung des ÖTT [8] über die (Schau-)Hundezucht, die in den letzten 150 Jahren entstanden ist und deren Basis Rassestandards sind. Er kommt zum Schluss, dass diese Rassestandards „erwiesenermaßen viele Formulierungen, die eine Überbetonung krankmachender äußerer Merkmale fördern und so unmittelbar der Gesundheit schaden“ enthalten. ……

Der gesamten Rassezucht von Schautieren fehlt ein wesentliches Instrument: eine unabhängige und fachkundige Qualitätskontrolle.“

Mit ursächlich für diesen Zustand sind auch nicht tierärztlich ausgebildete Bewertungs-Richter, denen offensichtlich der Zusammenhang bestimmter optischer Merkmale mit der reduzierten Lebensqualität der Tiere nicht bewusst ist. Allerdings werden auch seitens der Tierärzte die Folgen von Qualzuchten teilweise verharmlost (oder unterschätzt).

Beispiel Mops

(in Fettschrift: letzte Änderungen der Rassebeschreibung)

Im FCI Standard findet sich für den Mops (FCI-Nummer 253) in der 7-seitigen Rassebeschreibung lediglich eine kurze Beschreibung:

Mops: kurzschnäuzig
Mops: kurzschnäuzig (Quelle pixabay, bearbeitet)

„VERHALTEN / CHARAKTER (WESEN): Viel Charme, Würde und Intelligenz. Ausgeglichen, fröhlich und lebhaft.“

Die Kopfform hingegen wird ausführlich beschrieben:

„Fang: Ziemlich kurz, stumpf, quadratisch, nicht aufgebogen. ….
Kiefer / Zähne: Geringfügiger Vorbiß….
RUTE: Hoch angesetzt, so eng wie möglich über die Hüfte gerollt. Doppelt eingerollte Rute höchst erwünscht“

Deutlicher wird die Rassebeschreibung nur hier und da:

„Fang: Augen oder Nase sollen niemals nachteilig beeinträchtigt oder von Falten auf dem Nasenrücken verdeckt sein.
Kiefer / Zähne:Kreuzbiss, sichtbare Zähne oder Zunge höchst unerwünscht und sollten streng bestraft werden.
Augen: Niemals hervorstehend, übertrieben oder weiβ zeigend wenn sie direkt nach vorne schauen.
N.B: Zur Zucht sollen [sic] ausschließlich funktional und klinisch gesunde, rassetypische Hunde verwendet werden.“

Beispiel Französische Bulldogge

(in Fettschrift: letzte Änderungen der Rassebeschreibung)

Ähnlich liest sich die Beschreibung der Französischen Bulldogge (FCI-Nummer 101):

Französische Bulldogge: kurzschnäuzig
Französische Bulldogge: kurzschnäuzig (Quelle pixabay)

„VERHALTEN UND CHARAKTER (WESEN): Kontaktfreudiger, lebhafter, verspielter, einnehmender und aufgeweckter Begleithund.
GESICHTSSCHÄDEL: Der Kopf der Bulldogge ist gekennzeichnet durch den verkürzten Oberkiefer- und Nasenbereich sowie durch eine leicht nach hinten geneigte Nase. Die Nase ist etwas nach oben gerichtet („aufgestülpt“).
Fang: Sehr kurz, breit; mit konzentrischen, symmetrischen Falten.
Kiefer / Zähne : Breit und kräftig. Der Unterkiefer steht vor dem Oberkiefer und verläuft in einem Bogen nach oben …. Wesentlich ist, dass Oberlefze und Unterlefze so aufeinandertreffen, … Ausreichend entwickelte Schneidezähne und Eckzähne, vollständiges Gebiss wünschenswert.
Augen: … tief eingesetzt,  ….., ziemlich groß, rund
RUTE: Von Natur aus kurz, idealerweise ausreichend lang, um den Anus zu verdecken, tief angesetzt, eher gerade, an den Hinterbacken anliegend, am Ansatz dick, sich zur Spitze verjüngend. Eine Knoten-, Knickrute oder eine relativ lange Rute, die nicht über das Sprunggelenk hinaus ragt, ist zugelassen.“

Deutlicher wird die Rassebeschreibung erst bei den disqualifizierenden Merkmalen, z. B.

„Komplett [sic] geschlossene Nasenlöcher
Hunde, deren Fangzähne bei geschlossenem Fang ständig sichtbar sind.
Atemprobleme“

Änderungen der Rassestandards

Die Änderungen der Rassebeschreibung (Fettschrift) lassen ein vorsichtiges Umdenken erkennen.

M. Schmidt schreibt jedoch [5] „…. auch ein vermeintlich „gesunder“ brachycephaler Hund hat keinesfalls eine Morphologie, die als physiologisch zu bezeichnen ist.“ Daraus folgt, dass die vorsichtig veränderten Rassestandards nicht zu einem wirklichen Ende der Qualzucht führen.

Der VDH (der in seinen Rassestandards auf den FCI verweist) sieht die Rassevorgaben bereits als streng an und schreibt in einer Stellungnahme an das BMEL zur Änderung tierschutzrechtlicher Vorschriften [12]:

„Die in unserem Verband bestehenden strengen Vorgaben, etwa was die Zucht von brachyzephalen Rassen betrifft, haben bereits dazu geführt, dass der VDH bei beliebten Rassen wie dem Mops oder der französischen Bulldogge nur noch einen sehr geringen Marktanteil haben. Dieser liegt schätzungsweise bei unter 10 % der in Deutschland verkauften Hunde.“

Chihuahua mit einem übergroßen Auge und einem verlorenen Auge
Chihuahua mit einem übergroßen Auge und einem verlorenen Auge (Quelle pixabay)

Einzelne Züchter versuchen, etwa beim Mops, gegenzusteuern.

Beim Altdeutschen Mops wird versucht, aus dem Bestand der Mops-Population wieder zur ursprünglichen gesünderen Variante zurück zu züchten.

Beim Retro-Mops werden z. B. Parson-Russell-Terrier eingekreuzt. Diese Möpse sind allerdings Mischlinge und werden vom VDH nicht als Mops anerkannt. In der zweiten Generation (also dem Nachwuchs der Kreuzungen) können die negativen Zuchtelemente wieder zutage treten.

Langfristig ist bei vielen Hunderassen vermutlich nur die konsequente und gezielte Einkreuzung anderer Rassen zur Erhaltung einer gesunden Rasse möglich. Dies würde jedoch die Änderung der Rassedefinitionen erfordern.

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Hunde

Ethische Aspekte

Anthropozentrische Abwägungen

Gelangt ein Fall vor Gericht, werden die Interessen des Halters gegen die Interessen des Tieres abgewogen. Nicht selten werden wirtschaftliche Interessen oder die Freiheit, mit seinem Eigentum nach Belieben umgehen zu können, höher eingestuft, als das Leiden der Tiere. In der Nutztierhaltung spielen noch weitere Abwägungen eine Rolle (z. B. volkswirtschaftliche Interessen, s. auch „Armes Schwein“).

Mag man in der Nutztierhaltung noch das Tierwohl zugunsten der Ernährungsgewohnheiten der Menschen zurückstellen können, wird die Abwägung von „Geschmäckern und Vorlieben“ bei der Hobbytierhaltung ethisch schwieriger.

Rechtfertigt der Wunsch nach Extravaganz Tierleid? Kann dies als vernünftiger Grund eingestuft werden?

Abwägung: Tierwohl und Schönheitsideal (Beispiel Brachycephalie)

Die Behebung der schlimmsten Probleme der Brachycephalie ist durch Operationen möglich. Hierbei werden z. B. Nasenlöcher geweitet, Gaumensegel gekürzt, die Luftröhre durch Inlays stabilisiert. Hat sich das Tier von der schweren Operation erholt, ist ihm evtl. ein halbwegs normales Leben möglich.

Oechtering / Rösch berichten aber auf dem 10. Leipziger Tierarztkongress [6] davon, dass nach Operationen zunehmend keine nachhaltigen Verbesserungen der Tiergesundheit erzielt werden können und manche Tiere daher mehrere erfolglose Operationen hinter sich haben. Es müssen zunehmend aggressivere Operationsmethoden durchgeführt werden, um den betroffenen Tieren einigermaßen helfen zu können. Als Ursache nennen sie den Wandel des Schönheitsideals hin zu „keine Nase“ und komplexen Deformationen des gesamten Kopfes und des restlichen Körpers.

Eine Zucht mit den operierten Tieren ist weiterhin möglich. In Ausstellungen ist für den medizinischen Laien nicht unbedingt erkennbar, ob der gute Allgemeinzustand des Tieres aus einer Operation resultiert. Solche (preisgekrönten) Tiere können also ihre defekten Anlagen weitergeben. Die Frage, inwieweit Tierärzte diese Operationen ohne gleichzeitige Kastration durchführen sollen, ist daher ein heftig umstrittenes Thema. Die erfolgreiche Therapie (Operation) kann eine gezielte gesunde Zucht nicht ersetzen.

Oechtering / Rösch führen weiter aus [6]: „Und diese Hiobsbotschaften signalisieren, dass die Möglichkeiten, in einer „normalen Kleintierpraxis“ diesen sich quälenden Tieren mit Standard-Operationstechniken helfen zu können, immer kleiner werden. Wir werden uns an die Situation gewöhnen müssen, dass wir nur noch einem Teil der Tiere durch die einfache herkömmliche Erweiterung der Nares und das Kürzen des Gaumensegels relevant helfen können.“

Abwägung Freiheit zu Handeln und Freiheit von Schmerzen

Fawcett et al [2] schreiben: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hunde mit BOAS [Brachycephalie] weder frei von Beschwerden noch von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten sind und dass sie nicht die Freiheit haben, normales Verhalten zu zeigen.“

Inwiefern ist dem Menschen diese Freiheitseinschränkung der Tiere – das Leiden und die Qualen – wichtiger, als die eigene Freiheit, sich ein extravagantes, süßes oder wie auch immer extrem gezüchtetes Tier, zuzulegen?

Diese Frage muss sich nicht nur der Hundehalter stellen, sondern die ganze Gesellschaft, die Qualzuchten toleriert.

Dackel: Beine unproportioniert im Verhältnis zu Brustkorb und Rücken
Dackel: Beine unproportioniert im Verhältnis zu Brustkorb und Rücken (Quelle pixabay)

Abwägung: individuelles Tierwohl und Rasseerhalt

Die Kastration betroffener Tiere kann gesetzlich angeordnet werden (s. o.). Wehrend und Conze erläutern in einem Vortrag [5]:

Diese Forderung vernachlässigt die potentiellen unerwünschten Nebenwirkungen der Kastration, wozu das Narkoserisiko sowie die Entwicklung einer Harninkontinenz sowie eine Reihe andere Nachteile gehören.“ und erläutern, dass eine Kastration nicht durchgeführt werden sollte, wenn eine medikamentöse Therapie möglich ist.

Die mögliche Weiterverbreitung der Qualzuchtmerkmale wird durch medikamentöse Behandlung jedoch ebenso wenig eingeschränkt, wie durch eine Operation.

Die Abwägung von Tierwohl der Rasse gegenüber dem Tierwohl des Individuums stellt somit ein weiteres ethisches Problem dar.

Einfache Lösung

Das BMEL hielt in seinem Gutachten [1] bereits 1999 abschließend fest:

„Es ist notwendig, die Heimtierzucht mit den Prinzipien des Tierschutzes zu vereinbaren. Tierschutzgerecht kann eine Rassezucht nur sein, wenn mindestens folgendes berücksichtigt wird:
− Gesundheit und Vitalität als Zuchtziel,
− Vermeidung enger Verwandtschaftszucht,
− Vermeidung exzessiver anatomischer, physiologischer und ethologischer Übertreibungen (Übertypisierung),
− Vermeidung bzw. Begrenzung von Erbkrankheiten und Defekten (….),
− Ausschluss von Rassen, deren spezifischer Typus nur durch Merkmale erzielt werden kann, die bei den Elterntieren und/oder ihren Nachkommen (ihrer Nachzucht) zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen können.“

So einfach kann es sein. Und dennoch ist das Problem auch nach über 20 Jahren noch nicht gelöst.


Literatur

  1. BMEL Sachverständigengruppe Tierschutz und Heimtierzucht: Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen). 1999
  2. Fawcett A. et al.: Consequences and Management of Canine Brachycephaly in Veterinary Practice: Perspectives from Australian Veterinarians and Veterinary Specialists. Animals 2019, 9, 3
  3. Fluffologie: Das Qualzucht-Paradoxon – Auswertung der Studie [9]
  4. Gruber A: Das Kuscheltierdrama. Droemer Taschenbuch 2019, ISBN 978-3-426-30202-6
  5. LBH: 9. Leipziger Tierärztekongress – Tagungsband 1, 2018
  6. LBH: 10. Leipziger Tierärztekongress – Tagungsband 1, 2019
  7. ÖTT (2017): Tierschutz: Anspruch – Verantwortung – Realität. Tagungsbericht der 8. ÖTT-Tagung, Wien. ISBN 978-3-9502915-8-2
  8. ÖTT (2019): Tierschutz: Über die Lebensqualität von Tieren. Tagungsbericht der 10. ÖTT-Tagung, 02.05.2019, Wien. ISBN 978-3-9504790-0-3
  9. Parker RMA et al.: Great expectations, inconvenient truths, and the paradoxes of the dog-owner relationship for owners of brachycephalic dogs. PLOS ONE July 19,2019
  10. Schweizer Tierschutz STS: Referate der 7. Heimtiertagung: Extremzuchten bei Heimtieren –vielfältig, komplex und oftmals leidvoll. Olten, 18. Oktober 2019

by naseweisbz.net

Home // Seitenanfang // Alle Beiträge Hunde

Ein Gedanke zu „Qualzucht und Inzucht: Niedlich, extravagant – und ignorant

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..